Iris
  • Kursleiterin Iris erklärt den Teilnehmerinnen wie sie richtig gute Märchenerzählerinnen werden.

„Es war einmal …”: Diese Hamburger machen eine märchenhafte Ausbildung

„Es war einmal eine Prinzessin …“: Sieben Frauen sitzen an diesem Samstag im Seminarraum des Arbeiter-Samariter-Bundes in Niendorf und erzählen sich Märchen. Als ehrenamtliche „Märchenfreunde” wollen sie damit künftig in Kitas oder Seniorenheimen für glänzende Augen sorgen. Die MOPO war bei einem der Vorbereitungskurse dabei und hat erfahren, wie man beim Erzählen nie den roten Faden verliert.

„Es war einmal …“, beginnt Ingrid zu erzählen, die anderen Kursteilnehmerinnen hören gebannt zu. Die Frauen im Alter von Ende 50 bis Anfang 70 sitzen in einem Stuhlkreis zusammen, in der Mitte brennt eine Kerze. Man duzt sich, es gibt Kaffee und Tee. Ingrid erzählt die Geschichte einer Prinzessin, die unbedingt ein Diadem aus Tautropfen haben möchte – und einsehen muss, dass nicht jeder Wunsch in Erfüllung gehen kann.

Das lernen die Märchenfreunde

„Gerade in der jetzigen Zeit, wo wir viel isoliert waren, sind Märchen sehr heilsam und tröstlich”, sagt Kursleiterin Iris, die im Hauptberuf Heilpraktikerin ist. „Märchen erzählen von Freundschaft, Liebe, Mut und Zutrauen. Das sind alles Botschaften, die aus dem Leben sprechen und deswegen etwas anklingen lassen.“

Ingrid erzählt das Märchen von der Prinzessin, die sich ein Diadem aus Tautropfen wünscht.
Ingrid
Ingrid erzählt das Märchen von der Prinzessin, die sich ein Diadem aus Tautropfen wünscht.

Ab dem ersten Tag arbeitet sie mit den Teilnehmern an einer speziellen Technik, mit der die Teilnehmer sich schnell Märchen merken und frei erzählen können. „Das Ziel ist, dass die Teilnehmer als ASB-Märchenfreunde ehrenamtlich in soziale Einrichtungen wie Kitas oder Seniorenheime gehen und dort regelmäßig eine Märchenstunde anbieten.“

Was einen guten Märchenerzähler ausmacht

Bis dahin heißt es: Üben. In diesem Jahr ist es bereits die dritte Ausbildungsrunde. Geübt wird immer im kleinen Kreis von maximal acht Personen, damit alle die nötige Zeit zum Erzählen und für das nötige Feedback haben. Mitmachen können alle, die sich sozial engagieren möchten und bereit sind dafür etwas Zeit zu investieren.

„Man sollte beim Erzählen empathisch und authentisch sein, es ist wichtig, keine Rolle zu spielen. Wir üben, welche Bilder es dazu braucht“, erklärt Iris. „Wenn ich zum Beispiel den König spreche, stelle ich mir vor, einen Hermelinmantel zu tragen und halte den Kopf ganz aufrecht.“

Auf der Suche nach dem „Roten Faden”

Und falls wirklich mal etwas schief geht, zeigt Iris ihrem Kurs, wie man kleine Gedächtnislücken charmant überbrücken kann. Da wird sich dann auch mal unter den Stuhl nach dem sprichwörtlichen „roten Faden“ gebückt, um währenddessen die richtigen Worte zu finden.

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Alle Teilnehmerinnen haben einen ganz persönlichen Bezug zu Märchen. Heike erzählt, dass ihr Sohn als Kind Pseudokrupp hatte und sie ihm während der plötzlichen Hustenanfälle zur Beruhigung Märchen erzählte. Eine andere Teilnehmerin hat lange Zeit in einer Einrichtung für Demenzerkrankte gearbeitet. „Ein Märchen kann bei ihnen Erinnerungen aus der Kindheit wecken oder zumindest Gefühle von damals, die Stabilität und Geborgenheit geben“, sagt sie.

In dem Kurs wird auch freies Sprechen vermittelt

Doch die Märchen helfen nicht nur dem Publikum. Freies Sprechen vor fremden Menschen, sich komplexe Geschichten merken und wiedergeben, all das wird in der Ausbildung vermittelt. Dabei unterstützen sich alle gegenseitig und geben sich Tipps für märchenhafte Requisiten wie Klangschalen oder Deko-Stoffe.

„Es gibt keine Konkurrenz untereinander, wer am besten erzählt. Wir sind alle ein Team und das finde ich super“, sagt Heike. Gemeinsam fiebern sie auf die Premiere am Ende des Kurses hin, bei der sie ihre Märchen das erste Mal in größerer Runde vor Freunden und Familie erzählen. Danach suchen sie sich selbst eine Einrichtung, in der sie ihre Märchen erzählen.

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Es können sich aber auch Einrichtungen selbstständig beim ASB melden, die Interesse an einer Märchenstunde haben. Das Projekt soll jedoch nur ein erster Schritt sein zum eigentlichen Ziel. „Wir möchten gerne Märchen zu therapeutischen Zwecken anbieten. Dann ist das Märchen mit einem Therapeuten abgestimmt und ist Bestandteil von einem Therapieplan.“ Finanziert wird das Projekt allein durch ASB-Mitgliedsbeiträge und Spenden.