• Foto: picture alliance/dpa

Jagd nach Corona-Impfstoff: Forschung: Diese Länder stehen kurz vor der Zulassung

Die Entwicklung eines Impfstoffes gegen das neuartige Corona-Virus läuft weltweit auf Hochtouren. Ob und wann ein wirksames Präparat gefunden sein wird ist noch unklar und der Wettbewerb der Pharma-Konzerne fängt wohl gerade erst an. Die MOPO gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Dinge.

Wie läuft die Entwicklung eines Impfstoffes ab? 

Bevor ein Impfstoff für die Massenproduktion zugelassen werden kann, muss der Wirkstoff ausreichend erprobt werden. Zunächst wird der Impfstoff an Tieren getestet, erst danach wird er auch an Menschen ausprobiert. Hierzu gibt es drei Phasen zu durchlaufen: In Phase eins wird bei einer kleinen Anzahl von Testpersonen die Verträglichkeit geprüft. In der zweiten Phase wird getestet, ob bei den Probanden eine Immunantwort eintritt und wie der Wirkstoff dosiert werden muss.

Erst in der letzten Phase der Entwicklung wird die Impfung dann an mehreren tausend Personen getestet, um die Zuverlässigkeit des Schutzes zu prüfen. Wenn diese drei Entwicklungs-Phasen erfolgreich verlaufen sind, kann ein Zulassungsverfahren gestartet werden – für Deutschland und die EU ist hier die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) zuständig.

Wie viele Wirkstoffe werden aktuell getestet?

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es momentan weltweit 26 potentielle Impfstoff-Kandidaten, die klinisch getestet werden. 139 Wirkstoffe befinden sich noch in der vorklinischen Testphase. Sechs Impf-Kandidaten sind bereits in der dritten Phase der Entwicklung – darunter Wirkstoffe aus Laboren in Großbritannien, China, den Vereinigten Staaten und Deutschland.

Wie unterscheiden sich die Impfstoffe?

Unter den vielversprechenden Präparaten gibt es drei verschiedene Arten. Bei der Impfung mit Vektorviren wird das SARS-CoV-2-Virus in bekannte, unbedenkliche Viren eingebaut. So kann der Körper einen Immunschutz aufbauen, der dann auch vor einer echten Infektion schützt. Dieses Prinzip wurde bereits bei der Impfung gegen Ebola und gegen Dengue-Fieber angewandt.  

Wenn mit sogenannten Totimpfstoffen mit Virusproteinen geimpft wird, enthält die Substanz entweder inaktive Corona-Viren oder ausgewählte Virusproteine. Dieses Verfahren wird bei vielen Impfungen verwendet, beispielsweise bei der Hepatitis B oder Grippe Impfung.

Lesen Sie auch: Bundesinstitut ist zuversichtlich Hoffnung auf Corona-Impfstoff noch in diesem Jahr 

Die dritte Variante eines Impfstoffes basiert auf ausgewählten Genen des Virus‘. Sobald diese durch die Impfung in den Körper gelangen, bildet der Körper ungefährliche Virusproteine, die dann eine Immunreaktion bewirken. Ein solcher Wirkstoff wäre schnell herzustellen, allerdings gibt es bisher noch gegen keine Krankheit einen Impfstoff dieser Art.

Wie ist die Forschungslage weltweit?

Russland:

Russlands Gesundheitsminister Mikhail Muraschko teilte der staatlichen Nachrichtenagentur „Tass“ zuletzt mit, dass bereits ab Oktober mit der Massenproduktion eines Impfstoffs begonnen werden solle. Die klinischen Studien, die auch an freiwilligen Soldaten durchgeführt wurden, seien abgeschlossen, hieß es weiter. Der Impfstoff wurde vom staatseigenen „Gamaleja-Institut“ entwickelt – bisher wurden allerdings noch keine wissenschaftlichen Daten veröffentlicht, sodass eine Bewertung des vermeintlichen Erfolges noch nicht möglich ist.

Laut eines Berichts vom „Spiegel“ verstoße Russland gegen mehrere Richtlinien der WHO, unter anderem wäre der Wirkstoff nur an 76 Personen getestet worden, denen dafür hohe Gelder bezahlt wurden. Teilweise testeten die Forscher das Präparat sogar selbst. 

