Neuer Lockdown droht: Was wir diesmal besser machen (müssen)
Der Satz lässt nicht nur Eltern und Gastronomen den Atem stocken: „Wir sind dem zweiten Lockdown eigentlich viel näher, als wir das wahrhaben wollen“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach dem Treffen von Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten. „Bitte nicht nochmal“, ist der erste Gedanke. Und wenn doch, dann bitte nicht so wie im Frühjahr. Fünf Dinge, die Hamburg im Ernstfall diesmal anders machen muss – und auch kann.
1. Schulen offen lassen: Von einzelnen Ausbrüchen abgesehen, haben Schulen sich nach ihrer Öffnung nicht als die befürchteten Viren-Hotspots herausgestellt. Seit Schuljahresbeginn waren insgesamt 106 Hamburger Klassen oder Teilklassen in Quarantäne, von insgesamt 9.500 Klassen.
Sollte es dennoch erneut zu einer derzeit unwahrscheinlichen generellen Schulschließung kommen, ist Hamburg deutlich besser vorbereitet als im Frühjahr. Damals hing die Qualität des Fernunterrichts stark von der Ausstattung der einzelnen Schulen und der heimischen Gerätschaften von Lehrern und Schülern ab. Viele Kinder haben Zuhause selbstverständlich ein eigenes Tablet, ihre Altersgenossen aus ärmeren Stadtteilen mussten sich ein elterliches Smartphone mit den Geschwistern teilen.
Das ist jetzt anders: Vor den Sommerferien haben Hamburgs Schulen mehr als 38.000 zusätzliche Tablets und Notebooks bestellt, davon rund 15.000 für Grundschulen, 10.000 für Gymnasien, 12.000 für Stadtteilschulen und 1000 für Sonderschulen. Damit stehen Hamburgs Schülerinnen und Schülern nun 50.000 schulische Geräte zur Verfügung, das ist die beste Ausstattung aller Bundesländer. Außerdem werden wöchentlich immer mehr Schulen an die Lernplattform „Lernen Hamburg“ angeschlossen, die digitales Lernen ermöglicht – was nichts mit den im Frühjahr oft nur abfotografierten Aufgabenzetteln zu tun hat.
2. Senioren nicht abschotten Die geliebten Eltern und Großeltern nicht mehr im Alters- oder Pflegeheim besuchen zu dürfen, das war für viele Hamburger im Lockdown kaum auszuhalten. Die Senioren-Union Hamburg fordert, Bewohner und Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen durch Corona-Schnelltests besser zu schützen: „Wir haben leidvoll erlebt, wie das Virus in Alten- und Pflegeheimen gewütet und zu viele Menschenleben gekostet hat. Das darf nie wieder geschehen. Unsere Pflegebedürftigen haben Anspruch auf Sicherheit und Schutz, aber auch auf menschliche Zuwendung vor allem durch die Angehörigen“, so die Landesvorsitzende Herlind Gundelach. Laut Sozialbehörde ist nicht geplant, die Besuchsregelungen zu verschärfen. Derzeit haben die Heimbewohner Anspruch auf wöchentlich drei Stunden Besuch, von maximal zwei Besucher gleichzeitig, wobei es insgesamt nur 15 Minuten „unmittelbaren Körperkontakt“ geben darf.
3. Kein Hamstern, bitte Die leeren Klopapierregale in Hamburger Supermärkten wurden zum Symbolbild des Lockdowns, unter der Hand wurden Tipps weitergegeben, welche Drogeriemärkte noch ein paar Rollen im Angebot hatten. Derzeit soll die Nachfrage wieder ansteigen, so „Aldi Süd“ gegenüber der „Wirtschaftswoche“. In Hamburg ist die Situation entspannt, wie Budni-Sprecherin Wiebke Spannuth auf MOPO-Nachfrage sagt: „Wir spüren keinen signifikanten Anstieg der Nachfrage, weder nach Klopapier, noch nach Desinfektionsmitteln. Und selbst wenn, sind wir gut darauf vorbereitet.“
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Was die Hamburger tatsächlich vermehrt einkaufen, sind Masken: „ Wir stellen eine erhöhte Nachfrage nach MNS-Masken fest“, so Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg zur MOPO. Engpässe gebe es aber aus heutiger Sicht nicht zu befürchten: „Trotz der hohen Nachfrage zeichnet sich derzeit keine Null-Versorgung ab.“ Auch Desinfektionsmittel müsse niemand hamstern, anders als im Frühjahr ist der Nachschub gesichert, so Hamburgs Apotheker-Präsident: „Die industrielle Produktion der bekannten Marken läuft auf absoluten Hochtouren im Mehrschichtbetrieb.“ Und sollte das nicht mehr ausreichen, könnten die Apotheker selbst aushelfen: Die Bundesanstalt für Arbeitsmedizin hat die Berechtigung der Apotheken, Desinfektionsmittel selbst herzustellen, durch eine neue Allgemeinverfügung verlängert.
4. Das neue Wissen nutzen Ja, es hieß zu Beginn des Lockdowns, dass Masken jenseits des Medizinbetriebes nicht sinnvoll sind. Aber Wissenschaft heißt auch, dass Überzeugungen überprüft und verworfen werden. Inzwischen ist es unstrittig, dass das Virus sich in einer Masken tragenden Bevölkerung weniger schnell verbreitet und jeder, der seine potentiell infektiöse Atemluft nicht hemmungslos in die Gegend bläst, seine Mitmenschen schützt. Wir wissen, dass Aerosole sich durch Lüften vertreiben lassen und dass das ständige Händedesinfizieren sogar dazu führt, dass man generell weniger Infekte bekommt. Dieses Wissen nicht zu nutzen, weil Masken und Lüften nerven? Das wäre ja bekloppt.
5. Gelassenheit bewahren Der Lockdown im Frühjahr war beängstigend, eine Bedrohung, die sich noch Monate vorher keiner hätte vorstellen können. Inzwischen wissen wir mehr. Wir haben gesehen, dass es gelingen kann, die Infektionskurve auch wieder steil nach unten fallen zu lassen, dass die Disziplin belohnt wird. Maßnahmen, die Familien extrem belastet haben, die geschlossenen Schulen und Kitas, das Besuchsverbot in den Pflegeheimen, werden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr erlassen, weil Kosten und Nutzen in keinem Verhältnis stehen. Auch das sind Erkenntnisse, die es zu Beginn der Pandemie noch nicht gab. Es wird ein harter Herbst und vermutlich wird Weihnachten anders als je zuvor. Aber wir haben das Glück, diese Pandemie in einem reichen Land mit einer stabilen Demokratie zu erleben. Sollte man nicht vergessen.