Alter, Krankheiten, Gewicht: Wer in Hamburg bislang an Corona gestorben ist
Weltweit beschäftigen sich Forscher mit dem Corona-Virus und obduzieren dafür verstorbene Corona-Patienten – ein umstrittenes Vorgehen. Denn: Das Robert-Koch-Institut (RKI) warnte Mediziner zunächst vor der Ansteckungsgefahr. Ein Risiko, das unter anderem der bundesweit bekannte Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel eingegangen ist – mit Erfolg. Er gelangte zu aufschlussreichen Erkenntnissen.
Die Obduktion ist für Pathologen in der heutigen Zeit längst in den Hintergrund getreten, abgelöst durch Untersuchungen an Gewebeproben lebender Patienten. Doch gewinnt die Arbeit an Leichnamen in Zeiten von Corona wieder an Bedeutung: Die Erkenntnisse aus Obduktionen helfen den Medizinern zu verstehen, was genau das Virus im menschlichen Körper anrichtet und woran der Erkrankte tatsächlich gestorben ist.
Risiko: Infektion mit dem Cornavirus bei der Obduktion
Die aufschlussreichen Untersuchungen sind jedoch risikoreich: Beim Öffnen der Leiche können sich Mediziner durch Luftpartikel, sogenannte Aerosoloe, mit dem Coronavirus infizieren. Deshalb warnte das RKI noch im März vor Obduktionen der Corona-Leichen, wie die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) berichtete.
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Eine Warnung, der die Deutsche Gesellschaft für Pathologie und der Bundesverband Deutscher Pathologen widersprechen: Sie fordern ihre Mitglieder sogar ausdrücklich dazu auf, möglichst viele Obduktionen durchzuführen, um daraus Erkenntnisse für eine Therapie zu gewinnen.
Hamburger Pathologe Püschel: „Kein Verstorbener ohne Vorerkrankung“
Rechtsmediziner Klaus Püschel gelangte auf diesem Weg zu neuen Erkenntnissen: Unter der Obduzierten war „keiner ohne Vorerkrankung“, so Püschel. Zwischen dem 22. März und dem 11. April untersuchte Püschel 65 Covid-19-Verstorbene im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).
Mittlerweile liegt die Zahl der Obduzierten in Hamburg bei mehr als 100 – nirgendwo in Deutschland wurden bisher annähernd so viele Corona-Leichen untersucht. Der SZ, NDR und WDR liegt ein Bericht zu den untersuchten Fällen vor, der in der vergangenen Woche an die Hamburger Gesundheitsbehörde geschickt worden war.
Herzschwächen, Lungenerkrankungen, Organschäden
In Püschels Bericht wird beschrieben, dass bei einem Großteil der Toten Herzerkrankungen vorlagen. 55 Untersuchte litten laut Bericht unter einer „kardiovaskulären Vorerkrankung“. Das umfasst Bluthochdruck, Herzinfarkt, Arteriosklerose oder sonstige Herzschwächen. 46 Obduzierte hatten eine Vorerkrankung der Lunge, während 28 Patienten Schäden an anderen Organen wie Nieren, Leber oder Transplantationsorganen aufwiesen.
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16 der Verstorbenen waren demenzkrank, weitere hatten bereits eine Krebserkrankung, schweres Übergewicht oder Diabetes, wie die SZ unter Berufung auf den Bericht beschreibt. Die Erkenntnisse aus Püschels Bericht decken sich mit einigen Ergebnissen aus dem Uni-Spital in Basel, dessen Ärzte ebenfalls Corona-Verstorbene obduzieren. Auch dort erkannte man Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Diabetes oder Übergewicht.
Diskussion: Sterben die Menschen mit oder am Virus?
Am 14. April gab Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) noch bekannt, dass in Hamburg bereits 58 Menschen am Coronavirus verstorben sind. Der überwiegende Anteil verstarb auf der Intensivstation, nur wenige zuhause oder in Pflegeeinrichtungen. Die männlichen Verstorbenen seien im Durchschnitt 79 Jahre alt gewesen, die Frauen etwas älter, laut der Senatorin.
Püschel aktualisiert die Zahl nochmals: 61 der beschriebenen Fälle starben an den Folgen des Coronavirus, bei den übrigen vier war die neuartige Krankheit nicht ursächlich für den Tod. Der Bericht des Hamburger Rechtsmediziners versucht eine Antwort auf die viel diskutierte Frage, ob die Patienten mit oder an dem Virus sterben, zu finden. Mittlerweile hat auch das RKI seine Empfehlung, Obduktionen zu vermeiden, zurückgezogen. (ju)