Ärger in Hamburg: Der Professor und die rechten Verschwörungstheoretiker
Die Marke „Rapunzel“ war bis vor wenigen Wochen vor allem als Produzent von Bioprodukten bekannt. Dann sorgte Gründer und Geschäftsführer Joseph Wilhelm mit irritierenden Verschwörungstheorien über Corona für Aufruhr. Jetzt kommen noch mehr merkwürdige Details ans Licht: Der Hamburger Professor Ralf Otterpohl, ebenfalls bekannt für seine Verschwörungstheorien, soll bei einem „Rapunzel“-Gastvortrag für eine rechte Bewegung geworben haben. Gegenüber der MOPO hat sich Otterpohl jetzt zu den Vorwürfen geäußert.
Das Naturkostunternehmen „Rapunzel“ veranstaltet auf seinem Firmengelände im bayerischen Legau regelmäßig Vorträge, Workshops und Filmvorführungen. Diese tragen Namen wie „Sternenstaub und Eulenrufe“ oder „Der Zauber von Kaffee“. Im Zuge dieser Veranstaltungen stellte der Hamburger Professor Ralf Otterpohl im Sommer 2018 sein Buch „Das neue Dorf“ vor. Otterpohl ist Leiter des Instituts für Abwasserwirtschaft und Gewässerschutz an der Technischen Universität Hamburg. Die „taz“ berichtete zuerst.
Darum geht es bei den Verschwörungs-Vorwürfen
In seinem Buch beschreibt Otterpohl, wie er sich das Dorf der Zukunft vorstellt, und orientiert sich unter anderem an der Anastasia-Bewegung aus Russland. Nach außen präsentieren ihre Anhänger sich als Ökofreunde, die in sich selbst versorgenden Gemeinschaften, sogenannten Familienlandsitzen, leben. Die Grundlage ihrer Thesen ist eine Fantasy-Buchreihe des russischen Schriftstellers Wladimir Megre, die es in sich hat.
Megre hatte nach eigenen Angaben Kontakt zu einer sagenhaften Frau namens Anastasia, die in den Wäldern Russlands gelebt und ihm die Welt erklärt haben soll. So weit, so harmlos. Doch die Anastasia-Bewegung glaubt auch, dass Juden die Regierungen manipulieren und an ihrer Verfolgungsgeschichte selbst schuld seien. Insgesamt wird ihr eine stark nationalistische, verschwörungstheoretische und rechtsesoterische Ausrichtung nachgesagt. Seit einiger Zeit verbreitet sich diese Bewegung auch in Deutschland.
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Studierende der TU Hamburg kritisierten den Professor
Professor Ralf Otterpohl ist, was Verschwörungstheorien angeht, kein Unbekannter. Im März hatten Studierende der TU Hamburg dem Dozenten die Verbreitung von Verschwörungstheorien in seinen Vorlesungen vorgeworfen. In einer E-Mail an einen Kurs habe er zum Beispiel vom „CO2-Mythos“ gesprochen und den Einfluss des Gases auf den Klimawandel geleugnet.
Rechte Verschwörung? Das sagt Otterpohl selbst
Die MOPO hat mit Professor Otterpohl über die Anastasia-Siedlerbewegung sowie die Antisemitismus-Vorwürfe gegen seine Person gesprochen. „Als ich das Buch geschrieben habe, war keine Rede davon, dass die Anastasia-Bewegung antisemitisch sein soll. Es gibt in den zehn Büchern (von Wladimir Megre, Anm. d. Red.) aber schon komische Stellen, bei denen Religionen schlecht wegkommen“, so Otterpohl. Ihn habe es damals beruhigt, dass es die Bücher auch in einer hebräischen Übersetzung gebe und sich auch Gruppen in Israel gegründet hätten.
