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Streit endet im Blutbad: Unbescholtener Bürger oder Totschläger? 54 Jähriger angeklagt

Wilhelmsburg –

Es war ein heftiger Streit, der für einen Mann tödlich endete: Am 3. Oktober vergangenen Jahres war ein Mann in Wilhelmsburg während einer Auseinandersetzung mit einem Messer auf einen 47-Jährigen losgegangen. Der Sohn des Opfers versuchte noch, den Angreifer abzuwehren. Der 23-Jährige wurde dabei schwer verletzt, für den Vater kam jede Hilfe zu spät. Ab Freitag steht der mutmaßliche Täter vor Gericht.

Rückblick: Es ist der Morgen des 3. Oktober 2019 gegen 6.15 Uhr, als die Polizei an der Grotestraße eintrifft. Auf dem Gehweg liegt ein Mann (47) mit mehreren Stichverletzungen am Oberkörper. Rund 30 Meter weiter liegt Ismail S. Der 54-Jährige aus Glinde hat blutige Wunden am Kopf, offenbar die Folge von Tritten oder Schlägen mit einer Eisenstange, auch am Fuß ist er verletzt. Er steht im Verdacht, den 47-Jährigen getötet zu haben.

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Prozess in Hamburg: Mann aus Glinde angeklagt

An der Georg-Wilhelm-Straße, nur wenige hundert Meter entfernt, finden die Einsatzkräfte den Sohn des Opfers. Auch er weist stichähnliche Verletzungen an den Händen auf. Er sackt vor den Polizisten zusammen. Die drei Männer werden von einem Notarzt behandelt, anschließend in ein Krankenhaus gebracht, wo das Opfer kurz darauf stirbt.

Mordermittler an der Grotestraße in Wilhelmsburg.

Mordermittler an der Grotestraße in Wilhelmsburg.

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Joto

An der Türklinke der Wohnung, wo Vater und Sohn wohnen, findet die Polizei im Eingangsbereich Blutspuren. Es wirkt so, als habe jemand mit Gewalt gegen die Tür geschlagen. Auf die Frage nach dem möglichen Motiv erklärte die Polizei kurz nach der Tat, dass das Opfer und der Verdächtige wohl eine Vorbeziehung geschäftlicher Natur hatten. „Wir überprüfen, ob möglicherweise Geldschulden Hintergrund des Streits gewesen sein können“, so ein Polizeisprecher damals.

Prozess wegen Totschlags gegen Ismail S.

Ismail S. muss sich ab Freitagnachmittag wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht verantworten. Ihm droht eine Gefängnisstrafe von 5 bis 15 Jahren.

Laut Anklage soll er auf der Straße unvermittelt mehrfach mit einer Metallstange auf Necdet U. eingeschlagen und dann mit einem Klappmesser auf ihn eingestochen haben. U. verstarb infolge innerer Blutungen, während sein ihm zu Hilfe eilender Sohn Nervenschädigungen und eine Durchtrennung von Sehnen an den Händen sowie Blutungen in der Bauchhöhle erlitt.

Ismail S. äußert sich nicht – Verteidiger: „Das war Notwehr“

Am ersten Prozesstag wollte der Angeklagte keine Angaben machen. Stattdessen gaben seine beiden Verteidiger ein Statement ab. Sie betonten, dass ihr Mandant in Notwehr gehandelt habe und dass man nun im Prozess die Wahrheit herausfinden müsse.

Bei dem Streit ging es um eine angeblich nicht erbrachte Handwerkerleistung in Höhe von 1800 Euro. Der 47-Jährige hatte Verputzungsarbeiten erledigen sollen und dafür einen Vorschuss erhalten. Diesen habe der 54-Jährige zurückgefordert. Dafür war der Angeklagte zum Wohnort des Handwerkers in Wilhelmsburg gefahren.

Nach Aussagen seines Pflichtverteidigers Oliver Klostermann gibt es erhebliche Zweifel an der Darstellung der Staatsanwaltschaft. „Es gab keinen Streit“, sagte Klostermann. Diese Angaben beruhten lediglich auf Zeugenaussagen. Auch habe sein Mandant weder die Eisenstange, noch das Klappmesser bei sich gehabt. Der 54-Jährige sei „ein angesehener Bürger der Stadt Glinde“, wohlhabend und gläubiger Moslem, der mit seiner Frau und für seine Eltern zur Haddsch nach Mekka gefahren sei. Warum sollte ein bisher unbescholtener Bürger jemanden wegen 1800 Euro umbringen? Dagegen seien dem 47-Jährigen die Schulden über den Kopf gewachsen.

Auch der zweite Verteidiger Bernd Wagner warnte davor, nur Beweise für die eine Seite zu suchen. Die Anwendung von Gewalt passe eher in das Leben des 47-Jährigen. Außerdem hätte die Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern auch umgekehrt ausgehen können. Sein Mandant habe klar und deutlich gesagt, dass er angegriffen wurde.

Das Gericht präsentierte anschließend die Eisenstange und das Klappmesser, mit denen die Männer sich die Verletzungen zugefügt hatten. Außerdem wurden zwei Notrufe gehört: Als erstes der Notruf einer Nachbarin, die die Polizei alarmiert hatte, weil vor ihrem Haus zwei Männer „aufeinander einprügelten“. Anschließend der Anruf des 54-Jährigen, der schwer atmend stammelte, dass er angegriffen wurde und verblute.

Der Prozess soll am Dienstag mit der Vernehmung des Sohnes des Opfers fortgesetzt werden.

Anm. d. Red.: In einer früheren Version war fälschlicherweise davon die Rede, dass es sich bei dem Handwerker um den mutmaßlichen Täter handelt. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.

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