• Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).
  • Foto: imago images/Chris Emil Janßen

Streit um Beherbergungsverbot: So positioniert sich Hamburg

Ein Thema, das die Gemüter erhitzt: das Beherbergungsverbot. So dürfen zum Beispiel Berliner zum Einkaufen nach Brandenburg, aber dort nicht mehr in Hotels übernachten. Viele Politiker halten die Regelungen nicht gut durchdacht – und sagen das, wie Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher, recht deutlich. 

„Wir machen das mit, aber damit versetzen wir der Pandemie keinen entscheidenden Schlag“, sagte Peter Tschentscher in einem Interview mit dem „Spiegel“.

Damit meinte er das kürzlich beschlossene Beherbergungsverbot für Menschen aus Corona-Hotspots. Die Regelung wurde in der vergangenen Woche eingeführt – doch großen Anklang fand sie bei den Vertretern der Bundesländer nicht.  

Tschentscher in Hamburg: Reisebeschränkungen zwischen Landesgrenzen nie gutgefunden

„Wir haben in Hamburg nie Reisebeschränkungen zwischen den Landesgrenzen gutgefunden, weil es einfach auch schwierig ist“, erklärte Hamburgs Bürgermeister kürzlich in einem Gespräch mit dem NDR.

Es nütze nichts, wenn Menschen aus Hotspots nicht in Flächenländer reisen dürften, umgekehrt aber die Menschen aus den Randgebieten zum Arbeiten oder Ausgehen in die Großstädte fahren, so Tschentscher. Wichtig sei weiterhin, die Corona-Regeln wie Abstand halten, Maske tragen und Lüften zu beachten.

Keine Beherbergung: 48-Stunden-Regelung für Menschen aus Corona-Hotspots

In Hamburg gibt es kein generelles Beherbergungsverbot für Menschen aus innerdeutschen Risikogebieten, wie beispielsweise in Niedersachsen. Menschen, die aus Gebieten einreisen möchten, müssen einen negativen Corona-Test vorweisen, der maximal 48 Stunden alt ist. Zudem dürfen sie sich in den vergangenen zwei Wochen nicht in Risikogebieten aufgehalten haben.

Beherbergungsverbot: Politiker fordern eine Rücknahme der Regelung

Die Kritik an der noch sehr jungen Regelung nimmt aktuell zu. Zahlreiche Politiker fordern eine Rücknahme der erst in der vergangenen Woche beschlossenen Regelung.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kündigten an, darüber auch am Mittwoch bei der Ministerpräsidentenkonferenz zu reden. Derweil stellte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Gastronomen und Hoteliers, die durch die Beschränkungen Verluste erleiden, zusätzliche Hilfen in Aussicht.

Video: Neue Corona-Regelungen treten in Kraft

Der Präsident des Deutschen Städtetages, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, sprach sich dafür aus, das Beherbergungsverbot für Reisende aus Corona-Risikogebieten zurückzunehmen. Die Regelung sei „nicht durchdacht, da wird man noch mal rangehen müssen“, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). „Denn wir haben keine Hinweise darauf, dass Hotels oder der Verkehr mit Bus und Bahn Hotspots sind. Die Hotspots entstehen ganz woanders.“

Auch in Hamburg: Viele Bundesländer einigten sich auf 48-Stunden-Regelung

Die meisten Bundesländer hatten am Mittwoch beschlossen, dass Bürger aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen bei Reisen innerhalb von Deutschland nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorlegen können. Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen.

Lauterbach (SPD) zum Beherbergungsverbot: „Da wurde ein Fehler gemacht.“

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagte: „Da wurde ein Fehler gemacht, das müsste abgeräumt werden“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „Keine Studie zeigt, dass das Reisen innerhalb Deutschlands ein Pandemietreiber ist. Ich löse mit diesen Regeln also kein Problem, weil es da kein Problem gibt.”

Die Grenze von 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner werde ohnehin in sehr kurzer Zeit an sehr vielen Orten in Deutschland überschritten werden. Viele Details der Regelung wirkten zudem willkürlich. „Wenn man Regeln wie diese trotzdem aufrecht erhält, verliert man die Unterstützung der Bevölkerung für Regeln, die sinnvoll und wichtig sind.“

Berliner Bürgermeister: Verbote zwischen Berlin und Brandenburg machen doch keinen Sinn

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller kündigte an, dass die Beherbergungsverbote bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch noch einmal beraten werden. „Jetzt sehen wir bundesweit, wie die Zahlen (…) in allen Großstädten nach oben gehen. Beherbergungsverbote zum Beispiel zwischen Berlin und Brandenburg machen doch gar keinen Sinn“, sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. „Wir haben Hunderttausende Pendler jeden Tag. Die begegnen sich im Einzelhandel, im Nahverkehr, auf der Arbeit. Und dann darf ein Berliner aber zwei Tage nicht im Spreewald übernachten. Das macht alles keinen Sinn.“

