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Kritik an Corona-Obergrenze: „Gesundheitsämter werden in die Knie gehen“

Um zu verhindern, dass durch die Lockerungen der Corona-Maßnahmen die Fallzahlen ungehindert in die Höhe schießen, haben Bund und Länder eine Obergrenze vereinbart: Ab 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in Landkreisen oder Städten greift eine „Notbremse“ und die Beschränkungen werden wieder verschärft. Diese Vereinbarung stößt allerdings auf massive Kritik – die Grenze sei viel zu hoch angesetzt.

Unter anderem der Bundesverband der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) hat die vereinbarte Infektionsobergrenze als viel zu hoch kritisiert. „Wie die Gesundheitsämter damit klar kommen sollen, ist mir ein Rätsel. Das ist nicht zu schaffen“, sagte die Verbandsvorsitzende Ute Teichert am Freitag gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die Gesundheitsämter werden ohne dauerhafte Personalunterstützung in die Knie gehen.“

Auch der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), hält die Corona-Obergrenze für zu hoch. Er respektiere „die Notbremse, die Angela Merkel bei den Neuinfektionen eingebaut hat“, sagte Haseloff am Sonnabend dem „Tagesspiegel“. Aber Sachsen-Anhalt werde deutlich darunterbleiben. „Wir werden da wesentlich vorsichtiger herangehen, als es der Bund verabredet hat“, betonte Haseloff.

Grüne und SPD warnen vor Überforderung

Grüne und SPD warnen derweil vor Überforderung der Kommunen. „Die Kommunen haben weder die Expertise noch das Personal, wirkungsvoll die Ursachen ihrer lokalen Ausbrüche zu erkennen oder zu bekämpfen“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach am Sonnabend dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Lauterbach kritisierte damit den vereinbarten Beschluss von Bund und Ländern, wonach fortan vor allem die Kommunen bei Maßnahmen zur Eindämmung des Virus gefragt sind. „Da der ganze Übergang in ihre Verantwortung unvorbereitet und plötzlich erfolgte, kann ich mir nicht vorstellen, wie die lokale Eingrenzung funktionieren kann, wenn an vielen Orten die Infektionszahlen hochschnellen würden“, betonte Lauterbach mit Blick auf den Kreis Greiz in Thüringen und Coesfeld in Nordrhein-Westfalen, wo der kritische Wert von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner derzeit überschritten wird.

Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt pocht auf Hilfe für die Kommunen und fordert Unterstützung für Gesundheitsämter, damit diese die Vorgaben umsetzen können: „Dafür braucht es einheitliche Richtlinien für die Krisenregionen. Es muss klar sein, wer und wann getestet wird. Es muss sichergestellt sein, dass die Gesundheitsämter ausreichend Personal- und Testkapazitäten zur Verfügung haben“. Die Kosten dafür dürften nicht allein den Kommunen angelastet werden.

Drei Kreise in Deutschland haben Obergrenze überschritten

Bislang liegen die meisten Landkreise in Deutschland deutlich unter der von Bund und Ländern festgelegten Obergrenze. Einer Erhebung des RKI zufolge sind erst drei Kreise bekannt, in denen dieser Grenzwert überschritten wird: Greiz in Thüringen, Coesfeld in Nordrhein-Westfalen und Steinburg in Schleswig-Holstein. (dpa/skö)

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