Unruhe seit 20 Monaten: Löst Burchert St. Paulis Torwart-Problem?
Es rappelt in der Kiste des FC St. Pauli. Und zwar richtig. Dort, wo sich ein Fußballverein auf dem grasgrünen Spielfeld die größtmögliche Ruhe, Stabilität und Beständigkeit wünscht – nämlich zwischen den Pfosten – herrscht beim Kiezklub mächtig Bewegung und Aufregung. Mal wieder.
Die Torwartposition ist erneut ein braun-weißer Unruheherd – und die Verpflichtung von Sascha Burchert (32) das jüngste Kapitel einer turbulenten Geschichte, die den Verein und noch mehr die Fans seit geraumer Zeit in Atem hält.
In den vergangenen 20 Monaten haben fünf verschiedene Schlussmänner das Tor des FC St. Pauli gehütet und sowohl Nominierung als auch Abberufung waren zumeist mit Nebengeräuschen verbunden. Mit Burchert könnte schon im Heimspiel gegen Magdeburg am Sonntag das halbe Dutzend vollgemacht werden.
St. Pauli hat ein Torwartproblem – seit Jahren
Eine wenig rühmliche Statistik für eine Position, auf der Kontinuität Trumpf ist – entsprechende Klasseleistungen des Protagonisten vorausgesetzt.
Die hatte Dennis Smarsch in seinen bislang vier Pflichtspielen dieser Saison nicht gezeigt. Der 23-Jährige, der als Herausforderer der letztjährigen und unangefochtenen Nummer eins Nikola Vasilj (26) in die Sommervorbereitung gestartet war und nach dessen Fingerbruch den Job kampflos bekommen hatte, zeigte nach Meinung der sportlich Verantwortlichen so viele Unsicherheiten, dass sich der Verein zum Handeln gezwungen sah.
Nicht wenige Fans kritisieren die kurzfristige Verpflichtung des vereinslosen Ex-Fürthers Burchert, sehen die Personalie als Misstrauensvotum oder gar Demontage des jungen Keepers.
St. Pauli verpflichtet Ex-Fürther Burchert
Fakt ist, dass der letztjährige Pokal-Torwart Smarsch als echte Nummer eins noch nicht überzeugen konnte, in einigen Szenen eine schlechte Figur machte und insbesondere in punkto Strafraumpräsenz und Stellungsspiel Defizite offenbarte. Ebenfalls Tatsache ist, dass junge Keeper Zeit und Vertrauen brauchen.
Fakt ist auch, dass Vasilj frühestens Anfang September wieder in die Kiste zurückkehren könnte. Der Bruch des kleinen Fingers an der linken Hand ist zwar gut verheilt, wie ein Kontroll-MRT Anfang dieser Woche ergab. Zudem konnte der OP-Draht entfernt werden. Ein volles Torwarttraining ist aber erst in drei Wochen möglich – nach einer weiteren Kontrolluntersuchung.
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Heißt: Vasilj wird weitere vier Wochen und für die Spiele gegen Magdeburg, Rostock, Paderborn und womöglich auch Fürth nicht zur Verfügung stehen. Angesichts der offenen Frage, ob sich Smarsch stabilisiert, zunehmend unsicher agiert oder sich schlimmstenfalls gar verletzt und es bei Vasilj womöglich Rückschläge in der Reha gibt, die seine Ausfalldauer noch verlängern, wurde Burchert in der „schwierigen Situation“ als „Absicherung“ verpflichtet, wie Sportchef Andreas Bornemann betont. Hart für Smarsch, aber alles andere wäre wohl fahrlässig.
Ob Smarsch gegen Magdeburg erneut im Tor steht oder Burchert direkt debütiert, dürfte ganz stark von den Trainingseindrücken dieser Woche abhängen. Als wäre die Situation nicht schon heikel genug: in der Woche darauf steht der heiße Tanz in Rostock an.
Ohne seine Verletzung wäre Vasilj, so ist zu hören, erneut als Nummer eins in seine zweite Saison gegangen und hätte damit für die ersehnte Kontinuität auf der Keeperposition gesorgt. Perspektivisch wichtig: Er ist der einzige Torhüter, dessen Vertrag über die Saison hinaus läuft.
Vasilj überzeugte im St. Pauli-Tor
Besagte Kontinuität im Tor gibt es bei St. Pauli seit Dezember 2020 nicht, nachdem der langjährige Stammkeeper Robin Himmelmann bekanntlich im allgemeinen Abwärtsstrudel zunächst auf die Bank und im Januar den Verein vorzeitig verlassen musste. Ersatzmann Svend Brodersen überzeugte nicht und machte nach vier Einsätzen für Leih-Keeper Dejan Stojanovic Platz, der in der Rückrunde zum wichtigen Rückhalt avancierte, bevor im Sommer 2021 Vasilj verpflichtet wurde. Ein guter Griff und eine Verbesserung. Bis zu seiner Verletzung. Pech. Und der Anfang des nächsten braun-weißen Kisten-Dilemmas.
Nicht zu vergessen: In diesem Sommer hat der Kiezklub auch auf der Position des Torwarttrainers einen Wechsel vollzogen und den langjährigen Positionscoach Mathias Hain durch Marco Knoop ersetzt. Der Neue hat jetzt mehr Arbeit als ihm lieb sein kann.