Kliniken komplett am Limit: Enormer Anstieg von Kinder-Erkrankungen in Hamburg
Vor allem für Kleinkinder und Säuglinge kann diese Krankheit bedrohlich werden – und die enorm steigenden Fallzahlen bringen die Kliniken und Arztpraxen ans Limit: Eine Welle von Infektionen mit der Atemwegserkrankung RSV rollt über Hamburg hinweg. Manche der kleinen Patienten müssen verlegt werden, weil alle Betten voll sind.
Hamburger Kinderärzte in Praxen und Kinderkrankenhäusern verzeichnen einen deutlichen Anstieg von Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV). „Eine Infektwelle zu dieser Jahreszeit ist nicht unüblich. Was wir jedoch beobachten ist, dass derzeit deutlich mehr Kinder krank sind als im Vorjahr“, sagte Maike Hinrichs, Sprecherin des Katholischen Kinderkrankenhauses Wilhelmstift.
Das führe dazu, dass sich deutlich mehr kranke Kinder als üblich in der Notaufnahme befinden. „Wir haben volle Wartezimmer und sehr langen Wartezeiten, was wir bedauern“, sagte die Sprecherin.
Für Kinder bedrohlich: RSV-Welle in Hamburg
Gesundheitsexperten vermuten, dass sich viele Kleinkinder aufgrund der Maskenpflicht und der Corona-Lockdowns in den Jahren zuvor seltener mit dem RS-Virus angesteckt hatten – und viele die Infektion jetzt „nachholen“.
Von Ende Oktober bis Ende November wurden im Wilhelmstift mehr als 4900 Kinder behandelt, damit habe sich die Patientenzahl nahezu verdoppelt. „Teilweise haben wir kein freies Bett für ein krankes Kind und versuchen dann, in andere Kinderkliniken zu verlegen“, sagte die Sprecherin. In den meisten Fällen könnten die Kinder aber wieder nach Hause geschickt werden. „Einen geringen Anteil an Kindern nehmen wir stationär zur weiteren Beobachtung auf.“ Einige bekommen unterstützend Sauerstoff zugeführt. Dabei handele es sich nicht um intensivmedizinische Beatmung, sondern um eine Sauerstoffbrille, bei der durch die Nase Sauerstoff gegeben wird.
RSV-Welle: Großer Andrang im Altonaer Kinderkrankenhaus
Auch im Altonaer Kinderkrankenhaus ist der Andrang von Eltern mit ihren Kindern sehr groß. „Viele Kinder müssen überwacht werden, bekommen Sauerstoff und haben aufgrund ihrer Atemnot einen sehr hohen pflegerischen Betreuungsbedarf“, sagte der leitende Arzt der Pädiatrie, Kinderpneumologie und Allergologie, Prof. Philippe Stock. Die Eltern machten sich berechtigterweise Sorgen, wenn ihr neugeborenes Baby oder kleines Kind zusätzlichen Sauerstoff benötigt.
Auch das Kinder-UKE verzeichnet zurzeit eine erhöhte Anzahl von kleinen Kindern mit Atemwegsinfektionen. „Die Intensität der Erkrankungswelle, die andere Bundesländer aktuell berichten, sehen wir im Kinder-UKE bisher noch nicht“, sagte Prof. Jun Oh, Vize-Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit dem RS-Virus im Kinder-UKE sei derzeit sichergestellt.
RSV-Welle in Hamburg: Kinder-UKE gibt Entwarnung
„Vor allem Neugeborene, Kleinkinder und Kinder mit Vorerkrankungen der Lunge oder mit anderen chronischen Erkrankungen haben ein erhöhtes Risiko zu erkranken“, sagte Oh. Eine Schutzimpfung gegen das RS-Virus sei daher dringend empfehlenswert. Eltern sollten bei Anzeichen einer Infektion der oberen Luftwege frühzeitig einen Kinderarzt aufsuchen, um überprüfen zu lassen, ob eine Infektion mit dem RS-Virus vorliegt. Vor allem Familien mit Neugeborenen und Kleinkindern sollten die bisher geltenden Hygienemaßnahmen weiter einhalten, um schwere Verläufe zu vermeiden.
Auch in der Mariahilf-Klinik im Stadtteil Heimfeld wird der Anstieg bemerkt. „Wir sehen seit Ende Oktober 2022 eine deutliche Zunahme an RSV–Fällen, aber vor allem auch in ihrer Schwere“, sagte eine Sprecherin. Das sei zwar in den letzten Tagen etwas weniger geworden, aber die Intensität der RSV-Fälle binde sehr viel Personal, sowohl auf der Allgemeinpädiatrie als auch auf der Kinderintensivstation. Die Belastung in den Teams sei damit im Vergleich zu anderen Erkrankungen ungleich höher.
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Bezogen auf ganz Deutschland spricht die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) von einer „katastrophalen Lage“ auf den Kinder-Intensivstationen. Aus der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) zum Beispiel wurde in der Nacht zu Freitag ein Kind nach Magdeburg verlegt, weil alle Betten voll waren – Entfernung rund 150 Kilometer. „Meine Kollegen hatten 21 Kliniken angerufen“, berichtet Gesine Hansen, Ärztliche Direktorin der MHH-Klinik für Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Neonatologie. Das etwa einjährige Kind hatte eine RSV-Infektion, die vor allem für die Jüngsten und Kinder mit Vorerkrankungen lebensbedrohlich werden kann. (dpa/mp)