Ab Weihnachten: So würde der harte Lockdown in Deutschland aussehen
Seit Anfang November befindet sich Deutschland im Lockdown Light – doch bei allem Verzicht: Es reicht einfach nicht. Seit einigen Tagen zeigt die Tendenz bei der Zahl der Neuinfektionen sogar wieder nach oben, auch in Hamburg. Wissenschaftler der Leopoldina raten daher zu drastischeren Maßnahmen, die das „öffentliche Leben in Deutschland weitestgehend ruhen“ lassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) richtete dazu im Bundestag geradezu flehende Worte an Abgeordnete und Bürger. Doch wie würde der harte Lockdown aussehen? Und was sagen Experten zur Wirksamkeit?
Was soll der harte Lockdown bringen?
Er soll dazu beitragen, die Zahl der Neuinfektionen zu verringern. Trotz der Schließung zahlreicher Einrichtungen bleiben die Zahlen auf hohem Niveau oder steigen sogar vielerorts wieder an. Und nicht nur das: Auch die Zahl der Corona-Todesfälle in Deutschland hat einen neuen Höchststand erreicht, am Dienstag starben laut RKI 590 Menschen.
Bund und Länder wollen eigentlich einen Inzidenzwert von unter 50 erreichen, so sollen die Gesundheitsämter Infektionsketten wieder nachverfolgen können. Davon sind wir aktuell weit entfernt.
Charité-Virologe Christian Drosten betonte zuletzt im NDR-Podcast, dass wir im Januar und Februar womöglich in einen kompletten Lockdown gehen müssten, sollte man jetzt nicht handeln. Der Wirtschaft würde das laut Drosten deutlich mehr schaden als der sofortige Schritt, den die Leopoldina, Merkel und Co. fordern. Er hält die Debatte über einen flächendeckenden Lockdown zwar für berechtigt, weil zum Beispiel Norddeutschland aktuell immer noch ein bisschen besser dran sei als andere Regionen. „Trotzdem kann man ahnen, dass das nicht so bleiben wird“, so der Virologe. „Die Inzidenzen gleichen sich immer mehr an.“
Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit mahnt hingegen, nicht alle Regionen über einen Kamm zu scheren. „Die Politik sollte auch weiterhin regional schauen, wo es Probleme gibt. In Schleswig haben wir eine ganz andere Situation als in Passau. Natürlich gibt es Regionen, in denen es keine andere Möglichkeit als den harten Lockdown geben wird, aber das gilt eben nicht für überall.“
Wie genau sollte der harte Lockdown laut Leopoldina aussehen?
Die Schulpflicht soll ab dem 14. Dezember bis zu den Weihnachtsferien aufgehoben werden. Das entbinde allerdings nicht von der Pflicht, zu Hause Aufgaben zu lösen. Schulsenator Ties Rabe (SPD) betonte allerdings: „So eine Lösung früher Weihnachtsferien brauchen wir in Hamburg nicht, weil wir zu den Ländern gehören, die früh mit den Weihnachtsferien beginnen.“ Letzter Schultag ist regulär der 18. Dezember, der Unterricht startet wieder am 4. Januar 2021. Eine Verlängerung der Ferien nach hinten hinaus müsse im Rahmen einer Minister- oder Kultusministerkonferenz erörtert werden.
Alle Geschäfte bis auf die des täglichen Bedarfs mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderen notwendigen Waren sollen ab dem 24. Dezember schließen. Homeoffice soll dort, wo es möglich ist, die Regel sein und die sozialen Kontakte auf einen sehr begrenzten Kreis reduziert werden.
Ab dem 10. Januar sollen die Schüler im Unterricht weiterhin verpflichtend Mund-Nasen-Schutz tragen und es sollen ländereinheitliche Regeln für einen Wechselunterricht erstellt werden. Diese sollen ab einem bestimmten Infektionswert greifen.
Wie lange soll der harte Lockdown anhalten?
Die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina fordert die Maßnahmen ab dem 24. Dezember bis zum 10. Januar. In dieser Zeit solle das öffentliche Leben in Deutschland weitestgehend ruhen, so eine Sprecherin. Die Aufhebung der Schulpflicht soll allerdings schon ab dem 14. Dezember gelten.
Welche Maßnahmen sind dabei besonders wichtig?
Im Vordergrund steht die Reduzierung der sozialen Kontakte. Das bekräftigte Christian Drosten im NDR-Podcast. „Wir müssen in Bezug auf die Kontaktreduktion in Deutschland nachlegen“, sagte er. „Die Wahrscheinlichkeit, dass Weihnachten einen Anstieg der Fallzahlen mit sich bringt, ist sehr groß.“ Er mahnt ebenfalls, die Schulsituation sehr ernst zu nehmen. „Man sieht, dass es ein erhebliches Infektionsgeschehen in Schulen gibt. Dort kommen viele Menschen zusammen und das Kind als solches ist wie der Erwachsene empfänglich für eine Infektion.“
Was ist mit dem Nahverkehr?
Drosten empfiehlt der Politik in seinem Podcast, jetzt auf die Bereiche zu schauen, in denen bisher kaum Corona-Maßnahmen ergriffen worden sind. Als Beispiel nennt er die Wahrnehmung, dass Deutschland im Bereich des ÖPNV praktisch noch nichts gemacht habe. Dort solle man nun tätig werden. In den öffentlichen Verkehrsmitteln gilt seit Ende April in Hamburg Maskenpflicht und die Türen der Busse und Bahnen werden regelmäßig durchgelüftet, um das Infektionsrisiko zu senken. Eine Obergrenze bei den Passagierzahlen ist aber weiterhin kein Thema.