VIP-Karten angenommen: Schützte die Justiz Senator Grote?
Als sich vor einer Woche zwei Finanzbeamte wegen Vorteilsannahme vor Gericht verantworten mussten, war die Stimmung im Saal gereizt. Monika M. und Wolfgang K. hatten Freikarten für Spiele von St. Pauli angenommen und mussten dafür eine Geldauflage zahlen. Im Zuschauerraum echauffierten sich Kolleg:innen der Angeklagten lautstark über den Prozess. Warum? Es könnte daran gelegen haben, dass man 2019 im Falle der Vergabe von VIP-Freikarten an den Innensenator Andy Grote (SPD), an den Polizeipräsidenten Ralf Meyer sowie an den ehemaligen Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) juristisch anders entschieden hatte. Zu den damaligen Vorgängen sind jetzt brisante neue Details aufgetaucht.
Der Finanzbeamte K. und die Sachgebietsleiterin M. mussten sich vor wenigen Tagen vor dem Amtsgericht verantworten. Beide waren zuständig für die Betriebsprüfung einer Vermarktungsfirma des FC St. Pauli und hatten vom Verein VIP-Tickets angenommen. Das Verfahren wurde zwar eingestellt, gegen beide wurden aber Geldauflagen verhängt. Was besonders auffiel: die wütende Stimmung unter den Prozess-Zuschauern, hauptsächlich Finanzbeamte. Waren die so aufgeregt, weil sie den Eindruck hatten, man hänge die „Kleinen“ und lasse die „Großen“ laufen?
Denn bereits 2019 hatte der NDR berichtet, dass die Staatsanwaltschaft sich eingeschaltet habe, weil der damalige Bezirksamtschef Grote, der damalige Senator Horch und Polizeipräsident Meyer Freitickets vom FC St. Pauli angenommen hatten. Allerdings habe man schließlich „einvernehmlich“ entschieden, dass kein Anfangsverdacht wegen Vorteilsannahme bestehe.
Geldauflage für Beamte, keine Folgen für Grote
Inzwischen liegen „t-online“ offenbar neue Dokumente zu den damaligen Geschehnissen vor. Danach habe die zuständige Staatsanwaltschaft zunächst sehr wohl Vorermittlungen aufgenommen und sah den Anfangsverdacht einer Vorteilsannahme gegeben. Sie habe sogar den Entwurf eines Durchsuchungsbeschlusses erstellt. Durchsucht werden sollten laut „t-online“ Grotes Büro in der Behörde und auch seine Privatwohnung. Doch dazu kam es nie.
Das Portal berichtet mit neuen Details aus Akten-Vermerken über ein Treffen des Hamburger Generalstaatsanwalts Jörg Fröhlich mit der zuständigen Korruptionsstaatsanwaltschaft sowie leitenden Staatsanwälten. Dort hätten sich mehrere der Anwesenden für Durchsuchungen ausgesprochen, doch der Generalstaatsanwalt habe sich dafür stark gemacht, den „Beurteilungsspielraum“, der der Staatsanwaltschaft zustehe, zugunsten der Betroffenen auszulegen. Außerdem lasse sich ein Polizeipräsident wie Meyer nicht bestechen, „zumal er HSV-Fan“ sei, soll Fröhlich laut „t-online“ gesagt haben. Auch müsse man ein Hochkochen vor der Bürgerschaftswahl vermeiden, weil sonst ein „politischer Tsunami“ drohe.
Ein Polizeipräsident lasse sich nicht bestechen
Horch, Meyer und Grote mussten sich für die Annahme der Tickets nie verantworten – im Gegensatz zu den beiden Finanzbeamten. „t-online“ zitiert noch ein weiteres brisantes Detail aus den Vermerken: Fröhlich habe bei dem Treffen gesagt, dass er selbst Grote für „nicht für integer“ halte. Sowohl Grote als auch die Staatsanwaltschaft wollten sich gegenüber dem Portal dazu nicht genauer äußern.
Die Opposition schäumt: „Wieder Andy Grote. Und wieder geht es um die Frage, ob der Innensenator möglicherweise über dem Gesetz steht. Die neuen Vorwürfe wiegen schwer und müssen dringend aufgearbeitet werden“, fordert Linken-Politiker Deniz Celik. Schon bei Grotes „Pimmelgate“-Affäre und seinem Verstoß gegen die Corona-Regeln, als er anlässlich seiner Wiederernennung 30 Personen in eine Bar in Hamburg eingeladen hatte, waren Stimmen laut geworden, die den Rücktritt des Senators forderten.