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Rassismus: Womit schwarze Menschen in Hamburg konfrontiert werden

Wütende Proteste, ein irrlichternder Präsident: Der Tod von George Floyd durch die Hand eines Polizisten hat mal wieder gezeigt, wie tief der Rassismus in der US-Gesellschaft verankert ist. „Zum Glück lebst du in Deutschland“, kriegen viele dunkelhäutige Deutsche in diesen Tagen von ihren weißen Freunden zu hören. Ein Satz der viele ärgert. Denn: Auch bei uns sind Vorurteile und Diskriminierungen ein alltägliches Problem.

Elian Stutte ist 19 Jahre alt und wohnt in Groß Flottbek. Sein Abitur hat der in Hamburg geborene Sohn eines deutschen Journalisten und einer Erzieherin aus Südafrika an einer Privatschule im Westen der Stadt gemacht. „Erfahrungen mit Rassismus, wenn man damit offene Anfeindungen meint, habe ich eigentlich bislang selten gemacht“, sagt der angehende Geschichtsstudent rückblickend über seine Schulzeit.

Erst seit er sich um Nebenjobs bemüht, ist die Situation anders. „Dass man mit einer anderen Hautfarbe abgelehnt wird, spürte ich erstmals deutlich, als ich mich im Elbe-Einkaufszentrum um Jobs als Verkäufer beworben habe“, so Stutte. Telefonisch seien die Bewerbungsgespräche stets super gelaufen. Doch kam es dann zum direkten Kontakt, hagelte es Absagen.

„Sorry, wir haben leider gerade keinen Job zu vergeben“, bekam der 19-Jährige schon mehrmals zu hören. Und das obwohl die Stellen vorher öffentlich ausgeschrieben waren.

Alltagsrassismus Hamburg

Diskriminierungen bei der Job-Suche: Elian Stutte (19) aus Groß Flottbek.

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privat/hfr

„Mit zunehmendem Alter werde ich aufmerksamer, was diesen latenten Rassismus betrifft“, stellt Elian Stutte fest. „Wenn fremde Menschen zum Beispiele diese ,What’s-up-Bro-Nummer‘ fahren, also eine Verbundenheit vorspielen, die gar nicht da ist.“

Auch mit der Polizei hatte der junge Groß Flottbeker schon negative Erfahrungen. Dann, wenn er mit Freunden unterwegs war, aber nur er aus der Gruppe herausgepickt wurde. In unfreundlichem Befehlston habe er sich dann ein „Ausweis zeigen!“ anhören müssen. „Sie haben mich behandelt wie einen gesuchten Verbrecher“, sagt Stutte.

Jan Akpalo: „Sie denken, ich will sie bestehlen“

Auch Jan Akpalo aus Eidelstedt, dessen Eltern aus Benin stammen, muss im Alltag immer wieder rassistische Anfeindungen über sich ergehen lassen. „Es sind kleine Vorfälle, die in der Summe aber schon nerven“, erzählt der 19-Jährige. „Zum Beispiel stand ich in der Schlange bei McDonald’s und die Leute zogen ihre Tasche weg von mir, ich könnte ja was klauen.“

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Student Jan Akpalo (19) aus Eidelstedt wird auf der Straße oft für einen Dealer gehalten.

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hfr

Akpalo steht kurz vor dem Beginn seines Studiums der Stadtplanung. Er kommt aus gutem Hause. Sein Vater arbeitet als Entwickler bei Airbus. Doch auf der Straße ziehen die Menschen die Gleichung: dunkle Haut = Krimineller. „Oft werde ich gefragt, ob ich Gras verkaufen könnte, weil man mich für einen Dealer hält“, erzählt der junge Mann aus Eidelstedt.

Nicht einmal seine deutsche Muttersprache ist eine Selbstverständlichkeit. Oft werde er zu Gesprächsbeginn gefagt, ob er Deutsch spreche. Einmal war Akpalo mit seinem Vater in einem Hotel in München. „Die Frau an der Rezeption hat mich und meinen Vater in Englisch angesprochen, wir haben auf Deutsch geantwortet. Das ging dann das ganze Gespräch so weiter, wir sprachen Deutsch und sie Englisch mit bayerischem Akzent“, erinnert sich Akpalo und lacht über die Absurdität der Situation.

Philip Oprong’ Spenner: „Als ,Neger‘ beschimpft“

Für den Hamburger Lehrer Philip Oprong’ Spenner, der als Jugendlicher aus Kenia nach Hamburg kam und der mit seiner weißen Frau drei Kinder hat, ist der Rassismus manchmal unerträglich. Bei einem Spaziergang im Naturschutzgebiet Wittmoor wurden seine Kinder (9, 7 und 2 Jahre alt) vor ein paar Wochen von einem Radfahrer als „Neger“ beschimpft.

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Philip Oprong‘ Spenner (41) ist Lehrer an einer Hamburger Stadtteilschule.

