„Kleines Wunder“: Drei Ex-St. Paulianer beleben einen Traditionsklub
Am Anfang war das große Nichts. Als Fabian Gerber im Sommer des vergangenen Jahres seinen Trainerjob in Erfurt begann, lag Rot-Weiß in Trümmern. „Alles war kaputt“, erinnert sich der ehemalige St. Pauli-Profi, „selbst in der Region hatten sich alle abgewandt vom Verein.“ Knapp 18 Monate später aber lebt der Traditionsklub wieder. Unter anderem Dank Fabian Gerber, Vater Franz (69), als langjähriger Stürmer in St. Paulis „Jahrhundert-Elf“ gewählt, und einem weiteren Ex-Kiezkicker.
Am Sonntag steht das Spitzenspiel der Regionalliga Nord-Ost an. Wenn Energie Cottbus im Steigerwaldstadion aufschlägt, ist es das Duell des Ersten gegen den Zweiten. „Wer hätte das vor der Saison gedacht“, sagt Fabian Gerber ungläubig. Mit seiner blutjungen Truppe ist er gerade erst der Oberliga entkommen, und selbst das war bei Dienstbeginn mehr als fraglich.
Ex-St. Paulianer Fabian Gerber: „Alles war kaputt“ in Erfurt
„Es gab kein Geld, keine Sponsoren, keine Mannschaft“, erinnert sich der 43-Jährige zurück. „Wie bitter es um den Verein bestellt ist, habe ich erst gemerkt, als ich hier angekommen bin.“ Papa Franz, der ein Jahr zuvor seine Tätigkeit als Geschäftsführer in Thüringen begonnen hatte, und er waren „allein auf weiter Flur. Aber wir haben gesagt: Wir glauben an die Sache! Auch wenn es klar war, dass der Weg steinig wird“.
Kapitän Andrej Startsev war Profi bei St. Pauli
Ein gutes Stück davon haben die Gerbers mit Bravour zurückgelegt. Nach anfänglichen Problemen startete RWE in der Oberliga durch und marschierte am Ende souverän zum Titel und zum Aufstieg. Auch weil in Andrej Startsev ein Mann dabei ist, der in der Saison 2014/15 neun Zweitliga-Einsätze beim FC St. Pauli gehabt hat. „Er ist mein Kapitän, ein guter Typ, der immer gewinnen will, vorweg marschiert. Ein Anführer und Eckpfeiler“, lobt Gerber den inzwischen 28-Jährigen, den er vom Innenverteidiger zum Sechser umgeschult hat.
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Den Rest des Kaders haben Gerber Senior und Junior persönlich zusammengescoutet. „Wir sind extrem viel unterwegs“, erzählt Fabian, der wie Franz in Erfurt sesshaft geworden ist. Und der Aufwand hat sich gelohnt! „Es ist ein kleines Wunder, was hier gerade passiert“, frohlockt der ehemalige Co-Trainer des 1. FC Nürnberg. „Wir sind inzwischen nicht nur Verein, sondern auch Arbeitgeber. Und es gibt immer mehr Menschen, die helfen und unterstützen wollen. Es herrscht eine Riesenaufbruchstimmung.“
Am Sonntag steigt das Spitzenspiel gegen Cottbus
Was sich auch an der Zuschauerzahl messen lässt. Etwa 5000 Fans kommen im Schnitt, das Derby gegen Jena (1:1) war ausverkauft, und auch gegen Cottbus wird es fünfstellig werden. Trotzdem tritt Fabian Gerber auf die Euphoriebremse, was die mögliche Rückkehr in den Profi-Bereich angeht. „Wir haben mit den kleinsten Etat dieser Liga, in der es etliche Klubs gibt, die uns in Sachen Erfahrung und gesunden Wirtschaftens viele Jahre voraus sind“, erklärt er.
Bislang ist das allerdings noch nicht wirklich ins Gewicht gefallen. Und jeder neue Tag, an dem das so bleibt, wäre ein weiterer Schritt nach vorne für Franz und Fabian Gerber und ihre Herzensangelegenheit Rot-Weiß Erfurt.