Pride Week Hamburg: Pinke Partymacher: Sie lassen die Szene tanzen
Ein Abend zwischen Weihnachten und Silvester, auf die Reeperbahn rieselt Schnee – und als Karin Kauffmann, Michael Schröder und Axel Strehlitz gegen 20.30 Uhr im Café Keese ankommen, fällt erst einmal der Strom aus. Hier, wo doch gleich getanzt werden soll auf der ersten „Pink Inc“-Party. Schwule und Lesben gemeinsam unter der Disco-Kugel, das ist der Plan.
„Wir haben gezittert, ob die Party überhaupt stattfinden würde“, erinnert sich Schröder. Doch die Lichter gingen wieder an, aus den Boxen dröhnte bald der Bass und die Schwulen und Lesben, sie kamen. „Als die Garderobe aus allen Nähten platzte, haben wir durch den knöcheltiefen Neuschnee Garderobenständer aus dem Tivoli rüberschaffen müssen.“
2007 war das, das Café Keese gibt es längst nicht mehr, hier werden jetzt XXL-Cocktails und Tacos serviert. Doch die „Pink Inc.“ ist feste Größe in Hamburgs queerem Nachtleben geblieben und die Schlangen vor den Türen sind nicht kürzer geworden: Sie führten mal ins Docks, mal in den Mojo-Club, sogar ins Millerntorstadion. Und immer wieder ins Schmidt’s Tivoli. Die Atmosphäre im Saal, da sind sich die drei einig, ist „unvergleichlich“.
Ein wichtiger Teil des pinken Erfolgskonzepts: „Jede Idee muss sich drei Köpfen stellen, bevor sie umgesetzt wird“, sagt Kauffmann. Die drei Veranstalter möchten, dass sich Frauen wie Männer auf ihren Partys wohlfühlen – und auch der Posten am Mix-Pult gleichberechtigt besetzt wird. „Wir haben regelmäßig großartige Frauen als DJs, da müssen sich manche Jungs echt anstrengen.“
Wo die Idee zur Party entstanden ist, da sind sich die drei nicht mehr ganz sicher: War’s bei der gemeinsamen Wanderung damals in Bayern, bei belegten Bauernbroten und vielen Obstlern? Oder nicht doch am Tresen der Wunderbar? Den Konfetti-Regen jedenfalls, der an jedem Abend auf die feiernden Frauen und Männer prasselt, haben sie sich bei einem Coldplay-Konzert in Berlin abgeguckt.
Die Geschichte der drei Party-Macher, sie ist eng verwoben mit dem Kiez, der Szene und manchem legendären Club: Axel Strehlitz jobbte als Jura-Student im Schmidt Theater an der Bar, lernte dort Besitzer Corny Littmann kennen. Mittlerweile betreibt der 52-Jährige mit Littmann unter anderem das Klubhaus St. Pauli, die beiden setzten für Udo Lindenbergs die Erlebniswelt „Panik City“ um.
Michael Schröder hat mit seinem besten Freund Dennis, besser bekannt als Drag-Queen Valery Pearl, in der Prinzenbar das Party-Machen gelernt: „Da wir vom Veranstalten wenig Ahnung hatten, hat unser Freundeskreis alles an Jobs übernommen und wir haben das Beste versucht, die Szene für uns zu gewinnen.“ Mit Erfolg, heute ist der 42-Jährige Geschäftsführer der Wunderbar und besitzt den 136-Grad-Club.
Und Karin Kauffmann? War ab 1992 Mit-Betreiberin der Lesben-Disco „Camelot“ am Hamburger Berg. Später organisierte sie Frauen-Partys im „Axbax“ und mittlerweile seit vielen Jahren die Clubreihe „Alpha Girls“. Geübt hat die Party-Chefin Ende der 80er auf einem Abenteuerspielplatz vor den Toren Stuttgarts. Dort versammelte sie rund 100 Leute um einen Generator und eine Mini-Anlage, die Mix-Kassetten abspielte.
Sie lacht und hebt unschuldig die Hände. „Was in den Holz-Tipis alles gelaufen ist, hätte bei Heteros einen wahren Baby-Boom bedeutet.“
Im vergangenen Jahr hat das Trio gemeinsam mit „Hamburg Pride“ und dem DJ Berry E noch mal eine Schippe draufgelegt: Beim „Pink-Pauli-Festival“ feierten nach dem CSD fast 4000 Menschen in zehn Clubs rund um den Spielbudenplatz. 2020 hätte es gut so weitergehen können. Doch dann kam ein Virus daher und strich die Pläne vom „Beach-Pride-Festival“ in Heiligenhafen, vom zweiten „Pink Pauli“ und manch anderem Event.
„Corona bedroht uns massiv“, sagt Strehlitz. Seit Monaten haben die Partymacher keinerlei Einnahmen. Strehlitz wünscht sich jetzt dringend kreative Ideen, wie mit dem Virus gelebt und auch gefeiert werden kann: „Vielleicht auch staatliches Geld, das eine Rückkehr fördert. Statt den Stillstand zu subventionieren.“
Er hat sich in der vergangenen Woche mit Jonas Schmidt-Chanasit, dem Virologen am Bernhard-Nocht-Institut, getroffen, ist im Austausch mit Hamburgs Behörden. „Vielleicht könnte man, zumindest testweise, mal eine Party mit vorherigen Schnelltests probieren? Oder mittels eines ausgefeilten Ticketing dafür sorgen, dass jeder nur einmal pro Woche feiern gehen kann, um im Falle eines Ausbruchs die Kontrolle zu behalten?“ Auch Karin Kauffmann blickt nach vorn: Sie wird in der kommenden Woche erst einmal eine Schulung besuchen: „Hygienetechniker für Events“.
Und wenn sie ihre pinke Party-Gemeinde tatsächlich wieder versammeln dürfen? Ganz ohne Corona-Angst, gemeinsam unter der Disco-Kugel? „Der totale Abriss mit Eskalation wird das“, sagt Kauffmann. „Eine Neugeburt“, sagt Strehlitz. „Silvester mit ein bisschen Weihnachten und einer gehörigen Portion Pride“, ergänzt Schröder und lächelt.
So wie es anfing damals, 2007, an einem Winterabend auf dem verschneiten Kiez.