Dieser Hamburger will Millionen Kartons einsparen
Marc Engelmann (31) stand mit seinen Pappkartons im Müllkeller. Die vier Papier-Container waren mal wieder rappelvoll. „Kurz habe ich darüber nachgedacht, eine Wut-E-Mail mit der Forderung nach einem fünften Container an die Hausverwaltung zu schreiben.“ Doch warum immer mehr Platz für Müll schaffen, anstatt etwas gegen die Karton-Berge zu unternehmen? Die Idee für Boomerang war geboren. Ein Start-up mit Sitz in Hammerbrook, das Mehrweg-Verpackungen für den Online-Handel bieten will.
Jedes Jahr werden alleine in Deutschland vier Milliarden Pakete verschickt. „Wenn man die aufeinanderstapeln würde, wäre das viermal die Strecke von der Erde bis zum Mond. Und es werden immer mehr“, sagt der junge Mann mit den akkurat frisierten Haaren. Die aufwendige Produktion der Kartons, die einmalige Nutzung – das wollen Marc und seine Kollegen verhindern.
10.000 Euro für Projekte mit Zukunft
Wie kommt man drauf? Wie funktioniert das? Wie hält man das durch? Wofür braucht man das? Die MOPO und About You stellen Hamburger Macher:innen und ihre nachhaltigen Start-Ups vor. Jeden zweiten Freitag in der Zeitung. Und im Netz unter mopo.de/gruenegruender. Hier gibt’s auch den Podcast im Elevator-Pitch-Format. Im Herbst küren die MOPO und About You-Mitgründer Tarek Müller das vielversprechendste Projekt von allen vorgestellten Gründer:innen. Es gibt ein Preisgeld von 10.000 Euro.
Hamburger will Millionen Kartons einsparen
Boomerang will den Karton bei Online-Bestellungen durch Versandtaschen aus recyceltem Kunststoff ersetzen. Sie können 50 Mal wiederverwendet werden. „50 mal weniger CO₂ in der Produktion, 50 mal weniger Müll. Das ist ein großer Impact, den wir damit leisten können.“
Und so ist die Idee: Der Kunde wählt unter Versandart im Online-Shop einfach die Mehrwegverpackung aus und hinterlegt als Pfand drei Euro. Wenn die Ware angekommen ist, wirft der Kunde die Versandtasche, auf der ein Etikett angebracht ist, einfach in einen Briefkasten. Wenn sie wieder bei Boomerang gelandet ist, gibt es die drei Euro zurück.
Die Kosten für die Mehrweg-Taschen trägt der Online-Shop. „Die Shops bezahlen ungefähr das Gleiche für unsere Packs wie für die Pappkartons, die sie vorher eingekauft haben.“ Zwischen 50 Cent und 1,50 Euro pro Nutzung. Wobei die Verpackungen im Besitz von Boomerang bleiben und nach dem Gebrauch auch wieder dort landen. „Die Taschen müssen aufbereitet und gereinigt werden und gehen dann wieder zurück in den Kreislauf.“ Besonders wichtig für Marc: Sollte sein Unternehmen expandieren, wird die Aufbereitung und Reinigung immer national stattfinden. „Die französische Tasche bleibt in Frankreich, die deutsche in Deutschland. Sonst wäre der Nachhaltigkeitsaspekt nicht mehr gegeben.“
Bisher können die Mehrweg-Verpackungen noch nicht genutzt werden
Bisher können die Mehrweg-Verpackungen aber noch nicht genutzt werden. Das Start-up beginnt jetzt bei zehn Online-Shops mit einer Pilotphase. Danach sollen große Online-Shops gewonnen werden. Amazon ist das Ziel? Marc lacht. „Ja, da könnte man auf jeden Fall den größten Impact mit erzielen.“ Allerdings sind die Taschen nicht für zerbrechliche Waren geeignet. „Für etwa die Hälfte aller in Deutschland versendeten Waren kommen unsere Packs aber infrage“, sagt Marc, der überzeugt ist, dass seine Idee erfolgreich wird.
Gestartet ist der junge Mann Anfang 2021 alleine. „Per Online-Dating für Gründer habe ich Mitstreiter gesucht.“ Und gefunden. Nach einem Videocall kamen Christian Putz und Katharina Kreutzer, beide aus Bayern, für ein Wochenende nach Hamburg. In die Wohnung von Marc in der HafenCity, in der er mit seinem Verlobten lebt. „Nach zwei Nächten auf unserer Couch standen wir vor der Abreise morgens um vier Uhr in meinem Flur und die beiden haben entschieden, dass sie dabei sind.“ Die Mitgründer kündigten ihre Jobs, Wohnungen und zogen nach Hamburg. „Ein wirklich großer Schritt und ein großes Risiko.“ Für alle drei. Doch sie sind überzeugt von der Idee.
Gründer Marc Engelmann (31) über sein Start-up-Unternehmen Boomerang:
Idee:
Anfang 2021
Gründung:
Mai 2022
Förderung:
30.000 Euro
Startkapital:
Hoher sechsstelliger Betrag über Investoren und Business Angels
Mitarbeiter heute:
zwölf
Mitarbeiter in fünf Jahren:
100
Wie auch alle anderen Mitarbeiter. Für Marc die schönsten Momente: Wenn Leute auch ohne die Aussicht auf Geld mitmachen, weil sie etwas Sinnvolles aufbauen wollen. „Alle Mitstreiter haben monatelang umsonst gearbeitet. Ohne auch nur einmal zu fragen, wann sie Geld bekommen. Das rührt mich.“ Mittlerweile werden die zwölf Mitarbeitenden bezahlt. Über Business Angels und Investoren wurde ein „hoher sechsstelliger Betrag gesammelt“. Wie viel genau, das sagt der Mann, der aus dem Sauerland stammt und vor neun Jahren für sein Journalismus-Studium nach Hamburg kam, nicht. Für ihn auch zweitrangig.
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In erster Linie will er etwas machen, wofür er brennt. Und womit er etwas verändern kann. Am boomenden Online-Handel werde niemand etwas ändern können. „Und das wollen wir auch nicht. Wir verteufeln den Online-Handel nicht.“ Den Prozess grüner gestalten – das ist das Ziel des Start-ups.