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Erfolg zu hohem Preis: Top-Model aus dem Norden sollte Drogen gegen den Hunger nehmen

Demnächst beginnen in Berlin die Dreharbeiten für die neue Staffel von „Germany’s Next Topmodel“. Bei der Ausstrahlung werden wieder viele junge Frauen mitfiebern und von einer Karriere vor der Kamera träumen. Sie sollten das Buch von Anne-Sophie Monrad (29) lesen. Die Flensburgerin war jahrelang international erfolgreiches Model. Sie hat nun ein Buch über diese Zeit geschrieben – eine Abrechnung. Und eine Warnung. 

Cover Fashion Victim

„Fashion Vicitim“ ist im dtv-Verlag erschienen, es kostet 16,95 Euro. 

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hfr

„Fashion Victim“ (dtv-Verlag) heißt das Werk, ein schönes Wortspiel. Eigentlich werden so Modefans bezeichnet, aber man kann es auch als Mode-Opfer übersetzen. Auch Anne-Sophie Monrad hat gelitten in dieser Branche, die den jungen Frauen vorspielt, nur das Beste für sie zu wollen. Dabei geht es vor allem um Geld. 

Anne-Sophie Monrad: Model rechnet mit Modebranche ab

Ihre Karriere startet rasend schnell. Schülerin Anni, wie sie von Freunden genannt wird, verfolgt im Fernsehen Heidi Klums Topmodel-Show. Damals ist sie 17 Jahre alt und ein bisschen unglücklich über ihre Größe von 1,81 Metern. Die spannenden Reisen, die die Kandidatinnen der TV-Show unternahmen, die glamourösen Kleider, das tolle Make-up – die Schülerin ist fasziniert. 

Anne-Sophie Monrad für Joop

Hier lief sie für das Label „Wunderkind“ von Wolfgang Joop.

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Kurz darauf gibt es in Flensburg einen Model-Wettbewerb. Anne-Sophie Monrad meldet sich an. Zwar gewinnt sie nicht, man hat aber trotzdem Interesse an ihr. „Die Agentur sagte mir, sie fände mich toll, für einen Vertrag müsste ich aber abnehmen“, sagt sie im Gespräch mit der MOPO. Noch am selben Abend fängt die schlanke Schülerin an, weniger zu essen. 

Buch „Fashion Victim“: Wie eine Schülerin zum Model wird

Sie nimmt ab und ab, mit 18 Jahren unterschreibt sie ihren ersten Model-Vertrag und fliegt bald um die Welt. Die junge Frau ist auf Covern der Vogue, arbeitet mit berühmten Fotografen wie Ellen von Unwerth, lässt sich für Werbekampagnen für Chanel, Vivienne Westwood und Nina Ricci fotografieren, schwebt über die Laufstege für Designer wie Armani, Issey Miyake, Escada und viele mehr. Sie lebt in New York und in Paris. Glamour-Job und Glamour-Leben. Doch in ihrem Buch schreibt die Flensburgerin über immensen Druck, Essstörungen, Tränen und gesundheitliche Probleme. 

„Ich merkte schnell, was es heißt, ein Model zu sein: Ich musste funktionieren, jederzeit bereit sein – auch nachts. Ich musste Körpermaße haben, die kaum eine erwachsene Frau von Natur aus hat“, schreibt sie in ihrem Buch. Immer wird ihr eingebläut: „Du musst dünn sein, damit deine Karriere am Laufen bleibt“. Sie hat Konfektionsgröße 32 und wiegt gerade mal 52 Kilo. 

Anne-Sophie Monrad: Essen kauen und wieder ausspucken

Anne-Sophie Monrad beschreibt in dem Buch, wie sie Sport bis zum Umfallen betrieb, sich Folie um die Beine und Hüfte wickelte, weil man damit angeblich das Fett ausschwitze, nur noch Saft trank und Essen nach dem Kauen wieder ausspuckte. Trotzdem wird sie als „Fatty“ beschimpft und ihre Beine als „Löwenschenkel“ bezeichnet. 

Anni Monrad Editorial-Shoot_(c) Lina Tesch (1)

Anne-Sophie Monrad bei einem Fotoshooting. 

