Nach Elbvertiefung: Hamburg plant kilometerlanges Sperrwerk – Umweltschützer entsetzt
Durch den Klimawandel steigt der Meeresspiegel. Schon jetzt wird die Elbe ständig ausgebaggert und die Deiche erhöht. Doch Hamburg hält an der 9. Elbvertiefung fest, die einen erneuten Pegelanstieg zur Folge hat. Jetzt droht der nächste gravierende Natureingriff, dessen Folgen kaum abschätzbar sind: Ein gigantisches mehrere Kilometer breites Sperrwerk in der Elbmündung. Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hält es für nötig, „darüber zu sprechen“. Umweltschutzverbände sind entsetzt.
Der Bau eines gigantischen Sperrwerks ist seit vielen Jahren immer wieder Thema in Hamburg. Mal sollte es bei Brokdorf gebaut werden, dann bei Finkenwerder. Die Bauarbeiten würden bis zu 30 Jahre dauern und Milliarden verschlingen. Das Sperrwerk hätte schon im Bereich Finkenwerder eine Höhe von 27 Metern haben müssen, war vor Jahrzehnten einmal berechnet worden. Noch weiter Richtung Mündung müsste es noch höher sein.
Sperrwerke dienen dazu, das Binnenland vor Überflutungen zu schützen. Die Öffnungen können bei Bedarf geschlossen werden. In der Themse bei London steht eines der modernsten Sperrwerke, das „Thames Barrier“. Es hat eine Gesamtlänge von 520 Metern, besteht aus zehn schwenkbaren Toren und soll die Metropole vor Sturmfluten aus der Nordsee schützen.
Nach Elbvertiefung: Pläne für kilometerlanges Sperrwerk – Umweltschützer entsetzt
Aber alle Ideen wurden damals Ende der 80er verworfen. Jetzt bekommt die Diskussion einen neuen Schub. Denn der Bund macht drei Millionen Euro locker, damit die TU Harburg zu einem möglichen Sperrwerk forschen kann.
Ist ausgerechnet Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) Feuer und Flamme für diesen massiven Eingriff in die Natur, dessen Folgen für die Umwelt sich kaum abschätzen lassen? Er forderte laut NDR bereits im vergangenen Jahr die Planung eines riesigen Elbesperrwerks. „Wenn wir nicht ein Drittel Hamburgs aufgeben wollen, müssen wir das bauen“, soll Kerstan laut NDR bei der Klimawoche 2019 gesagt haben.
Allerdings kommen jetzt etwas zurückhaltender positive Töne aus der Umweltbehörde. Jens Kerstan: „Was bisher als Jahrhundert-Sturmflut galt, wird uns wohl bald häufiger ereilen. Darauf müssen wir uns an der Elbe und in Hamburg einstellen – mit immer höheren Deichen und Flutschutzbauwerken.“ Aber ab Mitte des Jahrhunderts könnten diese Strategien laut Kerstan an ihre Grenzen stoßen.
Macht Klimawandel ein Elbesperrwerk nötig?
Kerstan: „Gemeinsam mit den Küsten-Bundesländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein müssen wir – wenn es nicht gelingen sollte, den Klimawandel auf 1,5 Grad zu begrenzen –
die Frage auf den Tisch bringen, ob es ein Sperrwerk in der Elbmündung geben sollte oder geben muss.“
Auch Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies betont, niemand dürfe die Augen vor alarmierenden Klimawandel-Szenarien verschließen, daher müsse man über ein Mega-Projekt wie das Elbe-Sperrwerk nachdenken. „Wir können das bisher Undenkbare nicht ausschließen, wenn der Klimawandel in dem gleichen Tempo fortschreiten sollte und die wichtigsten Industrieländer sich nicht auf eine gemeinsame, wirksame Klimaschutzpolitik verständigen.“
Neues Elbe-Sperrwerk? Umweltschutzverbände sind entsetzt
Viele Umweltschutzverbände sind gegen das gigantische Bauwerk. So etwa der BUND Hamburg. BUND-Chef Manfred Braasch: „Ein Sperrwerk im Mündungsbereich ist ein gigantisches Projekt, mehrere Milliarden teuer bei jahrzehntelanger Bauzeit.“ Es würde die Flussökologie stark beeinträchtigen und den Sedimenthaushalt der Tideelbe nachhaltig verändern.
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Braasch: „Untersuchen kann man alles, aber ich bin sehr skeptisch, ob so ein Projekt Sinn macht. Wir müssen uns in Hamburg, in Deutschland und weltweit viel stärker darauf konzentrieren, den menschengemachten Meeresspiegel-Anstieg durch einen konsequenten Klimaschutz zu begrenzen. Alles andere wird viel teurer und kaum beherrschbar.“