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Belastungsprobe für Ehen: Corona-Krise: Kommt jetzt eine Scheidungswelle?

Wochenlanges Zuhausebleiben und Verzicht auf soziale Kontakte: Die Corona-Maßnahmen stellen viele Hamburger vor ungewohnte Herausforderungen. Paare und Familien verbringen so viel Zeit wie selten miteinander und das bleibt nicht ohne Folgen. Die soziale Isolation wird für manche Ehe derzeit zur Belastungsprobe. Steigt deshalb jetzt die Scheidungsrate in Hamburg? Die MOPO fragt bei Hamburger Experten nach.

Eins ist jetzt schon klar: Die Corona-Krise bleibt nicht ohne Folgen. Die Frage ist, ob Hamburg eher einen Babyboom oder zahlreiche Scheidungsanträge zu erwarten hat. Die Anwälte sind sich einig, dass die Situation für Familien eine besondere Belastung ist.

„Die Kinder sind zu Hause und die Eheleute verbringen wegen Homeoffice oder Kurzarbeit mitunter plötzlich den ganzen Tag miteinander. In solchen Situationen kann es vermehrt zu Streitigkeiten kommen und Ehepartner denken plötzlich viel über die Beziehung nach“, erklärt Marjam Waladan, promovierte Fachanwältin für Familienrecht in Hamburg. Dies könne im Ergebnis zu einer höheren Zahl von Scheidungen führen.

Corona-Krise: Folgt eine Scheidungswelle?

Auch Marko Oldenburger, promovierter Fachanwalt für Familienrecht in der Kanzlei Rose und Partner, schließt einen Anstieg der Scheidungsrate nicht aus. Bereits in der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass sich nach längeren Ferienpassagen die Fallzahlen der Scheidungen erhöhen.

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Bislang können weder Oldenburger noch Waladan eine höhere Mandantenzahl in ihren Kanzleien verzeichnen, es gebe allerdings Anzeichen. „Erste Anfragen in den letzten Tagen zeigten, dass offensichtlich einige Eheleute die viele Zeit genutzt haben, um ihre Beziehungssituation zu reflektieren und quasi eine ‚Bilanz‘ gezogen haben“, berichtet Waladan der MOPO.

Hamburg: Ansturm auf Paarberatung

Für manches Paar ist vor der Scheidung zunächst die Paarberatung die erste Anlaufstelle. Bei „ebbeflut“ von Claudette Sinn seien nach den ersten Lockerungen bereits vermehrt Anfragen eingegangen, berichtet die Therapeutin. Dass es zu Streitereien innerhalb der Quarantäne kommt, liegt für sie auf der Hand: „Jede Ausnahmesituation ist eine Herausforderung für die Beziehung. Kommunikation ist in dieser Zeit wichtiger denn je, doch die meisten Menschen haben nicht gelernt, über ihre Bedürfnisse zu sprechen.“

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Oft sei eher das Gegenteil der Fal: Unbefriedigte Bedürfnisse würden als Vorwürfe an den Partner formuliert und riefen im Gegenüber einen Verteidigungsmodus hervor, erklärt Claudette Sinn. Doch auch Probleme, die bereits vor der Corona-Krise entstanden seien, Könnten sich zuspitzen. Hinzu kommt, dass es derzeit keine Freiräume oder Möglichkeiten der Entlastung gibt, wie zum Beispiel einen Kinobesuch mit Freunden.

Anwalt fordert moderme Lösungen für Hamburger Justiz

Marko Oldenburger befürchtet derweil, dass die Ehe-Krisen vieler Paare handfeste bürokratische Folgen haben könnten. „Auch die Justiz steht derzeit vor neuen Herausforderungen. Schon bestehende Gerichtstermine für Scheidungsverfahren werden abgesagt und weitere Verfahren werden nicht terminiert“, gibt er zu bedenken. Wegen Raummangels seien diverse Verfahren auf absehbare Zeit nicht durchführbar, erklärt Oldenburger. Das erschwere auch die Tätigkeit der Anwälte, da laufende Verfahren nicht abgeschlossen werden könnten. Wenn die Zahl der Scheidungsanträge nun steige, könnte das eine Überlastung der Justiz bedeuten.

„Deshalb ist es notwendig, dass der Senat eine zeitnahe Entscheidung trifft und Alternativen ermöglicht“, so der Anwalt. Auch der Präsident des Amtsgerichts könne moderne Kommunikationsmöglichkeiten für familiengerichtliche Verfahren optimaler nutzbar machen, um die Hamburger Justiz besser und schneller durch die aktuelle Krise zu führen.

Drum prüfe, wer sich trennen will

Eheleuten, die in der momentanen Situation über eine Scheidung nachdenken, raten die Anwälte, alle Aspekte im Blick zu haben. Dazu zählen die gemeinsamen Kinder, das Eigenheim, Unterhaltsfragen und mehr. Die Mandanten sollten sich wirklich sicher sein, dass die Ehe gescheitert ist, und die Entscheidung nicht aus einer krisenhaften Situation heraus treffen, so Oldenburger. Er empfiehlt zunächst eine Paarberatung und Distanz nach den Ausgangsbeschränkungen. Zudem sollten Paare das Trennungsjahr nutzen, um Klarheit zu bekommen.

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Auch Paartherapeutin Claudette Sinn hat einen Ratschlag für Paare in der Krise: Die Eheleute sollten sich jeden Tag mindestens eine Viertelstunde Zeit für den Partner nehmen – ganz ohne Medien oder Unterbrechungen. Dabei erhält jeder von ihnen abwechselnd die Chance, dem Gegenüber mitzuteilen, wie es ihm geht, ohne von dem anderen unterbrochen oder mit Vorwürfen konfrontiert zu werden.

Zuletzt gibt auch gute Nachrichten: „Die Anfragen für Eheverträge sind momentan gleich hoch wie die Scheidungsanträge“, berichtet Oldenburger. Offenbar haben also auch zahlreiche Paare die Situation genutzt, um sich für eine Eheschließung zu entscheiden.  

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