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Bars, Schulen, Büro: Was droht Hamburg im Corona-Herbst, Frau Leonhard?

Pünktlich zum Start der Corona-Pandemie übernahm sie im Senat die Aufgabe der Krisenmanagerin – aktuell beschäftigt sich Sozial- und Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) fast ausschließlich mit Kurven und Sicherheitsmaßnahmen, Verstößen und Infektionsherden. Im MOPO-Gespräch gibt sie einen Ausblick auf das, was Hamburg im Corona-Herbst erwartet.

MOPO: Frau Leonhard, wann waren Sie zuletzt in einer Bar? 

Melanie Leonhard: Das letzte Mal in einer Kneipe war ich nach dem Sommerurlaub, als man noch draußen sitzen konnte. Damals herrschte noch ein hohe Regeltreue, es gab große Abstände zwischen den Tischen und kaum saß man, hatte man schon das Kontaktformular vor sich liegen.

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Der Anwohnerverein „Standpunkt.Schanze“ sieht die Corona-Ausbrüche in der Schanze in der Verantwortung von Bezirksamt und Polizei.

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Das hat sich inzwischen verändert.

Ja. Der Großteil der Hamburger Gastronomen bemüht sich, alles richtig zu machen. Trotzdem musste die Polizei zuletzt in den Hotspots in Kiez und Schanze zahlreiche Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Gäste und Barbetreiber einleiten, acht Läden wurden geschlossen.

Vorletztes Wochenende mussten die Kontrollteams zwei Mal in einer Nacht kommen und feststellen, dass weder Ermahnungen noch Bußgelder etwas bewirkt haben. Die Situation steht derzeit auf Messers Schneide und wir waren über die Lässigkeit, man kann schon sagen, Unverfrorenheit, an einigen Stellen negativ überrascht.

Am vergangenen Wochenende gab es Dutzende weiterer Kontrollen, und ich will klar sagen: Alle Wirte müssen auch weiterhin damit rechnen.

Wann wäre der Punkt erreicht, an dem Sie alle Bars wieder schließen lassen?

Wenn sich das Infektionsgeschehen verschlechtert, muss man zunächst weitere Maßnahmen überlegen, etwa, dass Alkohol nicht mehr im Stehen konsumiert werden darf, oder nicht mehr nach einer bestimmten Uhrzeit. Schlimmstenfalls muss auch über eingeschränkte Öffnungszeiten gesprochen werden. Aber das wünscht sich keiner.

Wir wollen, dass die Menschen ausgehen und es sich gut gehen lassen. Aber wir müssen dabei Regeln einhalten. Was passiert, wenn die Infektionen außer Kontrolle geraten, sieht man ja in Madrid: totaler Lockdown. Einen Mund-Nasen-Schutz tragen und eine Kontaktliste ausfüllen sind doch ein sehr geringer Preis dafür, dass wir weiter in eine Bar gehen dürfen.

Was kommt im Corona-Herbst auf uns zu?

Im Herbst mischt sich das normale Infektionsgeschehen mit Corona. Das bedeutet: Jeder, der Erkältungssymptome hat, muss zu Hause bleiben. Sich wie früher mit Husten und Schnupfen ins Büro zu schleppen, geht nicht mehr.

Es wird in den allermeisten Fällen eine Erkältung sein, aber es kann sich eben auch um eine Corona-Infektion handeln. Wir appellieren außerdem an die Risikogruppen, das Angebot der Grippeschutzimpfung unbedingt anzunehmen.

Cororna-Party: An den Wochenenden wird es in der Schanze und auf dem Kiez voll.

Symbolbild

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Welche weiteren Maßnahmen haben die Hamburger bei steigenden Infektionszahlen zu erwarten?

Wenn ein bestimmtes Infektionsgeschehen dauerhaft überschritten wird, wäre etwa ein Volksfest wie der Dom nicht mehr möglich, dann stünden auch die Weihnachtsmärkte in Frage. Wir müssten über eine Maskenpflicht in allen öffentlichen Gebäuden sprechen und die Möglichkeiten für private Feiern wieder einschränken.

Schulen sollen alle 20 Minuten lüften, ist das nicht eine Zumutung im Winter?

Das ist sicher unangenehm kalt und stört den Ablauf, aber schlimmere Zumutungen haben andere zu tragen: Die Bewohner in Pflegeheimen, die ihre Angehörigen nur eingeschränkt sehen können. Oder Servicekräfte, die den ganzen Arbeitstag eine Maske tragen müssen.

Anderes Thema: Hamburg hat bisher nur acht Menschen aus dem Flüchtlingslager Moria aufgenommen. Warum so wenige? Hamburg wollte doch 500 aufnehmen.

In dieser Woche kommen weitere Menschen. Wie viele, entscheidet das Bundesinnenministerium. Die Bundesrepublik hat sich bereit erklärt, 1500 Flüchtlinge aus Moria aufzunehmen. Sie werden gemäß des Anteils an der Bevölkerung verteilt – unsere Zusage steht, noch mehr Menschen aufzunehmen.

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Flüchtlinge aus dem Camp Moria kommen am Flughafen Hannover an.

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Julian Stratenschulte/dpa

1500 – finden Sie die Zahl plausibel angesichts der Lage in Moria?

Deutschland hat mit dieser Zahl den Anstoß gegeben. Ich hätte mir mehr gewünscht. Aber, es gibt eine Gesamtverantwortung für das Thema und der Druck auf die anderen europäischen Länder lässt nach, je stärker Deutschland sich engagiert.

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Außerdem: Wir reden über Menschen, die jetzt über ein eigenes Aufenthaltsrecht nach Deutschland geholt werden, während andere immer noch auf ihr Verfahren warten. Das ist auch für die verschieden Flüchtlingsgruppen nicht konfliktfrei – und am Ende eine Frage der Gerechtigkeit.

Einige Bundesländer und Kommunen wären bereit, Flüchtlinge auch ohne die Zuweisung durch den Bund aufzunehmen. Warum lehnt die SPD das ab?

Weil es das Ende der bundesdeutschen Flüchtlingspolitik wäre. Ich halte es für falsch, dass es allein von den politischen Opportunitäten in den einzelnen Bundesländern abhängt, ob sie in einer Krisensituation mehr Flüchtlinge aufnehmen. Was machen wir mit den Kommunen, die am liebsten gar keine Geflüchteten aufnehmen wollen?

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