USA:

Das amerikanische Pharma-Unternehmen „Moderna“ hat Ende Juli den Beginn der dritten Testphase verkündet. Gemeinsam mit dem Nationalen Institut für Infektionskrankheiten soll der Wirkstoff an 30.000 Personen getestet werden. Nach Angaben des Unternehmens wird an rund 100 Testorten die Wirkung des Präparates überprüft. 2021 will „Moderna“ jährlich 500 Millionen bis eine Milliarde Dosen an die USA liefern.

Großbritannien:

Das britische Unternehmen „AstraZeneca“ startete Ende Juni in Brasilien in die dritte Phase der Entwicklung eines Corona-Impfstoffes. Nach eigenen Angaben wird der Wirkstoff außerdem an rund 10.000 Freiwilligen in Großbritannien getestet.

Der Konzern hat bereits ein Abkommen mit der sogenannten „Inklusiven Impfallianz“ (IVA), unter der Führung von Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden, geschlossen. Demnach sollen bis zu 400 Millionen Dosen an die europäischen Länder geliefert werden – die Lieferung soll bereits Ende dieses Jahres beginnen. „AstraZeneca“ versorgt die die IVA ohne Profit mit dem, von der Universität Oxford entwickelten, Wirkstoff.

China:

Im Rennen um einen Corona-Impfstoff ist die Volksrepublik China weit vorne. Gleich drei der insgesamt sechs Präparate, die es bis in die dritte Testphase geschafft haben, stammen aus China. Nach Angaben des „Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller“ wird der Wirkstoff der Firma „Sinovac“ momentan in Brasilien und bald auch in Bangladesch getestet.

Außerdem werden zwei verschiedene Wirkstoffe der Firma „Sinopharm“ klinisch erprobt. Nach Berichten des „Spiegel“ habe es allerdings Vorfälle gegeben, bei denen chinesische Hacker versucht hatten, Schwachstellen ihrer Konkurrenten auszumachen.

Ab wann kann in Deutschland mit einer Impfung gerechnet werden?

Bundesforschungsministerin Anja Kaliczek erklärte Ende Juli auf einer Pressekonferenz, dass man die nationale Impfstoff-Forschung beschleunigen und gleichzeitig die Produktionskapazitäten ausweiten wolle. Im Zuge eines Sonderprogramms zur Impfstoff-Entwicklung bekamen zwei deutsche Firmen die Genehmigung, klinische Prüfungen durchzuführen.

Im Juni begann das Unternehmen „Curevac“ mit der ersten Testphase und wird mit rund 300 Millionen Euro von der Bundesregierung unterstützt. Der Konzern „Biontech“ vermeldete hingegen im Juli bereits erste Erfolge aus der ersten und zweiten Testphase und soll bereits mehrere große Deals mit Abnehmer-Ländern wie Kanada geschlossen haben.

Lesen sie auch: Warum der Begriff gefährlich ist Virologe will nicht von „zweiter Welle“ sprechen

Gesundheitsminister Jens Spahn äußerte sich zuletzt optimistisch, was die schnelle Entwicklung eines Impfstoffes betrifft. „Wir haben sehr vielversprechende Kandidaten, sehr vielversprechende Daten. Wenn das gelänge in den nächsten Monaten, wäre das tatsächlich die schnellste Impfstoffentwicklung der Menschheitsgeschichte“, sagte der CDU-Politiker im „Morning Briefing“ Podcast des Journalisten Gabor Steingart.

Auch Professor Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts äußerte sich positiv. Gegenüber „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ sagte er: „Ich gehe derzeit davon aus, dass es Ende 2020 und Anfang nächsten Jahres Zulassungen geben wird, vorausgesetzt, die Phase-III-Prüfungsdaten sind positiv.“

Wird der Impfstoff für alle zugänglich sein?

Während einige reiche Industrieländer sich bereits jetzt Impfstoff-Kontingente sichern, haben andere Länder nicht die Mittel zur Verfügung, die Impfstoffe in großen Mengen von den Pharmafirmen zu kaufen. Um einen fairen Zugang zu Corona-Impfungen zu schaffen, gründete die WHO zusammen mit der Impfstoff-Allianz „GAVI“ und der internationalen Organisation „CEPI“ die Initiative „COVAX“.

Die Initiative, die von rund 80 Regierungen weltweit unterstützt wird, will Dosen des Impfstoffes erwerben und an 92 Staaten mit niedrigem oder mittlerem Einkommen gerecht verteilen. Bis 2021 sollen so zwei Milliarden Impf-Dosen ausgeben.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp