„Letzte Generation“: Verbotenes tun, weil Erlaubtes nicht weiterhilft
Ja, sie haben sich immer wieder strafbar gemacht oder zumindest gegen die Normen bürgerlicher Wohlanständigkeit verstoßen – die Klimaaktivist:innen der „Letzten Generation“. Ihr jüngster Super-Coup: Sie klebten sich auf der Rollbahn des Berliner Flughafens BER fest und störten den Flugbetrieb für geschlagene zwei Stunden. Davor klebten sich andere ans Dirigentenpult der Hamburger Elbphilharmonie oder besudelten weltberühmte Kunstwerke in Museen.
Manchen von ihnen drohen für diese Aktionen empfindliche Strafen. Sie nehmen so was sehenden Auges in Kauf. Dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser sich furchtbar aufregt, die Berliner Flughafenblockade sei „eine erneute Eskalation und absolut inakzeptabel“, dürfte die störenden Kleber kaltlassen – und kann es auch. Und damit komme ich aus der Deckung: Für all diese Aktionen der „Letzten Generation“ habe ich Respekt und Bewunderung.
Reiche Industrieländer treiben Schindluder mit der Schöpfung
Seit Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten zeigen uns die renommiertesten Klimaforscher in aller Welt auf, welches Schindluder die reichen Industrieländer mit der Schöpfung treiben. Wir selbst merken es seit geraumer Zeit, weil auch in unseren Breitengraden die Sommer immer heißer werden und über Deutschland Flutkatastrophen hereinbrechen, die lange als undenkbar galten: Die Klimakatastrophe droht nicht mehr. Sie ist da.
Wir aber machen weiter, als gäbe es kein Morgen oder als wäre uns das Morgen völlig egal, weil es für uns noch reichen wird. Greta Thunberg und ihre Kampagne „Fridays for Future“ blieben stets so gesittet wie die Politiker, die jetzt schimpfen, es immer verlangten. Transparente wurden hochgezogen, Demonstrationen ganz artig angemeldet, Grünen- und SPD-Politiker marschierten mit. Und was hat das alles gebracht? Viel zu wenig oder nichts. Die Abkehr von den fossilen Brennstoffen Öl und Gas wurde und wird immer wieder aufgeschoben oder verlangsamt. Jetzt dienen der Ukraine-Krieg und Putins perfide Erpressung mit dem Gas als Ausrede. Als würde die Erderwärmung warten, bis der Krieg zu Ende ist. Faktisch schon aufgegeben wurde das erst vor wenigen Jahren feierlich proklamierte 1,5-Grad-Ziel – dass also der globale Temperaturanstieg seit Beginn der Industrialisierung bis 2100 auf 1,5 Grad begrenzt werden müsse. Jeder weiß, dass bei einem Plus von 2 oder gar 2,5 Grad weite Teile unseres Planeten unbewohnbar werden und gewaltige Flüchtlingsströme drohen. Trotzdem wurde die jüngste Klimakonferenz von Scharm el Scheich ein einziges Desaster. Und die nationale wie internationale Aufregung darüber hielt sich in Grenzen. Der von uns programmierte Weltuntergang gerät zur Routine.
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Und da gibt es eben welche, die so jung sind, dass sie noch nicht mituntergehen wollen, die aber, wenn es so weitergeht, vielleicht tatsächlich die „Letzte Generation“ sind. Deshalb hat ihr Name überhaupt nichts Großspuriges oder Übertriebenes. Es hat etwas Verzweifeltes, wenn sie ganz bewusst Verbotenes tun, gegen Gesetze und Bestimmungen verstoßen, weil sie für sich zu der Erkenntnis gelangt sind, dass die Gesellschaft ihnen keine andere Wahl mehr lässt: eine Gesellschaft, in der inzwischen wieder durch die Welt geflogen wird wie vor der Pandemie, in der nach wie vor Schadstoff- und PS-strotzende Dickschiffe über unsere Autobahnen rasen, weil sich Verkehrsminister Volker Wissing und seine FDP gegen ein Tempolimit sperren. Und ausgerechnet dieser Herr Wissing hat sich besonders stark über die Aktion auf dem Berliner Flughafen aufgeregt. Diese Kleber seien „immer skrupelloser“, und „die Gesellschaft kann ein solches Verhalten nicht mehr hinnehmen.“ Andersrum, Herr Minister, muss man argumentieren: Die Schöpfung, von der wir alle abhängen, kann nicht mehr hinnehmen, dass die Politik – national wie international – so weitermacht wie bisher.
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Und deshalb machen die Aktivist:innen der „Letzten Generation“ Verbotenes. Denn mit dem, was erlaubt war und ist, sind sie nicht weitergekommen.