Neue Nahost-Eskalation: Angriffe auf Wohnviertel – Dschihadisten-Führer getötet
Wieder Eskalation in Nahost: Im Konfliktgebiet Israel-Palästina fliegen erneut Raketen. Fast 30 Menschen starben, darunter offenbar zwei Dschihadisten-Führer – und mehrere Kinder. Was hat die neuerliche Eskalation ausgelöst?
Die israelische Armee hat in der Nacht zu Sonntag erneut mehrere Ziele im Gazastreifen angegriffen. Verteidigungsminister Benny Gantz habe am Abend die Streitkräfte angewiesen, die operativen Bemühungen fortzusetzen, teilte sein Büro mit. Ziel der Angriffe ist die Organisation Islamischer Dschihad (PIJ), die nach der Hamas die zweitstärkste militärische Kraft im Gazastreifen ist.
Nach eigenen Angaben hat Israels Armee dabei einen weiteren Militärchef der PIJ gezielt getötet. Der südliche Kommandeur des Islamischen Dschihads, Chalid Mansur, sei bei einem Luftangriff in der Stadt Rafah ums Leben gekommen, teilte das Militär am Sonntagmorgen mit. Zwei weitere ranghohe Dschihad-Mitglieder seien dabei ebenfalls getötet worden, darunter Mansurs Stellvertreter. „In den vergangenen Tagen hat Mansur an der Vorbereitung eines Angriffs auf Israel mit einer Panzerabwehrrakete sowie Raketen gearbeitet“, hieß es in der Mitteilung. Er sei auch für Terroranschläge in der Vergangenheit verantwortlich.
Es gibt bereits mindestens 29 Tote – alle auf palästinensischer Seite
Das israelische Militär hatte am Freitag die großangelegte Militäraktion „Morgengrauen“ gegen den Islamischen Dschihad gestartet. Dabei wurden bereits der Militärchef Taisir al-Dschabari und weitere PIJ-Mitglieder getötet. Die eng mit Israels Erzfeind Iran verbundene Gruppe wird von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft. Der israelische Regierungschef Jair Lapid sagte am Sonntag nach Angaben seines Büros, die Operation werde „so lange weitergehen wie notwendig“. Man bemühe sich dabei, dass Unbeteiligte nicht zu Schaden kommen.
Tatsächlich starben seit Freitag nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums schon mindestens 29 Menschen. Unter den Toten sind demnach neben weiteren PIJ-Mitgliedern sechs Kinder und vier Frauen. Es soll zudem mindestens 253 Verletzte geben.
Das könnte Sie auch interessieren: Gazakrieg: So schlimm leiden die Menschen: „Was wir erleben, ist unbeschreibbar“
Palästinensische Berichte, wonach das israelische Militär für den Tod von fünf Kindern und einem Erwachsenen im Flüchtlingslager Dschabalia verantwortlich gemacht wird, wies Israel zurück. „Basierend auf Militärdaten scheint es, dass das Ereignis auf eine fehlgeleitete Rakete des Islamischen Dschihads zurückgeht“, teilte das Militär mit.
Droht am Sonntag weitere Eskalation?
Befürchtet wird, dass sich am Sonntag – dem jüdischen Fasten- und Trauertag Tischa BeAv – die Lage weiter zuspitzen könnte. Religiöse Juden betrauern an dem Tag die Zerstörung der beiden antiken Tempel in Jerusalem. Die Hamas rief am Abend dazu auf, die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg „zu verteidigen und sich den israelischen Übergriffen auf die heilige Stätte entgegenzustellen“.
Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. An dem Feiertag kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Konfrontationen.
In mehreren israelischen Städten waren in der Nacht zu Sonntag erneut Sirenen zu hören – erstmals seit Beginn der israelischen Militäroperation im Gazastreifen gab es auch in Jerusalem Raketenalarm. Nach Militärangaben heulten im Umkreis der Stadt am Morgen die Warnsirenen. Einwohner berichteten von Explosionen.
Seit Freitag wurden nach Militärangaben mehr als 400 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert. Nach Angaben des israelischen Rettungsdienstes wurden 21 Menschen im Krankenhaus behandelt. Tote gab es auf israelischer Seite bislang offenbar keine.
Erst 2021 gab es Eskalation in Nahost: 255 Palästinenser und 13 Israelis starben
Der Eskalation voran gegangen war die Festnahme eines Anführers des Islamischen Dschihads im Westjordanland, Bassem Saadi, am Montag. Israel sperrte über mehrere Tage hinweg Gebiete am Rande des Küstenstreifens ab und erhöhte die Alarmbereitschaft. Berichten zufolge soll es konkrete Pläne eines Angriffs auf israelische Zivilisten gegeben haben.
Israels Streitkräfte hatten sich im vergangenen Jahr einen elftägigen Konflikt mit militanten Palästinensern im Gazastreifen geliefert. Nach palästinensischen Angaben starben dort 255 Menschen, in Israel kamen israelischen Behörden zufolge 13 Menschen ums Leben. Mehr als 4000 Raketen wurde aus dem Gazastreifen abgefeuert. Ägypten vermittelte eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas.
Das könnte Sie auch interessieren: Lage immer dramatischer: Tel Aviv unter Dauerbeschuss – mehr als 50 tote Palästinenser
Während des Sechstagekrieges 1967 hatte Israel unter anderem das Westjordanland und den Gazastreifen erobert. Die Hamas hatte 2007 in dem Küstenstreifen gewaltsam die Macht an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Gebiets, die von Ägypten mitgetragen wird. Beide Staaten begründen die Maßnahme mit Sicherheitsinteressen. (mp/dpa)
Anmerkungen oder Fehler gefunden? Schreiben Sie uns gern.