Gefahr der Erneuerung: Hamburgs CDU, FDP und Linke sind mit sich selbst beschäftigt
In der Opposition kann eine Partei sich erneuern. Doch die Chance, sich neu aufzustellen, birgt auch eine Gefahr: die der permanenten Nabelschau, des dauerhaften Richtungsstreits und Kampfs um Posten und Führungspositionen. Hamburgs CDU, Linke und FDP können davon ein Lied singen.
Unverkennbar ist derzeit die Führungskrise der CDU. Um aus dem 15-Prozent-Ghetto herauszukommen, führt Parteichef Christoph Ploß die in den vergangenen Jahren liberal aufgetretene Parteigliederung mit populistischen Kampagnen – etwa gegen das Gendern der deutschen Sprache oder für den Weiterbetrieb der noch laufenden AKW – zurück in konservative Gefilde.
Statt zu einen, polarisiert Christoph Ploß die Elb-Union
Statt wie versprochen die Partei zu vereinen, hat der 37-Jährige die Elb-Union dadurch polarisiert. Als er vor Kurzem dafür sorgte, dass Ex-AfD-Chef Jörg Kruse in die CDU aufgenommen wurde, begehrten erstmals ganze Ortsgruppen und Kreisverbände gegen den CDU-Chef auf. Auch wenn der Konflikt notdürftig beigelegt wurde, ist Ploß angeschlagen und Hamburgs CDU gespaltener denn je.
Linderung könnte die Frauenquote bringen, die der CDU-Bundesparteitag gegen das Votum von Ploß beschlossen hat. Nun will Hamburgs CDU, so entschied ihr Landesausschuss am vergangenen Dienstag, den Weg zur weiblich-männlichen Doppelspitze auf allen Führungsebenen freimachen. Ploß könnte also eine Frau an die Seite gestellt bekommen. Die Karten würden dann neu gemischt. Die Frage aber, ob sie eher am rechten Rand oder in der politischen Mitte nach Wähler:innen fischt, wird die Partei weiter beschäftigen.
Auch FDP-Parteichef Michael Kruse steht seit Monaten innerparteilich unter Dauerbeschuss. Völlig verkeilt haben sich Kruse und der FDP-Landesvorstand auf der einen, sowie die von Kruse kaltgestellte FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein und Teile der Jungen Liberalen (JuLis) um Carl Cevin-Key Coste und JuLi-Chef Nils Knoben auf der anderen Seite.
FDP-Chef Michael Kruse steht innerparteilich unter Dauerbeschuss
Nach verbalen Anwürfen von Knoben, der Kruse „inhaltliche Gleichschaltung“ der Partei vorwarf, wollte der Vorstand gleich vier Kruse-Kritiker:innen aus der FDP werfen – woraufhin diese ein Schiedsgerichtsverfahren gegen Kruse & Co. anstrengten.
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Beim Landesparteitag der FDP zwang Kruse vergangenen Montag Coste, den Anführer der „Viererbande“, zwar zum Versöhnungshandschlag, doch kaum hatten sich die Hände wieder gelöst, trat Coste erneut gegen Kruse nach. Kurzfristig wurde die Debatte um den Parteizwist abgebrochen, was wiederum von Treuenfels-Frowein ziemlich „wütend“ machte. So wurde aus der als Friedensparteitag angekündigten Versammlung ein innerparteilicher Stellungskrieg.
Der trägt mittlerweile kuriose Blüten: Seit Wochen schickt die FDP regelmäßig gleich zwei Pressemitteilungen zu allen relevanten Themen an die Medien – eine aus dem von Kruse dominierten Landesvorstand, eine von Anna von Treuenfels-Frowein. Deutlicher kann man eine Parteispaltung nicht abfeiern.
Ihre interne Führungskrise gelöst hat hingegen die Linke: Vergangenes Wochenende kürte die Partei Sabine Ritter und Thomas Iwan, die zum realpolitisch-pragmatischen Flügel gehören, zur neuen Doppelspitze. Zuvor hatten die Delegierten die bisherige Parteiführung, Zaklin Nastic und Keyvan Taheri, mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt.
Die Linke hat ihre Führungskrise vorerst gelöst
Den monatelangen Führungsstreit kann man auch als Fluch der Quote begreifen. Die Linke achtet sehr darauf, ihre Führungspositionen mit Personen mit Migrationshintergrund zu besetzen. Auch deshalb wurden im Oktober 2020 die Deutsch-Polin und der Deutsch-Iraner zur Doppelspitze gekürt. Danach hatten sich die beiden innerparteilich zunehmend isoliert. Nastic gehört zudem dem Wagenknecht-Flügel an, der in Hamburg klar in der Minderheit ist.
Auch wenn die Linkspartei ihre Führungskrise erst mal gelöst hat, muss ihre Bürgerschaftsfraktion, die selbst vom politischen Gegner als sachlich und kompetent gelobt wird, weiter mit Gegenwind rechnen. Die Dauerquerelen in der Bundespartei, aber auch einflussreiche Hamburger Strömungen wie die „Liste Links“ machen ihr das Leben schwer.
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SPD und Grüne kann die permanente Selbstbespiegelung der Oppositionsparteien nur freuen. Die Kapriolen in CDU, FDP und der Linken verdecken, dass auch die Koalition nach anderthalb Legislaturperioden deutliche Abnutzungserscheinungen zeigt, das Klima zwischen beiden Partnern rauer geworden ist. Doch wer eine solche Opposition als Konkurrenz hat, muss um den eigenen Wahlerfolg kaum fürchten.