Grünen-Treffen: Partei für Waffen, Kohle und Atomkraft?
Dass ein grüner Parteitag Waffenlieferungen sowie die zeitweilige Fortsetzung von Atomkraft und Kohle beschließt, das hätte sich kein Gründungs-Grüner träumen lassen. Aber: Die Anforderungen unserer Zeit lassen einer Regierungspartei offenbar wenig Spielraum. Diskutiert wurde trotzdem. Wenn auch nicht mehr so heftig, wie man’s von den Grünen früher kannte.
Gerade zu Beginn der Regierungsarbeit wurde den Ampel-Grünen ihr Pragmatismus zugutegehalten. Mittlerweile aber hat der Wind sich gedreht, das wurde auch beim Parteitag in Bonn klar.
Beispiel Kohle
„Wir haben für den Klimaschutz in den letzten Monaten weiß Gott nicht nur Hilfreiches beschlossen“, gab Umweltministerin Steffi Lemke in ihrer Rede offen zu. Dafür sei der Ort Lützerath im Kohle-Abbaugebiet in Nordrhein-Westfalen ein Symbol.
Der Kompromiss-Beschluss, den die Grünen-Chefriege sich ausgedacht hatte: Der Kohleausstieg im Rheinischen Revier soll um acht Jahre auf 2030 vorgezogen werden. Zugleich sollen angesichts der aktuellen Energiekrise zwei Braunkohlekraftwerke länger als bisher geplant laufen. Die Siedlung Lützerath in Nordrhein-Westfalen, die ein Symbol für die Klimaschutzbewegung ist, soll dafür abgerissen werden, um dort Kohle zu fördern.
Beispiel Atomkraft
Einst gehörten die Anti-AKW-Demos zum Gründungsmythos der Partei. Die Delegierten beschlossen am Freitagabend aber mit klarer Mehrheit, die beiden süddeutschen Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 bis zum 15. April 2023 in einer Reserve zu halten und bei Bedarf weiter für die Stromerzeugung nutzen zu können. Das dritte noch verbleibende AKW Emsland hingegen soll zum 1. Januar 2023 endgültig abgeschaltet werden.
„Als Minister, der am Ende für die Versorgungssicherheit zuständig ist“, hatte Habeck um Zustimmung zu diesem Plan gebeten – und sie letztlich bekommen. Im internen Ampel-Zwist, vor allem mit der FDP, hatte Parteichefin Ricarda Lang aber noch mal bekräftigt: Der Einkauf neuer Brennstäbe sei für die Grünen eine „rote Linie“, die nicht überschritten werde.
Beispiel Waffen
Im Jahr 1999 wurde Joschka Fischer für die Zustimmung zum Bosnien-Einsatz noch mit einem Farbbeutel beworfen. Mittlerweile hat sich die Stimmung bei den Grünen gedreht: Mit großer Mehrheit wurden weitere Waffenlieferungen an die Ukraine befürwortet, um den russischen Angriffskrieg zu stoppen.
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Unstimmigkeiten gab’s nur bei Rüstungsexporten für gut 36 Millionen Euro an Saudi-Arabien, Kriegspartei im Jemen und Land mit ernsten Menschenrechtsproblemen. Außenministerin Annalena Baerbock verteidigte den Plan: Die Lieferungen schmerzten, es handle sich aber um ältere Verträge. Zudem liefere man nicht direkt, sondern über den Umweg Frankreich und Großbritannien in einer Art Ringtausch. Das Parteitagsergebnis: Die Lieferungen wurden zwar genehmigt, aber als nicht wünschenswert benannt.