THW-Mitarbeiter reinigen ein Auto, das auf einem Hof unterwegs war, der in einer Überwachungszone im Zusammenhang mit der Afrikanischen Schweinepest liegt.
  • THW-Mitarbeiter reinigen ein Auto, das auf einem Hof unterwegs war, der in einer Überwachungszone im Zusammenhang mit der Afrikanischen Schweinepest liegt.
  • Foto: Friso Gentsch/dpa

Fleisch-Streit im Norden: Gesunde Tiere dürfen nicht zum Schlachter

Es geht nicht vor und nicht zurück, und die Leidtragenden sind 300 Bauernfamilien in Westniedersachsen. Sie dürfen ihre gesunden Schweine nicht zum Schlachten bringen, weil in einem Nachbarbetrieb die Afrikanische Schweinepest ausgebrochen ist.

Auch nach vielen Wochen intensiver Verhandlungen um die Schlachtung von Tausenden Schweinen aus der von Schweinepest betroffenen Region im westlichen Niedersachsen zeichnet sich keine schnelle Lösung ab. Der Verband der Fleischwirtschaft verweist wegen der schlechten Vermarktbarkeit des Fleisches aufs Land; das Land weist die Forderung mit Blick auf rechtliche Gründe zurück. Unterdessen handelt es sich um inzwischen 30.000 Tiere, die eigentlich dringend geschlachtet werden müssten – tatsächlich geschlachtet worden sind nach Expertenangaben erst 5000 Tiere.

Schlachter-Streit im Norden: Das ist die Ausgangslage

Nach dem Ausbruch der für Tiere hochansteckenden, aber für Menschen ungefährlichen Afrikanischen Schweinepest Anfang Juli auf einem Betrieb in Emsbüren wurde für 300 Betriebe in den Landkreisen Emsland und Grafschaft Bentheim eine Überwachungszone eingerichtet. Das bedeutet unter anderem: Die Tiere dürfen nicht mit anderen Schweinen zusammen geschlachtet werden, das Fleisch muss vor der Verarbeitung erhitzt werden. Damit sind nur sehr wenige Produkte möglich – Brühwürstchen, Frikadellen, Konserven.

Zudem weigern sich offenbar auch Einzelhandelsunternehmen, diese einwandfreien Produkte abzunehmen. Deshalb sind Fleischverarbeitungsbetriebe nicht bereit, das Fleisch bei den Schlachtbetrieben abzunehmen – das Fleisch der bisher geschlachteten rund 5000 Tiere musste eingefroren werden. Nur eine Kleinstmenge konnte bislang an ein Verarbeitungsunternehmen weitergegeben werden, sagt Heike Harstick, Geschäftsführerin des Verbandes der Fleischwirtschaft.

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Das Land appelliert an die Fleischwirtschaft und den Einzelhandel, das Fleisch abzunehmen. Gesundheitlich ist es unbedenklich – die geschlachteten Tiere sind gesund, die Überwachungszone soll nur die Verbreitung der Afrikanischen Schweinepest verhindern. Das Land hat angekündigt, Kühlhäuser anzumieten, um die Schlachthöfe zu motivieren, die Tiere zu schlachten.

Der Verband der Fleischwirtschaft fordert hingegen das Land auf, die Tiere zu übernehmen, zu schlachten und das Fleisch einzufrieren. Das habe auch bei der klassischen Schweinepest in den 1990er Jahren funktioniert, so Harstick: „Wenn Tierschutzprobleme entstehen, weil aufgrund der Rechtslage der Markt nicht funktioniert, dann ist der Staat gefordert.“

Fleischwirtschaft fordert: Land soll Tiere übernehmen

Dieser Vorschlag sei mit den Vorgaben des Haushalts-, Vergabe- und Beihilferechts nicht vereinbar. Die Beteiligung an den Kosten der Einlagerung und Kühlung der Ware geschehe nur ausnahmsweise, um Tierschutzprobleme zu verhindern und auch den Landwirten in der Not zu helfen. Den Hinweis der Wirtschaft auf die 1990er Jahre kommentiert eine Ministeriums-Sprecherin: „Die Situation ist aufgrund anderer Rechtslage eine andere.“

Auf eine zeitliche Verkürzung der Überwachungszone ruhen inzwischen die Hoffnungen der betroffenen Landwirte in der Region, sagt der Präsident des Landvolk-Verbandes im Emsland, Georg Meiners. Nach jetzigem Stand gelten die Handels- und Transportverbote nach Willen der EU-Kommission noch bis zum 14. Oktober. „Wir hoffen, dass das um 30 Tage verkürzt wird“, sagt Meiners. Einen entsprechenden Antrag hat das Bundeslandwirtschaftsministerium schon gestellt. Das Ministerium in Hannover ist allerdings skeptisch, dass sich die EU-Kommission darauf einlässt, sagte eine Sprecherin.

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Das Land ist bei diesem Schritt sehr zurückhaltend: Vor einer solchen Anordnung müssen alternative Lösungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden, etwa, einzelne Tiere in einen anderen Stall zu bringen. Auch würde es nicht reichen, nur Schlachthöfe anzuweisen – auch die Weiterverarbeiter müssten seitens der Behörde verpflichtet werden.

Für viele Bauernfamilien hat diese Krise inzwischen existenzielle Ausmaße angenommen, sagt Landvolk-Regionalpräsident Meiners. Allein die schlachtreifen Tiere weiter zu füttern, koste pro Tag 1,00 Euro bis 1,20 Euro. Für die bislang geschlachteten Tiere bekommen die Landwirte nichts, sondern müssen auch noch für den Transport aufkommen. Einige Betriebe haben eine Versicherung für den Einkommensausfall, aber eben nicht alle, sagt Meiners.

Niedersachsen: Pest-Krise kann Existenzen zerstören

Betroffen sind Sauenhalter mit 200 bis 400 Sauen und entsprechend vielen Ferkeln, aber auch Mastbetriebe – die Größe ist unterschiedlich, die Ställe reichen von 1000 bis 4000 Schweinen. „Da kann man sich ausrechnen, dass bei einigen Kosten in der Höhe eines Einfamilienhauses auflaufen“, sagt Meiners. Und das in einer Phase, wo die Betriebseinnahmen wegen der Corona-Krise seit zwei Jahren nicht mehr kostendeckend waren und zuletzt die Futterkosten wegen des Ukraine-Krieges explodiert sind.

Die Tiere werden immer größer und schwerer. Damit wird der Platz in den Ställen knapp. Da die Tiere innerhalb der Beobachtungszone transportiert werden dürfen, helfen sich die betroffenen Betrieb nach Möglichkeit gegenseitig, die Schweine in Ausweichställen unterzubringen. „Manch einer ist auch findig, und baut eine leerstehende Maschinenhalle kurzfristig zum Stall um“, sagt Meiners. Aber die Abhilfemöglichkeiten sind grundsätzlich beschränkt.

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Den Großteil der Zeche müssen die Bauern bezahlen. Deshalb fordern Landvolk und die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) Entschädigungszahlungen, um wenigstens einen Teil der Kosten wiederzubekommen. „Die Betriebe haben alles richtig gemacht und sind unverschuldet in Not geraten“, sagt ISN-Geschäftsführer Torsten Staack.

Er zieht den Vergleich mit der Corona-Pandemie, bei der Bund und Land einen Härtefallfonds eingerichtet haben. „Die Betriebe haben nichts falsch gemacht und nur behördliche Anweisungen beachtet – da muss der Staat helfen, finden wir.“

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