China-Deal im Hamburger Hafen: Regierung könnte heute Notlösung beschließen
Beim umstrittenen China-Deal im Hamburger Hafen zeichnet sich eine Lösung ab. Oder besser: Eine Not-Lösung. Danach könnte der chinesische Cosco-Konzern doch noch beim HHLA-Terminal Tollerort einsteigen. Allerdings mit einem deutlich kleineren Anteil als bisher geplant.
Noch ist nichts entschieden. Unter den sechs zuständigen Ministerien in Berlin laufen die Beratungen auf Hochtouren. Sie hatten den von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und der Hamburger Hafenwirtschaft befürworteten Einstieg der Chinesen bisher abgelehnt. Doch nun wird an einem Kompromiss gefeilt: Statt der bisher geplanten 35 Prozent könnte Cosco nur mit 24,9 Prozent am Terminal Tollerort beteiligt werden.
Kompromiss: Cosco soll Anteile von weniger als einem Viertel erhalten
Nach dem Aktiengesetz wäre Cosco damit nur Minderheitsaktionär. Heißt: Wer weniger als ein Viertel Anteile an einem Unternehmen besitzt, kann wichtige Entscheidungen der Geschäftsführung weder beeinflussen noch blockieren. Die Sorgen vor einer chinesischen Einflussnahme auf einen wichtigen Teil der Logistikkette im Hamburger Hafen wären damit genommen.
Am Mittwoch könnte sich das Kabinett mit dem Thema befassen. Die Zeit drängt: Wenn bis 31. Oktober keine Entscheidung gefällt wird, wird der Verkauf automatisch so wie von Cosco und dem Hamburger Terminalbetreiber HHLA vereinbart genehmigt. Also mit einer Beteiligung von 35 Prozent.
Grüne und FDP warnen vor neuen Abhängigkeiten
Ob Cosco sich mit weniger zufrieden gibt, ist unklar. Anfragen dazu ließ der Konzern unbeantwortet. Die HHLA geht jedoch davon aus, dass die Chinesen die Kompromisslösung mittragen würden, hieß es aus Unternehmenskreisen. Während der Gespräche mit der Bundesregierung habe es in den vergangenen Tagen auch immer Rücksprachen mit Cosco gegeben.
Hintergrund des Streits innerhalb der Ampelkoalition sind die jüngsten Erfahrungen mit Russland und die Abhängigkeit von dessen Gaslieferungen. Sowohl Grüne als auch FDP warnten vor neuen Abhängigkeiten. Wirtschafts- und Außenministerium, aber auch die Ministerien für Justiz, Finanzen, Verkehr und Inneres planten eigentlich, das Geschäft unter Verweis auf Sicherheitsrisiken zu untersagen.
Zahlreiche Politiker sehen auch „Notlösung“ als Fehler an
Das Kanzleramt aber drängte darauf, dass der Einstieg zustande kommt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte dabei, dass es nicht um einen Ausverkauf des Hafens gehe, sondern lediglich um eine Beteiligung an einem Terminal – so wie es in einigen westeuropäischen Häfen schon längst der Fall sei.
Für FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist selbst der Kompromiss als Fehler. „So wenig, wie es in der Natur ein bisschen schwanger gibt, so wenig gibt es bei dem Hafendeal in Hamburg ein bisschen chinesisch. Entweder man lässt sich auf das Geschäft ein oder man lässt es“, so die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Und: Auch der „Kompromiss“ sei ein folgenschwerer Fehler in Zeiten großer Ungewissheit.
CDU-Fraktion in Hamburg: Sicherheitsinteressen gehen vor
Ähnlich äußerte sich der Grünen-Außenpolitiker Anton Hofreiter: Auch bei dem Kompromiss hätte man „weiterhin ein diktatorisches Regime, das mit Hilfe von Staatskonzernen sich bei uns in Infrastruktur einkauft.“
Die CDU-Wirtschaftspolitikerin Julia Klöckner erklärte nach der Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses: „Wir sind mehr als skeptisch, dass ein chinesischer Staatskonzern sich in deutsche Infrastruktur einkaufen darf.“ Dass der Bundeskanzler gegen den Rat von Fachleuten und Nachrichtendiensten eine solche Beteiligung durchdrücken möchte, sei „bedenklich“.
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Auch in Hamburg wurde Kritik laut: Professor Götz Wiese, Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, bezeichnete das Handeln der Bundesregierung und des Senats als „Desaster“. „Es gilt – auch mit Blick auf die Zeitenwende –sehr genau hinzusehen, welcher Konzern und im Zweifel welcher Staat Zugriff worauf erhält“, so Wiese. „Deutschlands und Hamburgs langfristige Sicherheitsinteressen gehen im Zweifel vor.“