Erneut Streit: Wird der berühmte Sylt-Damm umbenannt?
Wie könnte man eine umstrittene und ungeliebte, aber viel genutzte Bezeichnung durch eine andere ersetzen? Eine offizielle Umbenennung wäre ein Weg. Doch was tun, wenn der Name gar kein offizieller ist? Der Damm nach Sylt ist so ein Fall.
In regelmäßigen Abständen flammt die Debatte über eine Umbenennung des Bahndammes nach Sylt auf. Die Deutsche Bahn führt das Bauwerk offiziell unter der schnöden Nummer 2010. Seit Generationen eingebrannt in den kollektiven Sprachgebrauch hat sich hingegen der Name „Hindenburgdamm“.
Damm nach Sylt: Namensgeber ist eine umstrittene Figur
„Die einzigen Eisenbahnbauwerke, die offiziell getauft werden, sind Tunnel“, sagte eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Das Bauwerk zwischen Festland und Insel sei ein Abschnitt der Strecke Elmshorn – Westerland und trage wie jede Strecke der Deutschen Bahn eine interne Nummer.
Dass sich die Bezeichnung „Hindenburgdamm“ eingebürgert hat, rührt wahrscheinlich daher, dass der damalige Reichspräsident Paul Hindenburg bei der Eröffnung der Dammes 1927 anwesend war. Und der damalige Reichsbahn-Chef Julius Dorpmüller in seiner Rede Hindenburg huldigte und befand: Auf dessen Namen „wollen wir“ den neuen Damm taufen – „er heiße ,Hindenburgdamm’“.
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Der Generalfeldmarschall (1847-1934) ist eine umstrittene, ambivalente Figur. Er war Reichspräsident in der Weimarer Republik und wirkte auf viele damals fast wie eine Art Reichsgroßvater. Heute gilt er vielen vor allem als „Steigbügelhalter Hitlers“, den er zum Reichskanzler machte und damit die Diktatur erst ermöglichte. In vielen Städten – etwa Lübeck und Kiel – wurden nach Hindenburg benannte Straßen und Plätze nach zum Teil langen und kontroversen Debatten in den vergangenen Jahren daher umbenannt.
Beim Damm nach Sylt ist dies komplizierter. Es gibt kein offizielles Namensschild an der Strecke, das einfach ersetzt werden könnte.
„Hindenburgdamm“: Bahn befasst sich mit „sensiblem Thema”
Unter anderem die Grünen im Amt Südtondern – zu dem die Stadt Niebüll gehört, in der die Autozüge nach Sylt starten – haben daher eine andere Idee. „Wir möchten eine Sensibilisierung der öffentlichen Ämter, Behörden und Institutionen erreichen, dass der Name „Hindenburg“ aufgrund seiner geschichtlichen Umstrittenheit nicht mehr benutzt wird“, sagte Stephan Wiese von Grünen Ortsverband Südtondern. Mittelfristig sei geplant, eine entsprechende Resolution in den Kreistag Nordfriesland einzubringen. „Sinn dieser Resolution kann nur sein, dass von Seiten der öffentlichen Träger der Begriff ,Hindenburgdamm‘ nicht mehr benutzt wird in der Hoffnung, dass sich das auch auf den ,Volksmund‘ übertragen wird.“
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Roland Klockenhoff vom Ortsverband Insel Sylt der Grünen, sagte dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag, der vor einiger Zeit über den Vorstoß aus Südtondern berichtet hatte, es sei ein Thema, aber „wir stecken unsere Energie mehr in die Gegenwartsprobleme wie das Beherbergungskonzept, die Bettensteuer und den Radverkehr auf der Insel“. Dennoch sei man der Meinung, „dass der Name ,Hindenburgdamm‘ überfällig ist“. Es gehöre zu den Benimmregeln, so wie man heute Schokokuss sage – letztendlich gehöre es sich nicht mehr.
Vielen ist dies mittlerweile bewusst. Die Deutsche Bahn habe den Begriff bereits ändern lassen, sagte die Sprecherin. Sprich: Auf den Internetseiten und anderenorts sollte der Name „Hindenburgdamm“ eigentlich nicht mehr auftauchen. Auch der Chef der Sylt Marketing GmbH, Moritz Lust, sagte, „das ist ein sensibles Thema, mit dem wir uns befassen“.
Deutsch-israelische Gesellschaft: Medien in der Pflicht
Der Lübecker Psychotherapeut Karl-Heinz Haase, der zugleich Mitglied der deutsch-israelischen Gesellschaft ist, sieht indes auch die Medien, die oft noch von „Hindenburgdamm“ sprechen und schreiben, in der Pflicht: „Sie sorgen dafür, dass sich die nichtoffizielle Namensgebung weiterhin in den Köpfen festsetzt. Dabei wäre der Wechsel auf ,Syltdamm‘ völlig unproblematisch. Jeder würde das verstehen.“