Notbesetzung: Neue Bürgerschaft tagt beim ersten Mal als Schrumpf-Parlament
Altstadt –
Die neue Hamburgische Bürgerschaft ist zu ihrer ersten Sitzung im Rathaus zusammengekommen. Allerdings ist sie wegen der Corona-Pandemie nur in Schrumpf-Besetzung erschienen. So soll sich das Infektionsrisiko im Plenarsaal möglichst gering halten. Es nahmen nur rund 74 der 123 neu gewählten Abgeordneten teil. Zur Präsidentin wurde erneut Carola Veit (SPD) gewählt.
„Konstituierende Sitzungen sind eigentlich immer Hochtage der Demokratie. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation haben die Fraktionen aber gemeinsam den schweren Entschluss gefasst, dass nur ein Teil der Abgeordneten an der Bürgerschaftssitzung teilnimmt“, so Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion. „Diese Maßnahme war nur möglich, weil Abgeordnete auf ihre – mitunter erste – Teilnahme an einer Bürgerschaftssitzung freiwillig verzichtet haben.“
Die Bürgerschaft komme in ihrer 22. Legislatur in Zeiten einer „schweren Krise“ zusammen, die andere wichtige Themen in den Hintergrund drängen, sagte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit in ihrer Antrittsrede. „Die Situation unter der Corona-Pandemie ist ernst. Viele Menschen sind krank, etliche bereits gestorben. Und es ist ja keine Schwarzmalerei festzustellen, das geht noch lange weiter und das wird noch schlimmer.“
Hamburgische Bürgerschaft gegen Rassismus
Alterspräsidentin Dagmar Wiedemann hatte die Sitzung eröffnet. Die 70 Jahre alte SPD-Politikerin appellierte an die Abgeordneten, den politischen Diskurs „hart, aber mit Respekt“ zu führen. „Unterschiedliche Positionen sollen sichtbar werden.“ Über eine Sache müsse man sich aber einig sein: „Hamburg ist ein freiheitlicher, demokratischer und toleranter Rechtsstaat. Hier ist kein Platz für Rassismus, Ausgrenzung und Hass.“
Die deutsche Vergangenheit habe auch jüngst gezeigt, dass bei demokratischen Wahlen nicht immer nur demokratische Abgeordnete gewählt würden, sagte Wiedemann. „Aber geben wir jedem und jeder Abgeordneten, die in diese Bürgerschaft gewählt wurde, die Chance, zu beweisen, dass sie es sind.“
Erste Sitzung: Nur Tschentscher und Fegebank im Rathaus dabei
Seitens des Senats nahmen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) teil. Die nur knapp anderthalbstündige Notsitzung war nötig geworden, da sich die Bürgerschaft laut Landesverfassung binnen vier Wochen nach der Wahl vom 23. Februar konstituieren muss. Neben der Wahl der Präsidentin stand nur noch die Einsetzung von Kontrollgremien und Ausschüssen auf dem Programm.
Kurz vor der Sitzung waren die Fraktionen zu informellen Sitzungen zusammengetroffen, um ihre Vorstände neu zu bestimmen. Bei der CDU wurde der bisherige Vize Dennis Thering einstimmig zum neuen Fraktionschef gewählt. Die Rolle der CDU in der neuen Bürgerschaft, die bei der Wahl auf historisch schlechte 11,2 Prozent gekommen war, bezeichnete er als „Herkulesaufgabe“. „Jedem CDU-Abgeordneten stehen fast sechs Abgeordnete von SPD und Grünen sowie Senatoren, Staatsräte und Behörden gegenüber.“
Konstituierende Sitzung: Thering neuer Fraktionschef der CDU
Die CDU ist nur noch mit 15 Abgeordneten in der neuen Bürgerschaft vertreten. Die SPD stellt 54, die Grünen 33, die Linke 13 und die AfD sieben Abgeordnete. Die FDP war zwar an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, ist aber mit der früheren Fraktionschefin Anna von Treuenfels, die ein Direktmandat erhielt, weiter im Stadtparlament vertreten.
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Die Linksfraktion bestätigte zunächst ihre bisherigen Fraktionsvorsitzenden Cansu Özdemir und Sabine Boeddinghaus bis zu Neuwahlen, „wenn die Lage entspannter ist“, spätestens aber in sechs Monaten. Bei der AfD wurden Parteichef Dirk Nockemann und Alexander Wolf erneut als Doppel-Fraktionsspitze gewählt.
Koalitionsverhandlungen wegen Corona verschoben
Auch bei SPD und Grünen werden die alten Fraktionschefs Dirk Kienscherf und Anjes Tjarks die Geschäfte zunächst weiterführen. Hier sollen die Koalitionsverhandlungen abgewartet werden, um sich daraus eventuell ergebende personelle Wechsel in den neuen Senat berücksichtigen zu können. Beide Parteien hatten sich darauf verständigt, den Start der Koalitionsverhandlungen wegen der Coronakrise um mindestens zwei Wochen zu verschieben.
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