Kiez-Bewohner fordern: Das braucht St. Pauli dringend
Kneipen, Clubs, Theater, Bordelle – alles dicht: Kaum einen anderen Stadtteil hat die Corona-Pandemie so hart getroffen wie das Vergnügungsviertel St. Pauli. Doch auch steigende Mieten und Heerscharen von Billig-Sauf-Touristen machen den Anwohnern zu schaffen. Woche für Woche stellt die MOPO in der Serie „Kiez-Menschen“ Leute vor, die den Stadtteil auf ihre ganz eigene Weise prägen – für die Sonderausgabe „Goldene MOPO“ wurde die Redaktion sogar für einen Tag in den „Goldenen Handschuh“ verlegt. Nun wollten wir von diesen St. Paulianern wissen: Was braucht St. Pauli dringend?
Graffiti-Künstler Ray de la Cruz (45): Das Zurück zu altem Charme würde dem Kiez gut tun. Mehr Rotlicht, mehr Milieu, das für Ruhe sorgt. Weg vom Mallorca-Image, von ständigem Stress und Gewalt unter den Kids.
Burlesque-Queen Eve Champagne (37): Bezahlbaren Wohnraum. Wir brauchen hier Zuhause, keine Ferienwohnungen. Immer mehr Menschen werden aufgrund der hohen Mieten aus dem Viertel verdrängt.
Wirtin Micky Hensel (56) von der „Nachtschicht St. Pauli“ an der Gerhardstraße: Wir brauchen dringend weniger Kioske und mehr Gäste, die wieder in den Läden feiern. Hinzu kommt, dass der billige Sauftourismus extrem zugenommen hat. Es wäre schön, wenn uns die Gäste wieder mit dem gebührenden Respekt behandeln.
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Klomann, Putz-Experte und Hausmeister André „Atze“ Schneider (45): Wir brauchen dringend viele Gäste, die keine Angst haben vor anderen. Zudem brauchen wir mehr Unterstützung von der Stadt. Wie sollen wir bei den derzeitigen Kosten überleben, wenn kaum Gäste kommen? Das ist eine Katastrophe. Es macht mich traurig.
Wie geht es Hamburgs bekanntestem Stadtteil, den Menschen die dort Leben und Arbeiten, wirklich? Was brauchen sie, was wünschen sie sich? Warum sind die Kiez-Kneipen in Gefahr und was macht den „Goldenen Handschuh“ so besonders? Dieser Text ist Teil unserer Sonderausgabe vom Kiez.
Taxifahrer Henrik „Henni“ Moss (45): Mehr Taxis nachts am Wochenende. Viele Gäste müssen lange warten. Ab 3 Uhr gibt es hier kaum noch Taxis. Coronabedingt wurden viele abgemeldet.
Silbersack-Wirt Dominik Großefeld (37): Gäste, die Lust haben, sich auf den Stadtteil und seine Ideologie einzulassen.
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Nicky Wichmann (49), Chefin des „Amsterdam Headshop“ an der Reeperbahn: Ein vernünftiges Quartiersmanagement, das dafür sorgt, dass hier nicht nur Kioske und Hotels sind. Und dass St. Pauli sein altes Gesicht nicht verliert.
St.-Pauli-Pastor Sieghard Wilm (57): Bezahlbaren Wohnraum. Das Miteinander von Wohnmilieu und Ausgehspaß macht das besondere aus. Schade, wenn viele wegziehen müssen.
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Axel Strehlitz (55), Clubbetreiber, Unternehmer und Gastronom: Der Kiez braucht mehr Angebote für den Tag. Es ist ein großer Jammer, dass man so gut wie nichts findet. Tagsüber sieht man immer nur traurige, sich wundernde Touristen über den Kiez ziehen, die sich gar nicht vorstellen können, wie geil es da am Abend ist. (mp)