Mutter, Gastronomin, Krebspatientin: „Gebe die Hoffnung nicht auf – so bin ich halt“
Ottensen –
Eine Gastronomin aus Ottensen, Mutter von drei Kindern, bekommt Anfang 2020 die Diagnose Brustkrebs. Die Coronakrise bedroht zusätzlich ihr Restaurant und somit ihre Existenz. Wie geht man mit so einem schweren Schicksal um?
Die Idylle könnte nicht perfekter sein in diesem begrünten Innenhof in Ottensen. Vögel zwitschern, Kinder spielen miteinander Fußball, Sonnenblumen strecken ihre Blüten zur Sonne. Eine schmale Holztreppe führt hoch zum Balkon von Carlota Santos de Carvalho, auf dem ein bunter Tisch neben vielen Blumenkästen steht. „Das ist meine persönliche Oase“. Die 49-Jährige dreht sich einmal um und betrachtet ihr kleines Reich. „Mein Rückzugsort, an dem ich mich einfach nur entspannen kann.“
Gastronomin aus Ottensen bekommt die Diagnose Brustkrebs
Carlota Santos de Carvalho ist Gastronomin, seit fast 18 Jahren gehört ihr das „Café Ribatejo“ in Ottensen. Sie ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern und Krebspatientin. „Anfang Januar habe ich die Diagnose bekommen“, erzählt sie mit ruhiger Stimme beim Gespräch auf der Terrasse.
Ende letzten Jahres hatte die Hamburgerin bereits etwas getastet, den Arzt-Termin allerdings nicht wahrgenommen. „Mit dem Geschäft in der Vorweihnachtszeit hatte ich einfach keine Zeit“, erinnert sie sich. „Silvester hat eine Freundin von mir, die Frauenärztin ist, das abgetastet und direkt gesagt: Das fühlt sich nicht gut an.“ Für die Gastronomin ein Schock. „Ich habe gedacht, ich bekomme niemals Krebs, ich konnte das gar nicht richtig fassen.“
Am Anfang hatte es noch geheißen, dass der Krebs vielleicht nicht ganz so bösartig sei. „Es bestand die Chance, dass ich gar keine Chemo brauche“, sagt sie, „das habe ich auch immer so weitergegeben. Dass ich quasi einen von den guten Krebsen erwischt hatte.“ Eine OP wurde für Mitte Februar angesetzt. Bis dahin hatte de Carvalho fast gar keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. „Mein Vater ist dement und meine Mutter hatte in diesem Monat auch eine Operation. Da haben wir ihn Tag und Nacht betreut.“ Ihren Kindern erzählte sie erst kurz vor der OP von ihrer Diagnose.
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Doch der Eingriff brachte nicht das gewünschte Ergebnis; direkt danach ist klar: Die 49-Jährige braucht definitiv eine Chemo-Therapie, denn die Lymphknoten sind auch bereits vom Krebs befallen. „Ab da wusste ich, dass ich ausfalle für das Geschäft“, erzählt de Carvalho, während sie gedankenverloren über den Innenhof blickt.
Krebspatientin aus Ottensen: Die Coronakrise bedroht ihr Restaurant zusätzlich
Für Mitte März wurde eine erste Chemotherapie im zweiwöchigen Rhythmus angesetzt. Dann kam aber noch etwas anderes dazu: die Coronakrise. Das Café Ribatejo musste schließen, die Mitarbeiter wurden in Kurzarbeit geschickt. „Mein Bruder und der Geschäftsführer haben sich Gedanken gemacht, wie wir weitermachen können“, erzählt die Hamburgerin weiter. „Wir haben dann versucht, mit Take-Away die Zeit zu überbrücken.“
Das reichte natürlich nicht annähernd an die üblichen Einnahmen heran, aber besser als nichts. „Die Gäste haben das total gut angenommen und die Nachbarn haben versucht, uns zu unterstützen.“ Mittlerweile hat das Café Ribatejo wieder geöffnet, die Einnahmen liegen aber immer noch bei nur etwa 60 Prozent im Vergleich zur Zeit vor Corona. „Aber besser als nichts“, sagt sie wieder, „und die Gäste unterstützen uns alle sehr.“
Mit dem Beginn des Lockdowns wurden auch die Schulen in Hamburg geschlossen, ihre drei Kinder mussten ins Homeschooling. „Da war eine gewisse Hilflosigkeit natürlich da“, so die Hamburgerin. Ihr ältester Sohn David (20) steckte mitten in den Vorbereitungen fürs Fachabitur.
