• Pionier der Luftfahrt flogen in den 20er Jahren noch mit solchen Doppeldecker-Maschinen
  • Foto: Flughafen Hamburg

Hamburgs Flugpioniere: Als Zeppeline und Flugzeuge den Himmel über Hamburg erorberten

Um Hamburgs Bevölkerung in ähnliche Betriebsamkeit zu versetzen, müsste heutzutage schon ein Ufo auf dem Rathausmarkt landen mit vielen grünen Männchen darin. In den 20er Jahren genügte eine „fliegende Zigarre“ am Himmel, ein Luftschiff also, und alle waren aus dem Häuschen. Als 1929 Luftschiff LZ 127 „Graf Zeppelin“ im Zuge einer 35 Tage dauernden „Weltfahrt“ Hamburg überflog, da waren Straßen und öffentliche Gebäude mit Fahnen geschmückt, die Kinder hatten schulfrei – „zeppelinfrei“ hieß das damals – und alle, die laufen konnten, kletterten rauf auf die Dächer, um das fantastische Schauspiel aus nächster Nähe zu beobachten.

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Luftschiffe am Himmel über Hamburg. Im Vordergrund der Michel. Auf den Dächern Hunderte von Menschen, die das Schauspiel verfolgen.

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Staatsarchiv Hamburg

Die Zeppelin-Euphorie war auf dem Höhepunkt angekommen. Der Zeppelinbau – für die Deutschen eine nationale Angelegenheit, ein Symbol technologischer Überlegenheit. Gerade nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und den wirtschaftlich schwierigen Zeiten der Weltwirtschaftskrise tat es dem angeknacksten Selbstbewusstsein gut, dass es Deutsche waren, die sich anschickten, den Himmel zu erobern.

Zeppelin: der „Dümmste aller Süddeutschen“

Dabei war Ferdinand Graf von Zeppelin, der Erfinder des sogenannten Starrluftschiffes, anfangs ziemlich verspottet worden ob seiner spinnerten Ideen. Immer wieder hatte der in Konstanz am Bodensee geborene ehemalige Kavallerieoffizier vergeblich versucht, die Armee davon zu überzeugen, von welch großartiger militärischer Bedeutung sogenannte Lenkballone sein könnten. In der Bevölkerung war der Graf noch um 1895 herum als Narr verschrien und wurde auf offener Straße ausgelacht. Kaiser Wilhelm II. nannte ihn den „dümmsten aller Süddeutschen“.

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Graf Zeppelin, der Erfinder des Starrluftschiffs

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picture-alliance/ dpa

Doch mit einem Mal schlug die Stimmung um. Ab 1900 stieg Zeppelin mit seinem ersten Luftschiff mehrfach über dem Bodensee auf, was die Bevölkerung spontan mit Begeisterung honorierte. Plötzlich wurde den Leuten klar, dass dieser Mann wohl doch einiges auf dem Kasten hatte. Aus dem „Narren vom Bodensee“ wurde ein Volksheld. Und als der im März 1910 – also vor 110 Jahren – Hamburg besuchte, da wurde er wie ein Staatsgast empfangen. Der inzwischen 72-jährige Luftfahrtpionier hielt vor der Crème de la Crème der Hamburger Gesellschaft eine mitreißende Rede. Er erzählte von seiner Vision, Forschungsfahrten über dem Meer und über der Arktis und außerdem touristische Fernfahrten zu verschiedenen Städten in ganz Nordeuropa zu unternehmen. Der Hansestadt machte er das Angebot, so etwas wie die Zentrale zu werden bei der „Eroberung der Luft über dem Meer“.

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Luftschiff „Graf Zeppelin“ in Fuhlsbüttel

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picture-alliance / dpa/dpaweb

1911: Die Hamburger Luftschiffhallen GmbH geht an den Start

Das war eine Chance, die sich Männer wie Hapag-Chef Albert Ballin, der Bankier Max Warburg und der Rechtsanwalt Rudolf Mönckeberg nicht entgehen ließen: Sie waren die Ersten, die Anteilsscheine für den Bau einer Luftschiffhalle zeichneten. Tags darauf riefen sie über die Zeitung die Bevölkerung auf, es ihnen gleichzutun.  Mit einem Startkapital von 685 000 Mark wurde am 10. Januar 1911 die Hamburger Luftschiffhallen-Gesellschaft gegründet – der Geburtstag des Flughafens, der auf einem  44,8 Hektar großen Areal am Rande des Dorfes Fuhlsbüttel errichtet wurde. Das Herzstück: eine 160 Meter lange, 45 Meter breite, 25 Meter hohe Luftschiffhalle, die Platz bot für zwei „fliegende Zigarren“, die  ab Juni 1912 regelmäßig zu Rundflügen starteten. Tickets dafür gab es in den Reisebüros der Hamburger Reederei Hapag zu kaufen. 42 000 Passagiere wurden bis 1914 gezählt.

