Hamburger Virologe erklärt: Wo eine Maskenpflicht jetzt noch Sinn ergibt
Maske oder keine Maske? Am Wochenende entbrannte eine heftige Debatte über eine Abschaffung der Maskenpflicht im Handel. Die Zahlen der Neuinfektionen mit dem Coronavirus sinken, doch verschwunden ist es noch längst nicht. Virologe Jonas Schmidt-Chanasit forscht am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. Die MOPO hat mit ihm darüber gesprochen, wo die Maskenpflicht noch Sinn ergibt.
MOPO: Am Wochenende wurde über die Aufhebung der Maskenpflicht im Handel diskutiert. Wie beurteilen sie diese Debatte aus virologischer Sicht?
Schmidt-Chanasit: „Wir dürfen nicht nur durch die epidemiologische Brille schauen. Es gibt vier Säulen, die wir betrachten sollten. Dazu gehören neben der Epidemiologie auch die Grundrechte, die Ökonomie und die Ausbildung. Masken machen dort Sinn, wo ein Abstand nicht eingehalten werden kann. Deshalb muss man im Einzelfall entscheiden, wo eine Maskenpflicht Sinn ergibt. Wenn zum Beispiel eine Person allein am Bahnsteig wartet, ergibt das keinen Sinn.“
Und wie ist das im Einzelhandel?
„In Geschäften muss man sich ebenfalls die Abstände genau ansehen. Wenn sich nur zwei Personen in einem großen Laden aufhalten, also genügend Abstand zueinander und zur Verkäuferin einhalten können, dann geht es auch ohne Maske.“
„Wenn es keine Maskenpflicht im Handel mehr gibt, kontaminieren Infizierte auch die Ware, und Kunden wie Beschäftigte werden durch die Aerosole stark gefährdet.“ Diesen Satz hat SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach in der „Rheinischen Post“ gesagt. Was halten Sie von diesem Einwand?
Schmidt-Chanasit: „Die Aussage von Herrn Lauterbach ist nicht ganz korrekt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung geht nicht davon aus, dass Schmierinfektionen eine große Gefahr darstellen. Des Weiteren ist ein Mund-Nasen-Schutz nur ein Spritzschutz für meine Umwelt, wenn ich selbst Huste oder Niese. Vor Aerosolen schützt die Maske nicht, die kommen auch an der Seite vorbei.“
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Mecklenburg-Vorpommern wollte die Maskenpflicht im Handel abschaffen. Bayern war strikt dagegen. Hamburg hatte angekündigt, erst nach den Sommerferien über weitere Lockerungen zu beraten. Was halten Sie für sinnvoll?
Schmidt-Chanasit: „Bei der Frage, welche Lockerungen möglich sind, kommt es immer auf die Situation und das aktuelle Infektionsgeschehen an. Es kann nicht immer ein klares ‚ja‘ oder ,nein‘ geben. Ich bin ganz bei Bundesländern wie Hamburg, die einen Schritt nach dem anderen gehen und jetzt erst die Sommerferien abwarten, bevor sie weitere Lockerungen beschließen. Aber Entscheidungen muss letztendlich die Politik treffen.“