„WM der Schande“ in Katar: War da nicht was mit Entschädigungen?
Ein Entschädigungsfonds für Arbeitsmigranten in Katar war eines der großen Themen vor der WM. Doch seit der Ball rollt, stehen die Diskussionen darüber nahezu still.
Gianni Infantino warf sich ganz staatsmännisch in Pose. Nachdem der FIFA-Boss beim Treffen „zum Wohl von Arbeitskräften weltweit“ mit ILO-Generaldirektor Gilbert F. Houngbo über die künftige Zusammenarbeit geplaudert hatte, streckte er demonstrativ den WM-Ball in die Kameras – und schwärmte von einem „Nachhaltigkeitsfonds“, den der Weltverband einrichten werde.
Was es mit diesem Vorhaben genau auf sich hat, blieb aber auch nach dem Termin mit der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) offen. Gemeint war jedenfalls nicht der Entschädigungsfonds, den Menschenrechtler angesichts der Ausbeutung und dem Tod von Arbeitsmigranten rund um die Fußball-WM in Katar seit Monaten fordern. Seit der Ball rollt, sind die Diskussionen darüber nahezu verstummt. Eine Lösung? Nicht in Sicht.
„Sonst wird die WM wirklich zur WM der Schande“
Bislang hätten sich „weder Katar noch die FIFA bewegt“, sagte Wenzel Michalski von Human Rights Watch (HRW) dem SID: „Da muss was passieren. Sonst wird die WM wirklich zur WM der Schande, die auf dem Rücken der ausgebeuteten Arbeiter entstanden ist.“
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Seit Mai steht die Forderung, die vom katarischen Arbeitsminister bereits als „Werbegag“ verspottet wurde, von HRW, Amnesty International und anderen Organisationen: 440 Millionen Dollar, eine Summe in Höhe der gesamten WM-Preisgelder. Selbst DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte sich vor dem Start mehrmals für das Vorhaben ausgesprochen, während der WM hielt sich der deutsche Verband aber zurück.
Michalski nimmt Verbände in die Pflicht
„Die Verbände, die vorher schon gesagt haben, sie unterstützen einen Wiedergutmachungsfonds, sollten sich zusammenschließen und massiven Druck auf die FIFA ausüben“, forderte Michalski. Jene Verbände hätten eine Aufgabe gehabt, „und zwar, den Wiedergutmachungsfonds zu unterstützen und durchzusetzen. Das hat keiner gemacht.“
Die Sorge? Nach dem Finale könnte das Thema aus den Augen der Öffentlichkeit verschwinden. Der Fonds? Wäre nicht mehr als eine Forderung. Dabei setzt sich die FIFA in ihrer Menschenrechtspolicy eigentlich klare Regeln und verpflichtet sich in Paragraf 6, „Wiedergutmachung zu leisten“.
Doch in Katar mangelt es an Transparenz zu den Todeszahlen auf WM-Baustellen, dazu wird immer wieder die unzureichende Aufklärung von Todesursachen kritisiert. Tausende Arbeitsmigranten sollen bei den Vorbereitungen ums Leben gekommen sein, kaum ein Thema wurde im Vorfeld intensiver diskutiert.
Große Angst vor Vergeltungsmaßnahmen
Bislang entschädigt die katarische Regierung ausgebeutete Arbeiter über den Workers‘ Support and Insurance Fund. 320 Millionen US-Dollar sollen laut der ILO bis Ende September 2022 ausgeschüttet worden sein. HRW etwa kritisiert aber, der Zugang dazu sei begrenzt und die Angst vor Vergeltungsmaßnahmen groß.
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Wie die britische Zeitung „INews“ nun berichtet, werde die FIFA die Entschädigungen den Katarern über das angeführte Programm überlassen. Demnach sollen Infantino und Konsorten den Forderungen von Menschenrechtlern, aber auch des DFB nach einem gesonderten Fonds nicht nachkommen wollen – trotz Milliardeneinnahmen in Katar. Die FIFA hüllte sich auf Anfrage dazu in Schweigen. (sid/nswz)