Krebskranke Gastronomin aus Ottensen: Ihre drei Kinder müssen ins Homeschooling
„Meine zehnjährige Tochter Laila, die jetzt im Sommer in die 5. Klasse kommt, musste auf jeden Fall beschult werden“, erzählt die Gastronomin. Die Schule wusste Bescheid – eine Mutter hatte sich eingeschaltet und dafür eingesetzt, für diese Ausnahmesituation eine andere Lösung zu finden. Eine ehemalige Praktikantin habe sie dann im Einzelunterricht betreut.
„Das hat ganz gut funktioniert!“, freut sich die 49-Jährige, „sie mag die Praktikantin, und das läuft auch immer noch weiter.“ Anders sieht es bei ihrem 8-jährigen Sohn Elia aus. Als die Schulen noch geschlossen waren, konnte er von einer Lehrerin Einzelunterricht bekommen – jetzt geht das nicht mehr, weil die Lehrerin auch wieder Kontakt zu Schulkindern hat.
Café Ribatejo Ottensen: Gastronomin erkrankt an Krebs – dann kommt Corona
Und dann war da noch die Chemotherapie, die Carlota Santos de Carvalho ausknockte. Ihr war übel und sie war ständig müde, am Tag nach der Chemo konnte sie kaum vom Sofa aufstehen. Der Haushalt wuchs ihr über den Kopf, eine Haushaltshilfe bekam sie im ersten Antrag von ihrer Krankenkasse allerdings nicht an die Seite gestellt. „Die Begründung war, dass mein damals 19-jähriger Sohn den Haushalt und meine Betreuung leisten könnte.“ Sie legte Widerspruch ein, ihr Sohn mache gerade sein Fachabitur. Am Telefon erklärte man ihr, das käme jetzt in die Widerspruchsabteilung. In drei Monaten erhalte sie dann eine Antwort.
„Und was hätte ich so lange tun sollen?“, entrüstet sich die zierliche Frau. „Mithilfe eines Anwalts ging das dann doch alles schneller – zum Glück. Vor ungefähr zwei Wochen wurde mir die Haushaltshilfe rückwirkend genehmigt. Aber hätte ich damals privat jemanden beauftragt, hätte ich ja nicht gewusst, ob das im Nachgang noch genehmigt wird!“
Die Hoffnung bewahren: „Ganz viel Kraft schöpfe ich aus meinen Kindern“
De Carvalho ist derzeit mitten in der zweiten Chemotherapie. „Die vertrage ich viel besser als die erste“, erzählt sie, „die schlagartige Müdigkeit ist zwar immer noch extrem, aber die ganzen anderen Nebenwirkungen wie Übelkeit sind nicht mehr so stark.“ Mittlerweile habe sie allerdings Probleme mit den Endnerven; manchmal kann sie eine Flasche nicht mehr aufdrehen oder nichts Heißes anfassen. „In der Chemo muss man die Hände und Füße in so Kälteboxen reinlegen“, beschreibt sie, „das tut erstens weh, und danach ist man total empfindlich.“
Kraft schöpfe sie ganz besonders aus ihren drei Kindern. „Wenn ich sie sehe, bin ich glücklich.“ Sie lächelt. „Ich weiß dann, wofür ich all das tue, und sie unterstützen mich – auch wenn sie noch klein sind. Sie bringen sie mir einen Tee ans Bett oder lassen mich nach der Chemo in Ruhe und fragen, ob ich etwas brauche.“ Ihr Sohn David hat das Fachabitur geschafft, jetzt hilft er sehr viel im Restaurant.
Natürlich habe sie auch Momente gehabt, in denen sie allein gewesen sei und Angst hatte. Trotzdem habe sie die Hoffnung nie aufgegeben. „So bin ich halt!“ Ihr größter Traum? Mit ihren drei Kindern sechs Wochen in den Urlaub fahren, wenn all das vorbei ist. „Und dann mit einem VW-Bus bis nach Portugal!“, erzählt sie, „das wäre toll.“