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Ulrike Schmidt

„Mein Sohn hat sehr geweint“, erzählt Spenner. Gerade für Kinder, die bei Konflikten dazu neigen, die Schuld bei sich selbst zu suchen, ist es hart. „Er sagte immer nur: Ich hab doch nichts getan. Ich hab doch nur gespielt“, erzählt der 41-Jährige.

Spenner hätte gerne mit dem Radfahrer gesprochen. Ihn gefragt, was ihn so wütend macht. Doch nach der Pöbel-Attacke fuhr der Mann schnell auf und davon.

Oft sei der Rassismus viel subtiler. Und deshalb nicht weniger verletzend. Dann zum Beispiel, wenn Philip Oprong’ Spenner einfach ignoriert wird. „Einmal war ich mit einer Bekannten im Restaurant“, erinnert er sich. „Obwohl ich bezahlt habe, hat die Bedienung an mir vorbeigeguckt und nur mit meiner – weißen – Begleitung gesprochen.“ Ähnlich war es einmal bei einem Bank-Besuch, wo der Berater über Oprong’ Spenner immer nur in der dritten Person sprach, ohne sich direkt an ihn zu wenden.

Aber es gibt auch gute Momente. Als der Lehrer aus Poppenbüttel einmal in einer Schlange wartete und vom Verkäufer mehrfach übergangen wurde, meldete sich von hinten ein anderer Kunde: „Ich glaube, der Herr ist jetzt dran!“ Das hat Philip Oprong’ Spenner nicht vergessen.

Es sind Momente wie diese, weshalb Oprong’ Spenner trotz allem froh ist, in Deutschland zu leben. „Auf Mallorca war ich mal spazieren. Da hat jemand Hunde auf mich losgelassen. Und in Irland wollte ich einparken, als ein Mann aus dem Haus kam und schimpfte, ich solle woanders parken. Dann kamen mehrere Passanten und fragten den Mann, was los sei und ob er Unterstützung brauche“, sagt Oprong’ Spenner fassungslos. Automatisch hatten sie den Weißen als Opfer gesehen und den Schwarzen als Übeltäter, obwohl es andersherum war.

Oprong’ Spenner ist dabei, ein Buch über seine Erfahrungen zu schreiben. „Dennoch bin ich stolz!“ soll spätestens im Frühjahr erscheinen. Es ist bereits das zweite Buch des 41-Jährigen, der es vom Straßenkind in Kenia zum Lehrer in Hamburg schaffte. Von diesem steinigen Weg handelt sein erstes Buch „Move on up“.

Oprong’ Spenner ist zuversichtlich: „Ich denke, die Gesellschaft lernt immer mehr, Anderssein als Bereicherung zu sehen und nicht als Bedrohung.“ Seine Bücher sollen dabei helfen.

Marvin  Willoughby: „Viele stehen stumm daneben“

Rassistische Anfeindungen hat Marvin Willoughby schon lange nicht mehr erlebt. Der 42-jährige gebürtige Wilhelmsburger, dessen Vater aus Nigeria kommt, die Mutter aus Deutschland, sieht dafür zwei Gründe: Einmal seine Größe und Statur – Willoughby ist 2,02 Meter groß, kräftig und hat eine selbstbewusste Ausstrahlung. Und zum anderen seine gesellschaftliche Stellung: Er ist sportlicher Leiter des Basketball-Bundesligisten Hamburg Towers.

Marvin Willoughby

„Die Mehrheitsgesellschaft muss aufstehen“: Marvin Willoughby (42), sportlicher Leiter von Basketball-Bundesligist Hamburg Towers.

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dpa

„Natürlich ist Rassismus nicht nur in den USA ein großes Thema, sondern auch in Deutschland. Ich weiß, dass es anders wäre, wenn ich eine 1,60 Meter große Frau mit Kopftuch wäre“, sagt Willoughby, der in seiner Kindheit durchaus Anfeindungen erlebt hat.

„Das Problem sind aber nicht die Rassisten, denn sie sind im Verhältnis wenige“, meint der Towers-Chef. „Das Problem sind die Leute, die stumm danebenstehen. Damit meine ich die Mehrheitsgesellschaft, die die diskriminierenden Einstellungen akzeptieren, ohne dagegen aufzustehen.“ Leute, die nichts dagegen tun, dass Menschen nicht eingestellt werden, weil sie einen arabischen Nachnamen haben oder die aus demselben Grund keine Wohnung finden.

Für Willoughby ist das Herausragende an den Demonstrationen in den USA, dass so viele Weiße dabei sind. Weiße, die sich mit ihren dunkelhäutigen Mitbürgern solidarisieren. Die zeigen: Wir tragen den Rassismus gegen unsere Landsleute nicht mit!

„Das muss hier auch passieren, sagt Willoughby. Auch hier müssen die Edgar Müllers und die Heinrich Schmidts laut sagen: ,Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der die Hautfarbe, der Name oder die Religion keine Rolle spielt.‘“ Erst wenn die Mehrheitsgesellschaft deutlich Position bezieht, könne es zu einem Wandel kommen, der ein friedliches Miteinander auf Augenhöhe ermöglicht.

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