Leugnung von Kriegsverbrechen: Juristen kritisieren Gesetzesverschärfung
Massaker in der Ukraine, Völkermord in Afrika und Armenien: Künftig soll die Verharmlosung oder Leugnung aller Genozide und Kriegsverbrechen weltweit unter Strafe stehen. Damit hat die Ampel-Koalition den Paragrafen zur Volksverhetzung verschärft. Von Juristen kommt Kritik.
Den Holocaust zu leugnen, ist in Deutschland strafbar. Für andere Verbrechen der Menschheitsgeschichte gilt das jedoch nicht. Weder für den Völkermord an den amerikanischen Ureinwohnern im 16. Jahrhundert noch für die Massaker in Deutsch-Ostafrika oder den Völkermord an den Herero und Nama im heutigen Namibia im frühen 20. Jahrhundert. Und auch nicht für die Gräuel des Stalinismus oder den türkischen Genozid an den Armeniern.
Damit ist soll nun Schluss sein: Der Bundestag hat eine Verschärfung des Strafgesetzbuchs beschlossen. Ein neuer Absatz des Paragrafen 130 stellt künftig das öffentliche Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unter Strafe. Bis zu drei Jahre Haft können dafür verhängt werden. Wer also wie der verurteilte Autofahrer in Hamburg mit einem „Z“, dem Zeichen der russischen Truppen im Ukrainekrieg, durch die Stadt fährt, könnte dann nicht nur wegen „Billigung von Straftaten“, sondern wegen „Volksverhetzung“ angeklagt werden.
Geschichtsrevisionismus: Deutsche Regelung schärfer als die der EU
Anders als beim Thema Gas oder AKWs, wo sich die Ampel-Minister regelmäßig öffentlich in die Haare bekommen, kam diese Gesetzesverschärfung vergangene Woche lautlos. Das Justizministerium von Marco Buschmann (FDP) hatte zunächst eine „Formulierungshilfe“ an den Rechtsausschuss gegeben, der Text wurde dann an ein unscheinbares Reformgesetz zum Bundeszentralregister angehängt und bei einer Abstimmung im Bundestag von der Ampelfraktion und der Union angenommen – Linke und AfD stimmten dagegen.
Nun wird Kritik an dieser leisen Umsetzung laut: Sie sei „demokratisch unlauter“, eine „Hauruck-Aktion“ und ein „intransparentes Verfahren“. Manche sorgen sich sogar um eine „Einschränkung der Meinungsfreiheit“.
Aus Sicht des Justizministeriums wurde hingegen bloß eine Vorgabe der Europäischen Union umgesetzt. Ein Rahmenbeschluss der EU verlangt seit 2018, dass Mitgliedstaaten gegen Geschichtsrevisionismus vorgehen – Osteuropäer wollten damals gegen die Verklärung stalinistischer Verbrechen vorgehen.
Juristen kritisieren verschärften Paragrafen zur Volksverhetzung
Die deutsche Rechtslage ist damit nun sogar schärfer als die der EU: Diese fordert nämlich nur, dass „gerichtlich festgestellte“ Kriegsverbrechen gegen Leugnung geschützt werden müssen – Deutschland verzichtet auf diese Einschränkung.
Daran stören sich nun einige Juristen. Denn natürlich gebe es historisch eindeutige Völkerrechtsverbrechen. Doch wie sei es bei Konflikten der Gegenwart, wenn beispielsweise ein Kriegsverbrechen geleugnet oder verharmlost wird, das noch von keinem Gericht als solches bestätigt wurde?
Die Sorge: Deutsche Amtsgerichte müssten unter Umständen Kriegsverbrechen beurteilen, die am anderen Ende der Welt stattfinden – wofür eigentlich internationale Gerichte und Spezialisten zuständig sind. Und auch manche historischen Menschheitsverbrechen sind in ihrer rechtlichen Einordnung umstritten, so etwa der Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki 1945.
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Bei der Kritik darf jedoch nicht vergessen werden: Die Neuregelung im Strafgesetzbuch hat Grenzen. So ist die Leugnung von Kriegsverbrechen nur strafbar, wenn die Tat dazu geeignet ist, „zu Hass und Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören“. Sprich: Nicht jede problematische Äußerung zu Menschheitsverbrechen wird direkt mit Strafe oder sogar Knast geahndet. Wer aber zukünftig – wie in aktuellen Fällen – russische Kriegsverbrechen wie in Butscha in der Ukraine leugnet, verharmlost oder billigt, kann nun schneller vor Gericht landen als bisher.