Fahrradmangel in Hamburg: Warum Räder in vielen Läden fast ausverkauft sind
Eimsbüttel –
Leere Regale, dürftiges Angebot: In Hamburgs Fahrradläden herrscht Ebbe. Beliebte Marken sind teils restlos ausverkauft. Und auch viele Ersatzteile sind nicht mehr zu bekommen. Bei Reparaturen herrscht Stau. Kaum zu glauben: Was andere Branchen in die Knie zwingt, bedeutet fürs Zweirad-Geschäft einen Riesenboom – die Corona-Pandemie.
Elegant, sportlich, urban – auf Fahrräder mit diesen Attributen hat sich Jan Langendorf mit seinem Laden „Langendorf Cycles“ in der Bismarckstraße (Eimsbüttel) spezialisiert. Marken wie Schindelhauer oder Pelago – sie sehen nicht nur gut aus, für manche Menschen sind sie schon fast ein Statussymbol geworden. So wie früher bestimmte Automarken.
Hamburg: Normalgrößen überall so gut wie ausverkauft
Doch wer sich jetzt einen der nicht gerade kostengünstigen Drahtesel zu Weihnachten wünschen will, der muss damit rechnen, dass da nur ein Gutschein unterm Tannenbaum liegt. „Die Normalgrößen sind so gut wie ausverkauft“, sagt Jan Langendorf. Nur bei den Randgrößen gebe es noch Restbestände. Interessenten müssten mit Wartezeiten bis März oder April nächsten Jahres rechnen. Wie konnte es soweit kommen?
„Der Lockdown war ein ordentlicher Dämpfer für uns“, berichtet Langendorf, der seinen Laden wie alle anderen auch Mitte März schließen musste. „Doch danach ging es umso stärker wieder los.“ Schon jetzt könne er sagen, dass der Umsatz deutlich höher ist als in den Jahren zuvor. Der Zweirad-Industrie-Verband schätzt, dass zwischen Januar und Juni etwa 3,2 Millionen Fahrräder und E-Bikes verkauft wurden. Das ist hinsichtlich des Absatzes ein Plus von rund 9,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Wegen Corona: Hamburger steigen von U-Bahn aufs Rad um
Dirk Lau vom ADFC Hamburg erklärt den Boom so: „Viele Menschen sind aufgrund der Ansteckungsgefahr in den öffentlichen Verkehrsmitteln aufs Fahrrad umgestiegen.“ Auf den Straßen Hamburgs seien spürbar mehr Räder unterwegs. Auffällig sei dabei auch die Präsenz vieler Neu-Räder. Erst letzte Woche hatte der ADFC getwittert, dass die automatische Zählstation an der Gurlittstraße (St. Georg) die Zwei-Millionen-Marke überschritten hatte. So viele Räder waren im ganzen Jahr 2019 nicht an der Zählstation vorbei gefahren.
Doch nicht nur bei den Neu-Rädern läuft das Geschäft wie geschmiert. Auch Reparaturen sind gefragt wie nie zuvor. „Die Nachfrage ist in allen Bereichen enorm gestiegen. Sowohl nach hochwertigen Rädern, nach Ersatzteilen wie nach Reparaturen“, berichtet Andreas Frey, Geschäftsführer von „Pedalkraft“ in der Rentzelstraße.
Lange Wartezeiten für Fahrrad-Reparaturen
Eine ganze Reihe von Händlern könnten die hohe Nachfrage nach Reparaturen gar nicht mehr bedienen, weiß Frey. „Sie mussten ihren Service auf die Kunden reduzieren, die das Fahrrad auch in ihrem Laden gekauft haben. Oder aber sie können Reparatur-Termine erst zweieinhalb Monate später vergeben.“
Laut David Eisenberger vom Zweirad-Industrie-Verband liegt das nicht nur an dem Umstieg von der U-Bahn aufs Fahrrad, dem Drang nach Bewegung an der frischen Luft und geänderten Urlaubsplänen, sondern an einer weiteren Corona-bedingten Ursache: den Lieferproblemen der Hersteller.
Lieferprobleme bei Ersatzteilen wie Bremen, Gangschaltungen oder Reifen
„Die Shutdowns in Asien haben zur Einschränkung der Produktion geführt. Bis jetzt sind die Lieferketten noch nicht wieder im Takt. Die Lieferzeiten für Einzelteile sind lang“, so Eisenberger. Große Fahrradfirmen wie Shimano oder Schwalbe hätten enorme Lieferprobleme.
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Andreas Frey von „Pedalkraft“ hat das Problem rechtzeitig erkannt: „Wer nicht vorgeordert hat, kann das Reparaturaufkommen aber auch den Fahrradaufbau nicht bewältigen.“ Er selbst habe die Bestände für Einzelteile zum Teil um 50 Prozent erhöht. Ein Fahrrad-Händler als Hamsterkäufer? Frey lacht: „Manche kaufen Klopapier. Wir kaufen Ersatzteile.“