Rechteste Regierung der Geschichte Israels – Proteste von LGBTQ und Palästinensern
Benjamin „Bibi“ Netanjahu ist zurück. Schon öfter stand er israelischen Regierungen vor, die teils am ultrareligiös-rechten Rand verortet wurden. Sein Ruf war, solche Gruppen im Zaum zu halten. Aber diesmal scheint es Zweifel zu geben. Davon zeugen Reaktionen im Land selbst sowie im Ausland. Fakt ist: Das neue Kabinett gilt jetzt schon als das rechteste, das Israel je gesehen hat.
„Düsternis hat sich auf Israel herabgesenkt.“ Deutlicher konnte man die Ängste großer Bevölkerungs-Teile kaum zusammenfassen. Das Zitat stammt von Hila Peer, der Chefin des israelischen LGBTQ-Verbandes, also der lesbisch-schwulen und queeren Gemeinde. In Tel Aviv blockierten LGBTQ-Aktivisten ganze Straßenzüge aus Angst davor, „Menschen zweiter Klasse“ zu werden, wie Peer das nannte. Auch vor der Knesset in Jerusalem wurde demonstriert, während und nachdem die neue Regierung Netanjahus vereidigt wurde.
Demos in Jerusalem und Tel Aviv
Andere Demonstrierende setzten Netanjahu mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un gleich. Und viele fürchteten einen härteren Umgang mit den Palästinensern. Immer wieder wird Israel von Terror-Anschlägen der Hamas getroffen. Aber auch palästinensische Zivilisten fühlen sich im Alltag teils von israelischen Organen unterdrückt.
Auch der engste Verbündete Israels sah sich in Person von Joe Biden zu einer Art versteckter Warnung veranlasst. Zwar gab es keine offene Kritik. Aber die Gratulation des US-Präsidenten umfasste auch die eher ungewöhnliche Feststellung, dass man an der Zweistaaten-Lösung unbedingt festhalten wolle.
Regierung will Siedlungs-Politik vorantreiben
Die Netanjahu-Regierung hat bereits angekündigt, die israelische Siedlungs-Politik voranzutreiben. Also Siedlungen mit Israelis zu besetzen, die die Palästinenser für einen eventuellen eigenen Staat beanspruchen. Biden gilt als Gegner der Siedlungs-Politik, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Donald Trump. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sandte komplett kritikfreie Glückwünsche und betonte die enge Freundschaft Deutschlands und Israels.
Und wie berechtigt sind die Befürchtungen nun? Ein Blick auf das neue Kabinett lässt sie leider nicht unbegründet erscheinen. Der neue Bauminister Yitzhak Goldknopf etwa gilt als religiöser Hardliner, der Jahre damit zubrachte, Unternehmen zu bekämpfen, die am Schabbat aktiv sind – was laut orthodoxem Regelwerk verboten ist.
Korruption im Innenministerium
Der neue Innenminister, der ultraorthodoxe Aryeh Deri, hatte den Posten schonmal inne. Damals, von 2000 bis 2002, soll er aber Bestechungsgelder entgegengenommen haben, wurde deswegen auch verurteilt.
Der neue Finanzminister Belazel Smotrich indes wurde schonmal wegen Verdachts auf terroristische Aktivitäten festgenommen, ist Mitgründer der rechten Organisation „Regavim“, die sich gegen vermeintlich illegalen Häuserbau von Palästinensern engagiert.
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Als besonders hart gilt der neue Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir von der Partei Jüdische Stärke. Er gilt als bekennender Rechtsradikaler. Die Knesset hat vor einigen Tagen eigens Gesetze geändert, um ihm größere Befugnisse über den Polizei-Apparat zu erlauben.
Auf Homosexuelle, Palästinenser und Linke könnten tatsächlich schwerere Zeiten zukommen in Israel. (km)