AfD in den Parlamenten: Meinung: Die Brandstifter sind schon im Haus
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Am 28. September 1958 wurde erstmals an einer deutschen Bühne „Biedermann und die Brandstifter – Ein Lehrstück ohne Lehre“ von Max Frisch aufgeführt. Den ZuschauerInnen wird darin vor Augen geführt, wie ein biederer und opportunistischer Herr Biedermann trotz seines anfänglichen Widerwillens zwei Männer ins Haus lässt, die zunehmend und sichtbar Böses im Schilde führen. Doch er will nicht glauben, was er sieht, und hilft am Ende seinen Gästen sogar, die Zündschnur an den Benzinkanistern anzubringen, mit denen dann sein Haus und der ganze Stadtteil in Brand gesetzt werden. Wie kann es zu dieser Vertrauensseligkeit kommen? Einer der Brandstifter erklärt seine Vorgehensweise: „Die beste Tarnung ist immer noch die nackte Wahrheit. Komischerweise. Die glaubt niemand.“
In Thüringen konnten wir in den vergangenen Tagen erleben, wie die Biedermänner – ob aus Einfalt oder mit Kalkül – mit den Brandstiftern kooperierten. Und in den nächsten Wochen werden wir sehen, ob und wie sich die CDU auf die AfD einlässt. Schnittstellen gibt es genug: Die sogenannte „Werte-Union“ teilt mit der AfD mehr Werte als mit dem konservativen Milieu der CDU. Mit Hans-Georg Maaßen hat sie einen Protagonisten, der bei der AfD höchste Anerkennung genießt und als früherer Verfassungsschutz-Chef über genügend Expertise für Verbandelungen im rechten Milieu verfügen dürfte.
Faschistische und gewaltfördernde Ankündigungen der AfD werden nicht ernst genommen
Die Biedermänner wollen die „nackte Wahrheit“ der AfD-Brandstifter immer noch nicht glauben. Beharrlich vermeiden sie, die zahlreichen faschistischen und gewaltfördernden Ankündigungen der AfD ernst zu nehmen. So will Gauland eine prominente SPD-Politikerin, die einen türkischen Namen hat, „entsorgen“. Ein thüringischer Staatsanwalt sieht diese in der AfD bejubelte Gewaltankündigung durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Und der biedere Frank Plasberg fragt Gauland „hart, aber fair“, ob er gut geschlafen habe.
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Einige Sendungen später wird der preisgekrönte ARD-Moderator den Chef der AfD-Fraktion in Rheinland-Pfalz, Oberstleutnant a. D. Uwe Junge, zum Ende fast freundschaftlich verabschieden: „Ich hoffe, Sie hatten nicht den Eindruck, an einem Tribunal teilgenommen zu haben!“ Junge hatte schon 2017 gedroht: „Der Tag wird kommen, an dem wir die Unterstützer der Willkommenskultur zur Rechenschaft ziehen werden.“ Ein Opfer dieser Ankündigung wurde der Kasseler CDU-Regierungspräsident Walter Lübcke, der sich für die „Willkommenskultur“ starkgemacht hatte und 2019 von einem hessischen Nazi und AfD-Unterstützer ermordet wurde.
Die Brandstifter-Partei hat auch einen Landesverband in Hamburg
Der moderierende Biedermann gibt den Brandstiftern die Chance, sich vor Millionen-Publikum ebenfalls als besorgte Biedermänner zu camouflieren.
Die Brandstifter-Partei hat auch einen Landesverband in Hamburg mit Dirk Nockemann an der Spitze. Nur zur Erinnerung: Nockemann war enger Verbündeter von Ronald Schill und nach dessen Abgang einige Monate sogar Innensenator bei Bürgermeister Ole von Beust. Der hatte sich, ganz Biedermann, von der AfD-Vorläufer-Partei nicht nur wählen lassen, sondern diese gleich mit in die Hamburger Regierung geholt.
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Alles schon vergessen und vergeben? Am selben Tag, als CDU und AfD Seit’ an Seit’ die Wahl des neuen FDP-Ministerpräsidenten in Thüringen ermöglichten, wurde der Hamburger AfD-Chef vom NDR-Fernsehen eingeladen, um sich als netter konservativer Onkel zu präsentieren. Zu welchen Themen auch immer, der NDR holt oft AfD-Leute vor die Kamera.
Die renommierte Patriotische Gesellschaft, gewiss ohne jede Sympathie für die AfD, hatte diese dennoch in den letzten Wochen gleich zwei Mal als Podiumsgäste im Haus, Seite an Seite mit den anderen Parteien. So macht man die AfD salonfähig. Nicht anders verhält es sich mit den Hamburger Schulen. Ob vom Schulsenator gedrängt oder aus eigener Überzeugung werden dort regelmäßig AfD-Repräsentanten mit anderen Parteien eingeladen und den SchülerInnen Toleranz für diese demokratiefeindliche Partei abverlangt, oft gegen deren Protest.
Ganz ähnlich agierte die Kulturbehörde, als deren Sprecher sich bei der AfD dafür entschuldigte, dass ihr Spitzenmann Alexander Wolf beim „runden Tisch zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes“ rausgeworfen wurde, und versprach: „Herr Wolf wird sicher zum nächsten runden Tisch wieder eingeladen.“ Die AfD ist seitdem ohne weitere Debatte dabei.
Es ist unbestreitbar, dass die AfD eine faschistische Partei ist
Fast immer heißt es als Begründung für diesen freundlichen Umgang mit der AfD, man habe es mit einer demokratisch gewählten Partei zu tun. Doch das ist bestenfalls das hilflose Argument eines Herrn Biedermann. Spätestens seit Alexander Gauland und Jörg Meuthen ihren Ziehsohn und Faschisten Björn Höcke nach dessen Wahlsieg im Zentrum der Partei etabliert haben, ist unbestreitbar, dass die AfD eine faschistische Partei ist, auch in Hamburg.
„Nie wieder Auschwitz“ heißt konkret: nie wieder Nazis, Faschisten und ihre Parteigänger. Doch dafür ist es zu spät, denn die Brandstifter sind im Haus. Die Frage ist, ob sie von den Hausbewohnern weiterhin toleriert oder gar eingeladen werden. Antifaschisten, die nicht den Biedermann machen wollen, werden jedenfalls nicht (mehr) Seite an Seite mit AfD-Repräsentanten auftreten, zum Beispiel im Wahlkampf oder in Schulen.
Bei Max Frisch proklamiert der Chorführer der wachsamen Feuerwehrleute: „Klug ist und Herr über manche Gefahr, Wenn er bedenkt, was er sieht, Der Mensch. Aufmerksamen Geistes vernimmt er Zeichen des Unheils Zeitig genug, wenn er will.“