Der Serien-Schocker, den Sie vielleicht besser nicht ansehen sollten
Der „Säurefassmörder“ ist noch heute vielen ein Begriff. Um 1990 trieb er rund um Hamburg sein Unwesen. Der Familienvater und krankhafte Sadomasochist aus Rahlstedt entführte drei Frauen, die er im eigenen Atombunker folterte. Zwei der Opfer zersägte er und vergrub sie in Säurefässern unter der Erde. Mit „Gefesselt“ startet Amazon Prime Video heute eine True-Crime-Serie über den Mörder – ein Sechsteiler zwischen der Normalität des Bösen und ekelerregender Brutalität. In der Hauptrolle glänzt Oliver Masucci.
Vom Landgericht Hamburg wurde Lutz R. 1996 für seine Morde zur Höchststrafe verurteilt: lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung. Eine Kriminalbeamtin war ihm damals auf die Spur gekommen – gegen viele Widerstände ihrer meist männlichen Kollegen hatte sie ermittelt.
Serie über den Säurefassmörder aus Hamburg
Die grausigen Taten im Umfeld biederer Reihenhäuser haben den Streaming-Dienst zu seiner ersten – fiktional ausgeschmückten – True-Crime-Serie angeregt: „German Crime Story: Gefesselt“. In den Hauptrollen zeigen der TV-Star Oliver Masucci („Dark“) als Schwerverbrecher Raik Doormann und Angelina Häntsch („Die Quellen des Bösen“) als Opferbetreuerin und spätere Kommissarin Nela Langenbeck ihre jeweils eigene sehr intensive Präsenz. Doch inwieweit die beiden hervorragenden Schauspieler die Zuschauerinnen und Zuschauer dauerhaft zu fesseln vermögen, dürfte stark von deren persönlichen Nerven abhängen.
Denn die Geschichte aus den tiefsten Abgründen der Seele gerät teils so ekelerregend brutal, dass manch einer abschalten dürfte. Oder – zumal bei Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen – gar nicht erst einschalten sollte. Etwa, wenn Doormann sein an die Bunkerdecke gekettetes Opfer mit einer unappetitlichen dunklen Masse aus einem Eimer einreibt und so zum sexuellen Höhepunkt bringt. So viel Detail müsste auch bei Verbrechen dieses Kalibers nicht sein.
Lutz R. aus Rahlstedt entführte drei Frauen und folterte sie
Dem Team sei „ein Sittengemälde der Zeit“ gelungen, so Regisseur Florian Schwarz. Eine lange Drehbuch-Phase, bei der neue Recherche-Ergebnisse den Blick auf das Ganze immer wieder verändert hätten, sei vorausgegangen. Etwa mit Blick auf die Frauenrollen: Vor 30 Jahren hätten bei der Polizei viel weniger Frauen gearbeitet, so Schwarz, und deren Wort habe damals kaum Gewicht gehabt. In der Serie gerät die so einfühlsam wie hartnäckig agierende Angelina Häntsch als Ermittlerin Langenbeck – entsprechend dem heutigen Zeitgeist – zu einer Leitfigur des Feminismus.
Im Mittelpunkt der mit Zeit- und Ortssprüngen arbeitenden Inszenierung im stimmungsvollen 80er-Jahre-Ambiente steht und fällt jedoch der spürbar lustvoll agierende langjährige Burgtheater-Star Masucci. „Den netten hilfsbereiten Psychopathen von nebenan“ habe er darstellen wollen, so Masucci über seine Dr.-Jekyll-und-Mr.-Hyde-Figur. Ächzend, mit Schnauzer und strähnigen Haaren zerrt sein eher durchschnittlich aussehender Doormann gleich zu Anfang einen Frauenkörper aus dem Bunker.
Brutal und ekelerregend: „Gefesselt“ auf Amazon Prime
Das Opfer war zwischen Marmeladengläsern, Konservendosen und Babywindeln getötet worden. Der Täter streichelt in seinem weißen Marmorbad mit goldenen Armaturen (Frau und Sohn sind gerade verreist) erst noch liebevoll ein Bein. Dann setzt er die Säge an. Er lagert die Leichenteile schließlich im Kofferraum seines Autos und ruft seinem Nachbarn in unverkennbar hamburgischem Tonfall ein launiges „Moin, Dieter!“ entgegen.
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Obwohl ihm Tierschützer seinen Beruf längst „versaut“ haben, trägt der Kürschner Doormann gern einen Pelzmantel. Das üppige Kleidungsstück ist für ihn ein Machtsymbol, mit dem einst Könige auftraten. So sehnt er sich denn auch nach dem Auswandern – ins mittelamerikanische Costa Rica. Weil dort der Mann noch als Mann respektiert werde, wie seine Stimme aus dem Off erklärt. Dafür braucht Doormann Geld. Und das will er mit Erpressung der Angehörigen der Entführten verdienen.
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In der Serie bleibt das Treiben des Serienmörders lange unentdeckt, die Hintergründe werden aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Damit habe er das Sittengemälde wieder zerstückeln wollen, so Regisseur Florian Schwarz, „wie ein kubistisches Bild“.
„Gefesselt“: seit Freitag, 13.1., Amazon Prime Video