Becker spricht in Interview über Lebensgefahr im Knast – und einen Brief aus Hamburg
Es ist eines der spektakulärsten Interviews des Jahres: Boris Becker hat sich am Dienstagabend bei Sat.1 ausführlich zu seiner Zeit in britischer Haft geäußert – unter Tränen schilderte er Moderator Steven Gätjen auch zwei lebensgefährliche Situationen.
Im Londoner Gefängnis Wandsworth, in dem Becker die ersten Wochen nach seiner Verurteilung verbrachte, habe ihn ein Mithäftling erpressen wollen. Der „wollte aber an meine Kohle“, sagte der 55-Jährige in einem am Dienstagabend ausgestrahlten Exklusiv-Interview mit Sat.1. Andere Mitgefangene hätten ihn vor dem Mann beschützt, der wegen mehrfachen Mordes bereits 25 Jahre hinter Gittern gesessen habe.
Auch im Gefängnis Huntercombe westlich der britischen Hauptstadt, wo Becker den Großteil seiner rund siebeneinhalb Monate langen Haft verbrachte, habe ihn ein Mitinsasse bedroht. „Ich habe so gezittert“, schilderte Becker den Moment. „Der wollte mir an die Wäsche und hat mir auch verbal erklärt, was er mit mir machen will.“ Er sei aber so gut vernetzt gewesen, dass zahlreiche andere Gefangene ihm zu Hilfe geeilt seien. Am nächsten Tag habe sich dann der Mann vor ihm auf den Boden geworfen und entschuldigt. Becker habe ihn hochgezogen und umarmt, erzählte der einstige Ausnahmesportler unter Tränen.
Boris Becker im Interview: „Natürlich war ich schuldig“
Becker bekannte sich im Interview auch öffentlich zu seiner Schuld. „Natürlich war ich schuldig“, sagte er und zeigte sich selbstkritisch: „Vielleicht habe ich nicht genügend Reue gezeigt im Zeugenstand“.
Der aus dem baden-württembergischen Leimen stammende Becker war Ende April von einem Gericht in London zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er Teile seines Vermögens in seinem Insolvenzverfahren nicht ordnungsgemäß angegeben hatte. Er war am Donnerstag – nach 231 Tagen hinter Gittern – freigekommen.
Becker, der deutlich schlanker aussah als noch vor der Haft, berichtete von Hungergefühlen während seines Gefängnisaufenthalts. „Ich hab natürlich sehr viel Gewicht verloren“, sagte er in dem Gespräch mit Moderator Steven Gätjen. „Ich bin mit 97 Kilo ins Gefängnis gekommen und hatte dann mal knapp 90 Kilo.“
Becker fügte hinzu: „Ich hab zum ersten Mal in meinem Leben Hunger gefühlt, also bin hungrig ins Bett gegangen. Ich dachte, dass ich mit 54 Jahren schon alles erlebt habe, aber das war neu.“ Zu einem Fotovergleich mit Aufnahmen von vor und nach der Haft sagte Becker: „Es ist der gleiche Mensch, aber es sind zwei verschiedene Leben.“
Becker sagte seiner Partnerin: „Du musst nicht auf mich warten“
Becker versuchte sich demonstrativ gefasst zu geben, musste aber immer wieder unter Tränen innehalten. Als die Sprache auf seine Partnerin Lilian kam, die am Rande des Studios saß, wurden seine Augen aber feucht. Der Tag seiner Verurteilung am 29. April sei ihr Geburtstag gewesen. Er habe seiner Partnerin offen gesagt: „Meine Liebe, Du musst nicht auf mich warten. Du bist eine junge Frau, du stehst auf eigenen Füßen in der Welt, du bist finanziell unabhängig, ich weiß nicht wie lange ich ins Gefängnis muss“, sagte Becker. „Dann hat sie mich umarmt und gesagt: „Red nicht so einen Scheiß, wir schaffen das zusammen!““, berichtete Becker weiter, sichtlich um Fassung bemüht. Dann seien sie am nächsten Morgen ins Taxi gestiegen, „sind zum Gericht gefahren und waren bereit für alles.“
Auch die Beziehung zu seinen älteren Kindern Noah, Elias sowie Anna, mit der er häufig telefoniert habe, sei während der Haft enger geworden. Vor dem Richterspruch habe er auch noch ausführlich mit seinen Kindern gesprochen. Noah begleitete ihn wie Partnerin Lilian beim Urteil ins Gericht. Der Ex-Tennisstar gab in dem Interview meist lange Antworten – etwa dazu, dass er hinter Gittern Englisch und Mathe unterrichtet hat.
Brief von Michael Stich hat Becker sehr berührt
Becker berichtete, dass mehrere prominente Freunde ihn nicht im Gefängnis besuchen durften. So sei etwa Fußballtrainer Jürgen Klopp von den Behörden abgelehnt worden. „Jürgen darf dich nicht besuchen, weil der ist zu bekannt. Wir haben Angst um seine Sicherheit, und wir wollen den Rummel nicht“, gab Becker das Gespräch wider. Mut und Kraft habe er aus zahlreichen Briefen geschöpft, die ihm Fans und Bekannte schickten. Darunter seien auch Überraschungen gewesen: „Michael Stich hat mir einen dreiseitigen Brief geschrieben“, erzählte Becker über seinen Tennis-Kollegen aus Hamburg. Das habe ihn sehr berührt. Auch andere frühere Davis-Cup-Freunde und Prominente wie die Tennis-Trainerin Barbara Rittner hätten ihm geschrieben. (dpa/mp)