Neuer Verkehrssenator in Hamburg: Geht’s Autofahrern an den Kragen, Herr Tjarks?
Jetzt können die Grünen Vollgas geben – denn ab sofort gehört ihnen Hamburgs Verkehrsbehörde. Neu-Senator Anjes Tjarks (39) hatte am Donnerstag seinen ersten Arbeitstag. Die MOPO sprach mit ihm über Streitthemen, die Fahrrad-Offensive und was sein Amtsantritt jetzt für den Pkw-Verkehr in unserer Stadt bedeutet.
MOPO: Herr Tjarks, geht’s den Autofahrern jetzt an den Kragen?
Anjes Tjarks: Vor mir muss sich niemand fürchten. Ich bin ein umgänglicher Mensch.
Parkplätze werden mit Ihnen dennoch wegfallen, etwa am Burchardplatz. Da geht einem das Autofahrer-Herz nicht gerade auf.
Autofahrer müssen sich auf Änderungen einstellen, das stimmt. Aber darf ich etwas zu der Frage sagen?
Klar.
Ich finde es total schwierig und nervig zu sagen: „Das sind die Autofahrer“. Die meisten Menschen nutzen mehrere Verkehrsmittel. Sie haben doch auch ein Auto, wenn ich mich richtig erinnere.
Genau, aber zur Arbeit fahre ich vor allem mit der Bahn.
Und genau darum geht es. Wir wollen Angebote schaffen, damit mehr Menschen vom Auto auf andere Verkehrsmittel umsteigen, beim HVV die Taktung erhöhen und neue Linien realisieren. Das muss auch sein. Die Zahl der Kilometer, die die Hamburger am Tag mobil sind, ist in den vergangenen Jahren von 50 auf 70 Millionen gestiegen – auf gleichbleibender Fläche.
Klingt nach einem Verkehrsinfarkt.
Genau den wollen wir nicht, deswegen vollziehen wir die Verkehrswende. Am Ende geht es darum, dass der Einzelne weniger Platz verbrauchen darf, um Mobilität in unserer Stadt zu erhalten. Wenn alle im Auto sitzen und im Stau stehen, ist niemand mobil. Es geht aber auch darum, Luftqualität und Aufenthaltsqualität zu verbessern. In diesem Zusammenhang sind die Fahrradstraße am Harvestehuder Weg oder die neue Bahn-Station an den Elbbrücken extrem wichtig.
Letztere ist jedoch nicht sonderlich gut frequentiert.
Aber es ist gut, dass sie da ist. Wenn im Umfeld die neuen Quartiere entstehen, müssen die Leute nicht anfangen, sich ein Auto zu kaufen, um mobil zu sein. Sie haben eine ideale Verbindung vor der eigenen Haustür.
Von so einer Verbindung wird auch in Hamburgs Westen geträumt. Im Koalitionsvertrag wurde die Möglichkeit einer Stadtbahn offengehalten. Gehen Sie das Thema jetzt an?
Das steht nicht im Fokus der Überlegungen. Wir wollen erst einmal die Projekte verfolgen, die wir auf den Weg gebracht haben, die S32 nach Lurup/Osdorf zum Beispiel. Im nächsten Schritt geht es um Projekte wie den neuen Fernbahnhof Diebsteich und den neuen Citytunnel. Menschen fahren nicht auf Plänen, sondern auf verlegten Schienen.
Auch Schienen-Projekte können umstritten sein. Dazu zählen aktuell die Pläne für die neue Sternbrücke. Mit der Einigung zwischen Verkehrsbehörde und Deutscher Bahn ist kaum jemand zufrieden. Gehen Sie da nochmal ran?
Bei der Sternbrücke ist es so, dass die Bahn eine Planung vorgelegt hat. Hier will jetzt die Bürgerschaft eine Prüfung von Alternativen. Und auch die Planung für den Straßenraum darunter muss vorangetrieben werden. Es geht darum, ein sachliches Fundament zu erarbeiten.
In der letzten Legislatur wurde das Ziel, jährlich 50 Kilometer Radwege zu bauen, stets verfehlt. Jetzt sollen es 60 bis 80 Kilometer werden. Wie soll das gelingen?
Wir werden das durch vier verschiedene Strategien schaffen. Wir wollen die Velorouten ausbauen, Radschnellwege schaffen, das bezirkliche Radwegenetz erneuern und schauen, wo wir Radwege liegen haben, die seit Jahren nicht angefasst worden sind. Das ist ein erhebliches Potenzial.
Keine Frage, aber wie stellen Sie sicher, dass dann auch wirklich gebaut wird. Dass die Ziele erreicht werden?
Das geht, wenn man will. Radwege können auch unabhängig von Fahrbahnsanierungen gebaut oder erneuert werden. Generell sollte aber viel mehr mitgedacht werden. Ich möchte, dass die Leitungsunternehmen, die für einen relevanten Teil der Baustellen in Hamburg verantwortlich sind, Teil des Bündnisses für den Radverkehr werden. Immer wenn die Straßen aufbuddeln, sollten sie hinterher etwas drauflegen, was ein schöner Radweg ist.
Apropos Baustellen: Dort wird oft nicht an die Sicherheit von Radlern gedacht.
Ich denke da an die Baustelle an der Stresemannstraße, wo jetzt das „The Fizz“ steht. Drei Jahre lang bin ich da quasi gegen eine Mauer gefahren, weil der Radweg plötzlich endet. Wir werden darauf achten, dass Radler künftig sicherer durch Baustellen geführt werden.
Stichwort Sicherheit: Was unternehmen Sie, damit sich die schrecklichen Abbiegeunfälle in Hamburg nicht weiter wiederholen?
Wir fangen da an, wo wir direkt etwas bewirken können: die stadteigenen Flotten umrüsten. Anfang des Jahres hat die Umrüstung begonnen und die Behörden und Ämter sind weiter dabei.
Sie haben selbst kein Auto, legen quasi jede Strecke in der Stadt mit dem Rad zurück. Verzichten Sie jetzt auf einen Dienstwagen?
Die Entscheidung treffe ich später. Ich werde diese neue Situation erst einmal auf mich wirken lassen.
Die Grünen konnten sich bei den Koalitionsverhandlungen mit einem Stopp der A26 nicht durchsetzen. Ist es nicht ätzend, dass Sie als grüner Senator jetzt die Hafenautobahn bauen müssen?
Sie steht im Koalitionsvertrag, daran halte ich mich.
In einem anderen Vertrag, dem Verkehrsvertrag, ist geregelt, dass die Verkehrsunternehmen eine gewisse Pünktlichkeitsquote einhalten müssen. Gerade die S-Bahn hat immer wieder ihre Probleme damit. Wie verbessern Sie die Situation?
Wir werden da sehr schnell einen engen Kontakt zur S-Bahn aufnehmen und über betriebliche Maßnahmen sprechen. Hier wollen wir Hand in Hand arbeiten, um gute Ergebnisse zu erzielen.
Auf dem Kleinen Grasbrook entsteht ein neuer Stadtteil, den man auch verkehrstechnisch neu denken kann. Gibt es Überlegungen, ihn komplett vom individuellen Autoverkehr zu befreien?
Wir wollen den Grasbrook zu einem Smart Mobility Stadtteil entwickeln, der weitgehend frei von motorisiertem Individualverkehr ist.