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Die 1912 fertiggestellt Luftschiffhalle

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Flughafen Fuhlsbüttel

Als dann der Erste Weltkrieg ausbrach, war es über Nacht mit dem Spaß vorbei. Am 30. Juli 1914 rückten Soldaten des Hamburger Infanterie-Regiments 76 an, sicherten das Gelände, das jetzt zum militärischen Sperrgebiet wurde. Zu Verteidigungszwecken wurden  Maschinengewehre in Stellung gebracht. Und aus Angst vor Spionen ließ die Militärführung einen hohen Bretterzaun als Sichtschutz errichten. Niemand sollte mitbekommen, was rund um die Zeppelinhalle vor sich ging: Denn dort wurden Luftschiffbesatzungen ausgebildet, übten etwa das Abwerfen von Bomben und starteten zu Aufklärungsfahrten über der Nordsee. 

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Die Luftschiffhalle aus der Luft

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Flughafen Hamburg

Bis zur Katastrophe, die sich am 16. September 1916 ereignete: Als Soldaten gerade dabei waren, LZ 31 und LZ 36 mit Wasserstoffgas zu betanken, kam es zu einem Unfall. Feuer vernichtete nicht nur die beiden Luftschiffe, sondern auch große Teile der Halle. Da sich inzwischen herausgestellt hatte, dass Zeppeline als Waffe aufgrund ihrer eingeschränkten Manövrierfähigkeit ohnehin nur begrenzt taugten, verzichtete das Militär auf den Wiederaufbau. Die Reste der Halle wurden abgerissen.

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Die Flugbeobachtung, wie sie in den 20er Jahren aussah. Mit Ferngläsern sahen die Männer die Flugzeuge kommen.

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Flughafen Hamburg

Lakehurst besiegelte das Schicksal der Luftschiffe

Die zivile Luftschifffahrt erlebte in den 20er und 30er Jahren noch einmal eine Renaissance. 1928 startete LZ 127 „Graf Zeppelin“ zu einer Reise von Friedrichshafen nach New York – die erste Interkontinental-Fahrt eines Luftschiffes mit Passagieren an Bord. Im Jahr darauf folgte eine Weltumrundung. Eine Sensation, die die Deutschen mit Stolz erfüllte. Umso größer der Schock, als LZ 129 „Hindenburg“ 1937 über Lakehurst Feuer fing und abbrannte.

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Betankung einer Maschine in den 30er Jahren.

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Flughafen Hamburg

Für die Luftschifffahrt war das das Ende, für den Hamburger Flughafen aber ging es erst richtig los: Bereits nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich dort die Deutsche Luftreederei GmbH (DLR) angesiedelt, die älteste Fluggesellschaft der Welt, und 1919 auf der Strecke Hamburg–Berlin  den ersten planmäßigen Linienverkehr aufgenommen. Ausgerüstet mit Brille, Schal und Helm saßen die Passagiere in offenen Sitzen und waren Wind und Wetter ausgeliefert.

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Von 1929 bis 2001 prägte das Empfangsgebäude der Architekten Dyrssen & Averhoff den Hamburger Flughafen. Das Gebäude zentralisierte alles, was zur Passagierabfertigung und Gepäckverladung notwendig war.

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Flughafen Hamburg

In der NS-Zeit erlebt der Flughafen seine Blütezeit

Innerhalb der 1920er Jahre entwickelte sich der Flughafen von einem sumpfigen Acker zu einem bedeutenden Luftverkehrsknoten Europas. Trotz des Aufschwungs weideten in den Anfangsjahren noch Schafe auf dem Vorfeld, das noch nicht betoniert, sondern mit Gras bewachsen war. Die Schafe als „biologische Rasenmäher“ hielten die Grasnarbe stets kurz.

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Das Flugzauge Etrich Taube (hier mit der Luftschiffhalle im Hintergrund) war eines der populärsten Flugzeuge der Zeit vor 1914.

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Flughafen Hamburg

Zwischen 1934 und 1937 erlebte der Flughafen eine wahre Blütezeit. Es gab neben Verbindungen zu vielen deutschen Städten auch Routen zu den wichtigsten Hauptstädten Europas. Die Zahl der regelmäßig geflogenen Strecken ab Hamburg erhöhte sich auf 22, darunter die längste Flugroute der Welt, die Verbindung Hamburg–Belgrad–Athen–Rhodos–Damaskus–Bagdad. Für die 4050 Kilometer benötigten die Maschinen eine Flugzeit von 23 Stunden und 40 Minuten.

1937 zählte der Hamburger Flughafen bereits mehr als 57 000 Passagiere. Der wachsende Flugverkehr hatte zur Folge, dass auch der Flughafen wachsen musste. Ab 1935 erreichte Hamburg Airport seine bis dato größte Ausdehnung: Die Fläche wuchs auf über 220 Hektar. Teile des Rollfeldes wurden planiert, mehr Parkplätze und die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel geschaffen und die Befeuerung für die Nachtabfertigung wurde ausgebaut.