Laschet in NRW: „Wir sollten darüber nochmal reden“

NRW-Ministerpräsident Laschet erklärte, sein Land habe eine entsprechende Regelung zwar verankert, aber nicht in Kraft gesetzt. „Wenn in einer Region etwas explodiert, muss man anders reagieren, als wenn Sie inzwischen in Deutschland 30 Städte und Kreise haben, die den entsprechenden Wert überschritten haben“, sagte er am Sonntagabend im ZDF-„heute journal“. Wenn jeder sich frei-testen lasse, damit er doch reisen könne, würden wertvolle Testkapazitäten nicht sinnvoll eingesetzt. „Wir sollten, finde ich, darüber noch mal reden.“

Kritik kam auch aus der Opposition. „Die pauschale Einschränkung der Freizügigkeit innerhalb Deutschlands empfinde ich als unverhältnismäßig“, sagte FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner der „Welt” (Montag). Nur der Wohnsitz in einem sogenannten Risikogebiet mache aus vorsichtigen Menschen nicht sofort ein Risiko.

Regelung auch in Hamburg: Einstufung als Risikogebiet muss auf Basis von mehr Parametern erfolgen 

„Die Einstufung von Risikogebieten selbst muss zudem auf der Basis von mehr Parametern erfolgen als nur der Zahl der Neuinfektionen.“ Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte der Zeitung: „Das geltende Beherbergungsverbot ist unlogisch, denn es verbietet beispielsweise Reisen von Berlin nach Brandenburg, aber nicht umgekehrt.“

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) erwartet noch in dieser Woche Klagen gegen das Beherbergungsverbot. „Ich gehe davon aus, dass hier in den nächsten Tagen Gerichtsverfahren anhängig gemacht werden“, sagte Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges am Sonntagabend im „Bild“-Gesprächsformat „Die richtigen Fragen“. Insbesondere das Übernachtungsverbot begegne erheblichen rechtlichen Bedenken.

Video: Das macht Corona mit dem Gehirn

Kanzleramtsminister Helge Braun verteidigte das Beherbergungsverbot dagegen. „Mecklenburg-Vorpommern hat als Ganzes eine Inzidenz von etwas um die 5, und Berlin über 60. Wenn es zu solchen Unterschieden im Infektionsgeschehen kommt, ist, glaube ich ganz klar, dass jeder sich schützen will, und dann ist so was am Ende unvermeidlich“, sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“.

Das eigentlich Wichtige sei, dass die Städte unter die 50er-Grenze kommen, sagte Braun. „Wenn wir das schaffen, ist auch der Reiseverkehr kein Problem.“ Das Beherbergungsverbot sei deshalb eine „echte Notfallmaßnahme“.

Corona: Altmaier stellt Gastronomen Hilfen in Aussicht

Wirtschaftsminister Altmaier stellte Gastronomen derweil zusätzliche Hilfen in Aussicht. Er sagte im „Bild“-Gesprächsformat „Die richtigen Fragen”: „Wenn sich jetzt herausstellen sollte, dass für die Gastronomen, dass für die Hoteliers und für die Restaurantbesitzer wieder erhebliche neue Umsatzeinbrüche drohen, weil Menschen verunsichert sind und nicht kommen, dann bin ich als Wirtschaftsminister der Meinung: Wir müssen den Betroffenen mehr helfen.“ (…) „Ich möchte nicht, dass diese Familienbetriebe aufgeben und verschwinden und wir am Ende vielleicht nur noch Fast-Food-Ketten haben.“

Darüber hinaus sprach sich Altmaier für mehr Einheitlichkeit in Bezug auf die Corona-Reise-Regeln aus: „Es muss zwingend eine einheitliche und eine klare Regelung geben, damit jeder Bürger weiß, woran er ist.“ Die 16 Bundesländer stünden in der Verantwortung, sich gemeinsam zu einigen, sagte Altmaier.

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Auch SPD-Chefin Saskia Esken mahnte grundsätzlich ein einheitliches Vorgehen an. „Die Entwicklung der Corona-Infektionszahlen ist besorgniserregend und es muss alles getan werden, um die Pandemie einzudämmen“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Einheitliche Regelungen beispielsweise bei Reisebeschränkungen sollten im Infektionsschutzgesetz verankert werden. Dies diene der Akzeptanz in der Bevölkerung. (maw/dpa)

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