„Gezielter und härter“: Immer mehr Schüler Opfer von Cybermobbing
Karlsruhe –
Früher wurden Kinder auf dem Schulhof gehänselt – heute werden immer mehr junge Menschen im Internet gemobbt und angefeindet. Die Opfer werden jünger – und Corona macht alles noch schlimmer. Das hat eine Studie jetzt ergeben.
In sozialen Netzwerken, in privaten Chat-Gruppen oder auf YouTube und Co.: Cybermobbing findet viele Wege und hat noch mehr Gesichter. Jeder sechste Schüler, also 17,3 Prozent, in Deutschland ist von Anfeindungen und Bloßstellungen im Netz betroffen.
In absoluten Zahlen sind das zwei Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, ergibt die Erhebung des Bündnisses gegen Cybermobbing und der Techniker Krankenkasse, die jetzt in Karlsruhe vorgestellt wurde.
Cybermobbing-Studie zeichnet ein düsteres Bild
Nach 2013 und 2017 wurden jetzt zum dritten Mal Schülerinnen und Schüler sowie Eltern und Lehrkräfte online zu dem Thema befragt. 6000 Menschen aus ganz Deutschland beteiligten sich an der Befragung. Und die Ergebnisse bieten Grund zur Sorge: Die Zahl der Betroffenen ist laut der Erhebung in den vergangenen drei Jahren um 36 Prozent gestiegen.
Zu den Gründen für die Zunahme zählen der Studie nach auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie: Homeschooling, Fernunterricht und Kontaktbeschränkungen hätten dafür gesorgt, dass sich noch mehr soziale Kontakte ins Netz verlagert haben. Schulseitige Prävention sei unter solchen Bedingungen noch weniger möglich als sonst.
Cybermobbing: Corona hat die Lage verschlimmert
„Kinder und Jugendliche sind aktuell viel mehr im Web unterwegs, weil viele Dinge digital laufen“, sagt Schüler Lukas Pohland, der vor Jahren ein Sorgen-Telefon für Opfer von Cybermobbing ins Leben gerufen hat. Diese stärkere Mediennutzung erhöhe auch die Wahrscheinlichkeit für Cybermobbing.
Der Realschüler aus Schwerte bei Dortmund war auch schon selbst Opfer von Cybermobbing, weil er einer betroffenen Klassenkameradin helfen wollte. Seitdem engagiert sich der 16-Jährige für das Thema, hält Vorträge an Schulen und hat auch schon im nordrhein-westfälischen Landtag dazu gesprochen.
Cybermobbing sei von außen nur schwer zu erkennen, sagt Pohland. Es treffe Mädchen und Jungen gleichermaßen, das typische Mobbing-Opfer gebe es nicht. Jeder Schüler, der ein Smartphone besitze, könne ein Betroffener sein. Und weil dieses immer in der Hosentasche steckt, trägt man die Täter quasi mit sich.
Cybermobbing: Jedes vierte Opfer denkt an Suizid
Der Großteil der Betroffenen fühlt sich durch das Cybermobbing verletzt oder wütend. Der Befragung zufolge sprach jeder Vierte schon einmal von Suizidgedanken. „Es zeigt sich ganz deutlich, dass heute gezielter und härter gemobbt wird, als noch vor drei Jahren“, erklärt der Vorstandsvorsitzende des Bündnisses gegen Cybermobbing, Uwe Leest.
Für die Angriffe werden vor allem Smartphones genutzt. Beim Cybermobbing wird laut der Studie vor allem beleidigt und beschimpft. Oft würden auch Lügen und Gerüchte verbreitet, unangenehme Fotos geteilt und Fakeprofile erstellt.
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Besonders oft kommt das an Haupt- und Realschulen vor. Nach Aussage der Eltern ist inzwischen aber auch bereits jeder zehnte Grundschüler einmal Opfer von Cybermobbing gewesen. Ein Grund dafür sei die immer verbreitetere Nutzung von Smartphones – dies lasse sich ganz klar beobachten, sagt Pohland. «Bedauerlicherweise setzt man die Prävention aber noch nicht an Grundschulen an, oft fehlt es daran auch schon an den weiterführenden Schulen.»
Die Motive für Mobbing? Die sind vielfältig. Von „weil es cool ist“ bis zu Taten aus Langeweile oder Rache. Die meisten Täter (45 Prozent) sind der Ansicht, dass es die betreffenden Personen verdient hätten. Viele Mobber waren selbst schon Opfer. Oft trauen sich Betroffene nicht einmal mehr in die Schule, so Pohland. Wichtig sei es in solchen Fällen, ein offenes Ohr zu haben.