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Die berühmte Junkers Ju 52, „Tante Ju“ genannt.

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Flughafen Hamburg

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Flughafen für die zivile Luftfahrt gesperrt und von der Luftwaffe mit riesigen Netzen, Matten und Bäumen so gut getarnt, dass er im Krieg kaum beschädigt wurde. Daher übernahm die Royal Air Force ihn voll funktionsfähig und  schon 1946 startete British European Airways (BEA) einen regelmäßigen Flugverkehr auf der Route London–Amsterdam–Hamburg–Berlin. Als 1948 die Sowjets mit der Blockade Berlins begannen und die Alliierten mit einer Luftbrücke antworteten, wurde auf Hamburgs Flughafen die Piste I betoniert: Dort starteten die  „Rosinenbomber“, um die Westberliner mit allem zu versorgen, was sie zum Überleben brauchten.

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Die sogenannte Einwinker zeigt der Boeing 707 den Weg zur Parkposition.

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Hamburg Airport/Jahnke

Der Flugtourismus boomt ab der 60er Jahre

In den 1950er Jahren wuchs der Interkontinentalverkehr enorm: Es gab von Hamburg aus unter anderem Direktverbindungen nach New York, Chicago, Rio de Janeiro, Nairobi und Hongkong. Am 1. April 1955 startete die neu gegründete Deutsche Lufthansa ihren Liniendienst und flog zur Eröffnung die Strecke Hamburg–München. Fünf Jahre später, am 2. März 1960, landete die erste Boeing 707 der Lufthansa in Fuhlsbüttel, und damit begann die Ära der Düsenflugzeuge: Fliegen wurde schneller, günstiger, komfortabler und das Flugzeug immer mehr zum Massentransportmittel.

1961 zählte der Flughafen Hamburg erstmals über eine Million Passagiere, so dass das alte Abfertigungsgebäude von 1929 um- und ausgebaut werden musste. Eine neue Halle für den innerdeutschen Verkehr und eine neue Frachthalle kamen hinzu. Und als zwischen 1965 und 1970 der Flugtourismus boomte und sich die Zahl der Urlaubsflieger verdreifachte, wurde auch noch eine Abfertigungshalle für die  Charterflüge errichtet.

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Bundeskanzler Willy Brandt in Hamburg.

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Archiv Flughafen Hamburg

Der sprunghafte Anstieg des Luftverkehrs hatte zur Folge, dass sich die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein auf eine Verlagerung des Flughafens nach Kaltenkirchen einigten. 1969 legten Architekten und Ingenieure dafür ihre Pläne vor. Doch der Ölpreisschock und der Bummelstreik der Fluglotsen dämpften plötzlich die Zuwachsraten. Auch gab es viele Klagen gegen den Planfest- stellungsbeschluss. Und so nahmen die beiden Länder 1983 wieder Abstand von ihren Umzugsplänen.

Hamburgs Flughafen wird um- und ausgebaut

Das bedeutete für den Hamburg Airport Modernisierungen am bisherigen Standort. Das Projekt sah den Bau eines neuen Terminals, elf neue Fluggastbrücken  sowie ein neues Parkhaus vor. Als Highlight des Ausbaus ging 1993 Terminal 4 (heute Terminal 2) nach mehr als dreijähriger Bauzeit in Betrieb. Im gleichen Jahr zählte Hamburg Airport erstmals über sieben Millionen Passagiere. 

Doch der Andrang wurde immer noch größer: 1995 verzeichnete Fuhlsbüttel schon mehr als acht Millionen, 1998 sogar über neun Millionen Fluggäste.  Und so musste der Flughafen zwischen 2001 und 2009 noch einmal für 356 Millionen Euro ausgebaut werden: Das 72 Jahre alte Empfangsgebäude verschwand und wurde durch Passagierterminals ersetzt. Heute ist der  Helmut-Schmidt-Airport, wie er seit 2016 heißt, einer der modernsten Europas.

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1976 ist eine Concorde von Air France in Hamburg zu Gast. Das erste Überschall-Passagierflugzeug im Linienflugdienst – und auch das letzte.

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Flughafen Hamburg

Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie kannte die Entwicklung der Fluggastzahlen weiter nur eine Richtung: nach oben.  17,3 Millionen waren es  2019, also 47 000 Passagiere täglich. Zum Vergleich: In den Herbstferien 2020 wurden noch  13 000  gezählt – ein Drittel. Experten rechnen damit, dass es einige Jahre dauern wird, bis sich die Luftfahrtbranche von Covid-19 erholt hat. Deutschlands ältester und fünfgrößter Flughafen hätte sich sicherlich andere Rahmenbedingungen für seinen 110. Geburtstag gewünscht.

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