• Foto: pa/obs SOS-Kinderdorf e.V.

Experten schlagen Alarm: Missbrauch und Gewalt: So gefährden Corona-Sperren Kinder

Isolation, Vernachlässigung, Missbrauch: Viele Kinder in Deutschland leben in schwierigen Familienverhältnissen. Die Kontaktsperre während der Corona-Krise macht die Situation für sie noch prekärer. Etwa 100 Wissenschaftler haben sich jetzt in einem offenen Brief an die Regierung gewandt. Sie machen auf aktuelle Missstände aufmerksam und fordern einen Krisenstab. Die MOPO hat mit einem Hamburger Experten gesprochen und in der Sozialbehörde nachgefragt.

Experten aus den Bereichen Soziale Arbeit und Pädagogik machen sich große Sorgen um die Kinder in Deutschland. In den Jugendämtern fehle Personal, weil die Angestellten ihre eigenen Kinder betreuen müssten. Hausbesuche beim Verdacht auf Vernachlässigung eines Kindes könnten zum Teil nicht stattfinden. Ambulante und stationäre Hilfen seien aufgrund von Personalmangel und Infektionsrisiko oft schon eingestellt worden.  

Kinderschutz in Corona-Zeiten: Darum muss jetzt etwas passieren

Schwierig ist die Lage, nach Angaben der Experten, auch für Kinder und Jugendliche, die in Heimen, Wohngruppen und Psychiatrien untergebracht sind. Sie würden in manchen Fällen zu ihren Eltern entlassen, um das Infektionsrisiko gering zu halten. Doch zu Hause gehen die Probleme für manche Kinder erst richtig los.

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Isolation: Die Leiden der Kinder bleiben unbemerkt

„Eltern, die ihre Kinder misshandeln oder deren Grundbedürfnisse nicht erfüllen können, sind rund um die Uhr mit den Kindern zusammen. Sie haben keine Entlastung mehr, die Kinder und Jugendlichen keine Ansprechpartner und keinen Schutz“, steht in dem Brief der Wissenschaftler an die Bundesregierung. Die Folgen, wie Verstörtheit, Untergewicht, Hämatome oder Verletzungen, blieben unbemerkt. Auch Menschen, die sich an Kindern sexuell vergehen, könnten derzeit sicher sein, dass sich das Kind während der Kontaktsperre an niemanden wenden könne.

Die Wissenschaftler sind sich einig: Ein Krisenstab zum Schutz der Kinder in Corona-Zeiten muss her. „Wir brauchen eine Wende in der jetzt begonnenen Entwicklung durch eine klare Orientierung, die von der Landespolitik und von einem Krisenstab im Familienministerium des Bundes ausgeht“, heißt es in dem Schreiben. Die Experten bieten an, der Regierung beratend zur Seite zu stehen. Einige Lösungsvorschläge haben sie auch schon parat: „Infektionsschutz für aufsuchende Fachkräfte, vorrangiger Zugang zum Covid-Test, ein attraktiver Risiko-Bonus etc. können hilfreich sein und den Anreiz schaffen, Hilfen fortzuführen.“

Kinderschutz trotz Corona: Das sagt ein Hamburger Experte

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Michael Lezius ist Gründer der Yagmur-Gedächtnis-Stiftung und Träger des Bundesverdienstkreuzes.

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picture alliance / Markus Scholz

„Ich habe auch die Sorge, dass sich die Situation für Kinder hier jetzt nochmal verschärfen könnte“, sagt Michael Lezius zur MOPO. Der Hamburger ist Gründer der Yagmur-Gedächtnis-Stiftung und Träger des Bundesverdienstkreuzes für sein Engagement im Kinderschutz. „Da Kinderschutz und Jugendhilfe ‚systemrelevant‘ sind, wäre es wunderbar, sobald genug Schutzkleider und Mundschutzmasken da sind, dass auch die Jugendamtsmitarbeiter damit versorgt werden, damit sie in die Familien gehen können, um mit den Kindern Kontakt zu haben.“ Lezius hat bereits einen Brief mit weiteren Vorschlägen an die Hamburger Behörden geschickt.

Hamburger Sozialbehörde: Alle Einrichtungen setzen die Arbeit fort

„Das Jugendamt und die Einrichtungen der Jugendhilfe setzen ihre Arbeit unverändert fort“, sagt ein Sprecher der Sozialbehörde auf Nachfrage der MOPO. Kinder, die aus „sozialpädagogischen Gründen“ betreut werden, für die Schule oder Kita also ein Schutzraum sind, würden dort auch weiterhin betreut. 

In vielen Jugendämtern sollen etwa zwei Drittel aller Beschäftigten derzeit im Home Office arbeiten. Hausbesuche bei gefährdeten Kindern gebe es aber weiterhin. Je nach Situation entscheide man über angemessene Schutzmaßnahmen für Mitarbeiter und Familie. So könnten manche Besuche zum Beispiel auch draußen stattfinden. 

Corona-Sorgen: Das Hamburger Eltern-Telefon

Die Stadt Hamburg hat für Eltern, die Hilfe benötigen, ein Corona-Sorgen-Telefon eingerichtet. Kostenlos und anonym können sich Mütter und Väter montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr un ter folgenden Telefonnummern beraten lassen: (040) 428 12 8209 oder (040) 428 12 8219 oder (040) 428 12 8050.

Weitere Hilfe-Nummern:

Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration  Telefon: 040/ 428 15 – 3200 (24 Stunden erreichbar)

Bundeshilfetelefon: 08000 116 016 sowie online unter www.hilfetelefon.de.

Deutscher Kinderschutzbund Hamburg

Elterntelefon: 0800-111 0 550
Kinderschutzzentrum Hamburg: 040-431 79 48 0
Kinderschutzzentrum Harburg: 040-79 01 040

Zusätzlich hat das Kinderschuttzentrum Hamburg Mo-Fr 10-12 Uhr eine Telefonsprechstunde auf arabisch und farsi eingerichtet. 

In allen anderen Notfällen
Telefon 110 (Polizei) oder Telefon 112 (Feuerwehr)

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