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Lina Tesch

„Ich war unterernährt und hatte viele traurige Momente“, sagt sie im Gespräch mit der MOPO. Sie erinnert sich an ein Shooting in L.A. „Danach saß ich im Flugzeug in Richtung Heimat, weil ich am nächsten Tag in die Schule musste. Ich weinte die ganze Zeit, weil ich nur daran dachte, dass ich weiter abnehmen musste“, sagt sie.

Darum machte Top-Model Anne-Sophie Monrad weiter

Warum sie nicht einfach hinwarf? „Ich wollte ja Model sein, ich war total geblendet. So ist das halt, dachte ich. Und wenn ich das nicht alles mitmache, kommt halt die nächste“, sagt sie. Man rät ihr, Hüftspeck absaugen zu lassen und bietet ihr Drogen an, damit sie den Hunger nicht mehr spürte. „Ich versuchte stark zu bleiben, die Kritik an meinem Körper nicht persönlich zu nehmen, und fuhr fort, ihn gleichzeitig zu zerstören“, schreibt sie.

Anne-Sophie Monrad heute

Heute fühlt sich Anne-Sophie Monrad wieder gesund.   

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Helge Henry Branscheidt

Das ewige Hungern führt dazu, dass ihr Körper aus dem Gleichgewicht gerät. Sechs Jahre lang bekommt das Model seine Periode nicht. In der Agentur wird das belächelt. „Wenn ich meine Periode bekam, war das für mich ein Zeichen, dass ich wieder abnehmen musste“, sagt sie. Ihre Östrogenwerte entsprachen denen einer 50-Jährigen – ihre Ärztin rät ihr dazu, die Pille zu nehmen.

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Im Jahr 2018 erkrankt ihr Vater schwer, eine Modelfreundin muss ins Krankenhaus – hätte sie noch weniger gewogen, hätte sie vielleicht nicht überlebt. Anne-Sophie Monrad erkennt, wie wertvoll Gesundheit ist und dass ihre Branche Menschen krank machen kann. 

Ein Insta-Posting war der Anfang vom Ende

Kurz darauf zieht sie dann die Reißleine. Anlass ist ein Posting auf Instagram während der New York Fashion Week. „Ich habe in dem Insta-Post die dünnen Beine der Mädchen gesehen. Ich weiß, wie die Models sich da fühlen nach vier Wochen Fashion Week und wie die Booker sich feiern“, erinnert sie sich. Wutentbrannt schreibt sie unter dem Posting über den Druck und Magerwahn in ihrer Branche und was es mit den Frauen macht, danach schmeißt sie hin. 

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Die Reaktionen auf ihr Buch: durchweg positiv. „Von vielen Kolleginnen habe ich die Rückmeldung bekommen, dass sie mich mutig finden“, sagt sie. Viele würden genau wie sie denken, es aber nicht aussprechen – aus Angst, keine Aufträge mehr zu bekommen.

Modeln: Ein Traum- oder Albtraum-Beruf? 

Modeln, ein Albtraum-Job? „Ich finde den Beruf nach wie vor toll. Aber das Business ist knallhart, man wird ohne Vorbereitung hineingeworfen“, sagt sie. Zu Hause sagte sie immer, ihr gehe es gut. Ihre Mutter, eine Pastorin, weinte, als sie die ersten Kapitel zu Gesicht bekam. Neu-Einsteigerinnen in die Branche rät die Flensburgerin, sich mehrere Agenturen anzusehen, auf Augenhöhe zu verhandeln und den Mut zu haben, auch mal Nein zu sagen. Und: auch mal Urlaub zu machen. 

Es gab ja auch schöne Momente, wie sie beschreibt. In coole Clubs eingelassen zu werden, ohne in der Warteschlange stehen zu müssen, die Freundschaften zu anderen Models, den Augenblick, sich selbst als Gesicht in einer Parfüm-Kampagne von Chanel zu sehen. 

Mittlerweile hat Anne-Sophie Monrad sich zur Ernährungsberaterin ausbilden lassen – auch, um selbst gesundes essen wieder zu lernen. Sie lebt jetzt in Berlin und ist auch manchmal in Hamburg, wo ihre neue Agentur ist. Denn sie modelt wieder. Sie wertschätzt ihren Körper nun so, wie er ist und arbeitet nur noch für Kunden, die das auch tun. Sie sagt: „Ich bin jetzt mit mir im Reinen. Ich modele jetzt so wie ich bin: gesund.“ Ihre Waage hat sie weggeworfen.

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