Er macht aus Kugelfischen Handtaschen – und will so seiner Regierung helfen
Der giftige Hasenkopf-Kugelfisch gilt als Plage im Mittelmeer. Er zerstört Fischernetze und frisst sich ungestört durch die Bestände. Ein findiger Ingenieur rückt ihm jetzt auf die Pelle – im wahrsten Sinne des Wortes.
Mehmet Özata breitet bunte Fischhäute auf einem kleinen Tisch in der Nähe des Hafens von Alanya in der Südtürkei aus. Rot, blau, gelb, grau. Der türkische Ingenieur präsentiert, was er für die Lösung einer Katastrophe hält: Leder aus Kugelfischen, die nicht nur in türkischen Gewässern eine Plage sind.
Hasenkopf-Kugelfisch wurde zur regelrechten Plage
Besonders der Hasenkopf-Kugelfisch hat sich im Mittelmeer ausgebreitet. Er frisst sich durch die heimischen Bestände – und hat offenbar einen feinen Gaumen. Besonders an Tintenfischen, Krabben und Shrimps in den Fischernetzen bedient sich der Kugelfisch. Netze und Fischerhaken hinterlässt er dabei oft zerstört. Jährlich verursacht er Schätzungen zufolge türkischen Fischern einen Verlust von zwei bis fünf Millionen Euro.
Der Fisch kam mit der Öffnung des Suezkanals 1869 aus dem Indopazifik und kann sich im Mittelmeer so gut ausbreiten, weil er keine Fressfeinde hat. Auch die Erderwärmung und der Anstieg der Temperatur im Mittelmeer haben dazu geführt, dass der Fisch sich besser vermehren konnte. Kommerziell gefischt wird er nicht. Der Kugelfisch ist giftig. Tetrodotoxin, was er etwa in der Leber trägt, lähmt die Muskeln und kann mitunter tödlich für Menschen sein. Je näher man an den Suezkanal kommt, desto dichter wird die Population. Die türkischen Fischer teilen das Problem also mit vielen Mittelmeeranrainern.
Regierung zahlt 12,5 Türkische Lira pro Flosse
Dem Missstand versucht auch die türkische Regierung etwas entgegenzusetzen und hat seit ein paar Jahren Prämien auf die unterschiedlichen Arten des Kugelfisches ausgesetzt. 12,5 Türkische Lira gibt es derzeit pro Flosse des Hasenkugelfisches – das macht rund 70 Eurocent pro Exemplar. Viel zu wenig, findet Fischer Mehmet Gökmen, der seit 40 Jahren vor Alanya seine Netze auswirft. Dafür lohne sich die Arbeit nicht. Die Wirtschaftskrise in der Türkei und der damit einhergehende Anstieg der Lebenshaltungs- und Energiekosten lasten auch auf den Fischern.
Auch Ekin Akoglu, Meeresbiologe an der Odtü-Universität in Ankara, steht dem Prämiensystem kritisch gegenüber. In Zypern etwa sei seit mehr als zehn Jahren ein ähnliches Anreizsystem in Kraft, mit deutlich höheren Prämien pro Fisch. Am Anteil der Kugelfische im Fang habe sich aber nichts geändert, sagt Akoglu.
Özatas Idee: Warum nicht Geld verdienen mit dem Fisch?
Verlässliche Schätzung über die Gesamtpopulation des Fisches im Mittelmeer gebe es nicht. Aber wenn eine solche Invasion einmal stattgefunden habe, sei es fast unmöglich, sie rückgängig zu machen, sagt er. Der Meeresbiologe glaubt darum, dass es nur zwei Lösungen der Plage geben kann: Entweder es taucht ein natürlicher Fressfeind auf, wie in der Vergangenheit bei anderen Plagen – oder es findet sich ein Weg, den Fang des Kugelfischs zu kommerzialisieren. Das Gift des Fisches könne etwa für Pharmazeutische Zwecke genutzt werden. Oder man hat es auf seine Haut abgesehen, wie der Ingenieur Özata.
Seitdem er 2019 von einem Mädchen hörte, dem nach einem Kugelfischbiss im Meer vor Mersin ein Finger amputiert werden musste, will Özata zu einer Lösung der Plage beitragen. Im Labor hat er die behandelte Fischhaut bereits zahlreichen Tests unterzogen. Das Leder habe gute Eigenschaften. Der Fisch bläht sich in Gefahrensituationen um ein vielfaches seiner eigenen Körpergröße auf und bildet eine dicke Blase am Unterkörper. Eine Kuh könne das nicht, was das Kugelfischleder deutlich widerstandsfähiger mache, sagt Özata. Bisher hat er es zu Geldbörsen und Taschen verarbeitet. Für eine Tasche brauche er etwa sieben der Fische, die durchschnittlich mit 30 Zentimeter Länge aus dem Wasser gezogen werden.
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Die Häute kriegt er von Fischern wie Gökmen, und er zahlt immer ein bisschen mehr als die staatliche Prämie. Gökmen selbst sagt, mit drei Helfern könne er in der Stunde rund 100 Kugelfische fangen. Seit gut 20 Jahren ziehe er den Kugelfisch bereits unfreiwillig aus dem Wasser, erzählt der 55-Jährige.
Noch hat sich kein größerer Abnehmer für die Produkte aus Kugelfischhaut gefunden, aber es gebe Kontakte zum russischen und arabischen Markt, sagt Özata. (mp/dpa)