Er selbst habe vor zwei bis drei Jahren Vorträge bei deutschen Gruppen der Bewegung gehalten. „Damals habe ich ohne lange zu recherchieren zugesagt“, so der Professor. „Eine Gruppe war dabei, die hatte sehr strikte Regeln, sie wollte zum Beispiel nur heterosexuelle Mitglieder und Veganer. Von der Gruppe habe ich mich dann abgewandt.“
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Professor Otterpohl: „Ich bin nicht rechtsextrem“
Stattdessen setze er sich für interkulturellen Austausch ein, viele der Mitarbeiter in seinem Uni-Team kämen aus verschiedenen Ländern. Otterpohl insistiert: „Ich bin nicht rechtsextrem orientiert und will damit nichts zu tun haben, das wurde ohne jeden Beleg falsch dargestellt.“
Des Weiteren erklärt er: „Ich sehe nicht, dass die Bewegung generell antisemitisch ist.“ Was sein Buch angeht, kündigte er im Gespräch mit der MOPO an: „Ich werde den Anastasia-Abschnitt aus dem Buch herausnehmen lassen und einen Abschnitt über weltoffene neue Dörfer schreiben, ich habe den Verlag schon angeschrieben.“
Anastasia-Siedlerbewegung: Das steckt dahinter
Die MOPO hat mit Jörg Pegelow von der Sektenberatung der Hamburger Diakonie über die Anastasia-Siedlerbewegung gesprochen. „In den Büchern von Megre gibt es eindeutig antisemitische Anklänge. Die Vorstellungen darin sind anschlussfähig für rechtsesoterisches Denken, Reichsbürger und parawissenschaftliche Ansichten“, so Pegelow.
„Typisch für diese Ansichten ist, dass sie die einzige Wahrheit und Weisheit beanspruchen, welche die Allgemeinbevölkerung in ihren Augen noch nicht verstanden hat.“ Die Szene der Siedlergruppen, zu denen auch die Anastasia-Bewegung gehört, sei insgesamt jedoch nicht einheitlich. Innerhalb dieser gebe es unterschiedliche Positionen.
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Naturkost-Firma „Rapunzel“ distanziert sich
Das Video von Otterpohls Vortrag aus dem Sommer 2018 ist Angaben der „taz“ zufolge kurz nach Erscheinen eines Artikels der Zeitung von der „Rapunzel“-Webseite verschwunden. Eine Pressesprecherin der Firma bestätigte der Zeitung, dass das Video nach „ausführlich kritischen Hinweisen von Kundenseite zu den Beiträgen und Positionen Herrn Otterpohls“ aus dem Netz genommen wurde.
Die Sprecherin distanzierte sich außerdem von rechtsextremen Ideologien. Wie schon Otterpohl rechtfertigt sich auch „Rapunzel“ damit, zum damaligen Zeitpunkt nichts von einer Nähe des Professors zu antisemitischen Gedanken gewusst zu haben.
Gründer der Marke „Rapunzel“ in der Kritik – das sagt der Professor
Joseph Wilhelm, Geschäftsführer von „Rapunzel“, fiel zuletzt durch seine kruden Aussagen über die Corona-Pandemie auf. Er verbreitete unter anderem Horror-Visionen über das Impfen und verglich Corona-Tote mit Abtreibungen. Von einigen dieser Aussagen distanzierte er sich inzwischen wieder.
Den Gründer der Marke „Rapunzel“ verteidigt Otterpohl im Gespräch mit der MOPO: „Ich bin gegen eine pauschale Verurteilung von Menschen, die sich engagieren.“ Der Gründer von „Rapunzel“ habe „viele andere großartige Dinge gemacht. Er hat sich für seine Aussagen entschuldigt und damit sollte das Thema auch durch sein.“
So äußert sich die TU Hamburg
Aktuell lehrt Professor Otterpohl weiterhin an der TU Hamburg. Ein Sprecher der Uni verweist auf MOPO-Nachfrage auf ein älteres Statement zum offenen Brief der Studierenden. Darin hieß es, die Universität nehme die Kritik ernst und suche das Gespräch mit dem Professor.
In Anbetracht der neueren Kritik fügte ein Sprecher der TU Hamburg gegenüber der MOPO hinzu: „Professoren dürfen umstrittene Theorien vertreten, solange sie ihr Fach ordnungsgemäß vermitteln. Dies gilt, solange Herr Professor Otterpohl seine Theorien im Unterricht nicht zum Dogma macht und man darüber diskutieren kann. Hieran gibt es von unserer Seite keine Zweifel. Wir haben bereits mit Professor Otterpohl darüber gesprochen. Zudem hat er sich mehrfach eindeutig vom Rechtsextremismus distanziert.“