Coronavirus: So schlimm trifft die Krise Hamburgs ärmsten Stadtteil
Veddel –
Die Veddel ist Hamburgs ärmster Stadtteil. Die Wohnungen sind klein, die Arbeitslosigkeit hoch. Hier schlägt die Corona-Krise wesentlich heftiger zu als in den wohlhabenden Gegenden westlich der Alster. Im Interview mit der linken Debattenzeitschrift „Analyse & Kritik“ (ak) berichten Mitarbeiter der Poliklinik am Zollhafen: „Die aktuelle Situation ist eine enorme psychische Belastung für viele Menschen.“
Weil die Poliklinik Veddel viel zu wenig Schutzkleidung hat, werden die Besucher im Moment vorwiegend durch ein Fenster bedient. Nur wer deutliche Krankheitsanzeichen hat, wird hineingelassen. Ansonsten verläuft die Beratung überwiegend telefonisch.
Corona: Vielen Menschen auf der Veddel droht Arbeitslosigkeit
„Wir haben in der Praxis vermehrt Anrufe von Leuten, denen es sehr schlecht geht, weil sie zum Beispiel eine Kündigung erhalten haben“, erklärt Sozialarbeiterin Madeleine Does gegenüber „ak“. Vielen Bewohnern der Veddel drohe die Arbeitslosigkeit. Denn sie gehen Berufen nach, die nicht im Homeoffice erledigt werden können. Die Menschen stünden große Ängste aus und hätten Sorge, alles zu verlieren, so Does.
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Ihre Kollegin Svenja Fürst, eine Ärztin, weist darauf hin, dass die Menschen auf der Veddel viel größeren Gesundheitsgefahren ausgesetzt sind als die Bürger Eppendorfs oder Ottensens. Die Veddeler seien weiter auf der Straße unterwegs und regelmäßige Benutzer des öffentlichen Nahverkehrs, so Fürst. Und Does ergänzt, „dass die meisten Veddeler mit vielen Menschen in sehr kleinen, oft verschimmelten Wohnungen leben.“
Hamburg: Veddeler leiden unter Corona-Maßnahmen
Die beiden Frauen treffen durch ihre Arbeit auf Menschen, die in sehr engen Wohnverhältnissen leben. Die Schulschließungen hätten die Situation nur verschärft. „Wenn viele Menschen auf wenig Raum sind, nimmt die häusliche Gewalt häufig zu“, sagt Ärztin Svenja Fürst in dem Interview. „Und die Lage entspannt sich nicht gerade durch unausgelastete Kinder, die nicht nach draußen auf den Spielplatz dürfen.“
Mit Sorge beobachten die beiden Mitarbeiterinnen der Poliklinik die wachsende Polizeipräsenz im Stadtteil. Die Kontrollen würden zunehmen, ständig würden Kinder von den Fußballplätzen verscheucht. „Ich befürchte, dass die Leute, denen in ihren beengten Wohnverhältnissen die Decke auf den Kopf fällt und die einfach nach draußen müssen, von der Polizei schikaniert werden“, sagt Madeleine Does.
Corona: Hamburger Poliklinik stellt Forderungen auf
Um den benachteiligten Menschen auf der Veddel mehr Gehör zu verschaffen, hat sich die Poliklinik offenbar mit anderen Polikliniken in ganz Deutschland zusammengeschlossen. Gemeinsam wurden Forderungen aufgestellt. Dazu gehöre der Abbau von Hürden für die Grundsicherung. Außerdem müsse es mehrsprachige Informationen über das Virus geben. Darüber hinaus wird gefordert, „leerstehende Hotels für dringend benötigten zusätzlichen Wohnraum“ zu nutzen. Weiterhin müsse allen Menschen eine Gesundheitsversorgung zugänglich gemacht werden, auch denjenigen ohne Krankenversicherung. Und schließlich müsse zugesichert werden, dass eine Erkrankung keine Auswirkungen auf den Aufenthaltsstatus hat.
Madeleine Does: „Wenn ein Mensch ohne Papiere Angst haben muss, sich bei einer Infektion im Gesundheitssystem zu melden, haben wir keine Chance, dieses Virus zu bekämpfen.“ (ng)