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„Verstörend und nicht hinnehmbar“: Trotz Kritik – Politiker plädieren für Demo-Recht

Berlin –

Sie hielten sich weder an Abstandsregeln, noch trugen sie einen Mundschutz: Am Samstag protestierten in Berlin nach Angaben der Polizei rund 20.000 Menschen gegen die Corona-Regeln der Bundesregierung. Die Demo wurde letztendlich am späten Nachmittag aufgelöst, nachdem die Teilnehmer der wiederholten Aufforderung zur Einhaltung der Corona-Auflagen nicht folgten. Nach der Veranstaltung wurde die Forderung laut, solche Veranstaltung von vornherein zu verbieten – die Politik hat eine klare Antwort.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat sich in der Diskussion um die massenhaften Verstöße gegen Corona-Regeln bei der Berliner Großkundgebung am Wochenende gegen ein Verbot solcher Veranstaltungen ausgesprochen. „Ich finde es ganz wichtig, dass wieder Demonstrationen stattfinden können und Menschen dort ihre Meinung, auch zur aktuellen Corona-Politik der Bundesregierung, frei und öffentlich äußern können“, sagte Lambrecht am Montag dem „Spiegel“.

Doch die SPD-Politikerin äußert auch Kritik an den Demonstranten vom Wochenende: „Es ist aber verstörend und nicht hinnehmbar, wenn dabei bewusst und provokativ gegen die geltenden Corona-Schutzvorschriften verstoßen wird“, fügte die Ministerin hinzu. Die Behörden vor Ort müssten in solchen Fällen konsequent dafür sorgen, dass die Vorschriften durchgesetzt werden. Dies gelte „unabhängig davon, welches Ziel die jeweilige Demonstration hat“. 

Berlin: Bundesjustizministerin Lambrecht gegen ein Verbot von Corona-Demos

Auch andere Politiker sprachen sich gegen die Forderung aus, solche Demonstrationen zu verbieten – so auch Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD). Grundrechte dürften nur zeitlich begrenzt und mit guter Begründung eingeschränkt werden, sagte er dem „Spiegel“. „In Berlin stehen alle Corona-Ampeln noch auf Grün. Da sind neuerliche Verbote schwer zu begründen.“

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Der rheinland-pfälzische Innenminister und SPD-Landeschef Roger Lewentz wies ebenfalls jeglichen Eingriff in die Versammlungsfreiheit zurück. „Wir haben ausreichend Mittel, Versammlungen aufzulösen, die aus dem Ruder laufen. Eine Verschärfung ist da absolut nicht notwendig“, sagte er dem Magazin. „Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut. Auch mit solchen Vorfällen wie in Berlin muss die Demokratie umgehen können.“

Ramelow (Linke): „Nehmen sich das Recht heraus, andere anzustecken“

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat zu einem konsequenteren Vorgehen bei Verstößen gegen Corona-Maßnahmen während Demonstrationen aufgerufen: „In dem Moment, da die Auflagen nicht eingehalten wurden, hätte der Veranstalter in Haftung dafür gehen müssen“, so Ramelow. Für Einschränkungen des Versammlungsrechts sprach er sich jedoch nicht aus, im Gegenteil: „Das Versammlungsrecht ist ein viel zu hohes Gut, um eingeschränkt zu werden.“

Dennoch fand Ramelow für die Teilnehmer der Corona-Demo klare Worte: „Sie schreien, der Staat nehme ihnen die Freiheit – und dann nehmen sie sich selbst die Freiheit, keine Schutzmasken zu tragen und den Mindestabstand nicht einzuhalten. Und sie nehmen sich das Recht heraus, andere anzustecken.“

Linken-Politiker mit klaren Worten zu Corona-Demonstranten

Bei der Demo gegen die Corona-Maßnahmen am Wochenende kam ein bunt gemischtes Publikum zusammen. Neben Corona-Leugner und Impfgegnern fanden sich hier auch viele Teilnehmer mit eindeutig rechtsgerichteten Fahnen oder T-Shirts in der Menge. Die Demo wurde letztendlich von der Polizei aufgelöst, wobei sich dieser Vorgang bis in die Nacht hinein zog. 

Ramelow fügte hinzu, dass die Polizei immer schon Versammlungen aufgelöst habe, bei der die Teilnehmer gegen die Regeln verstoßen hätten: „Ob das einst gegen die Anti-Atomkraftbewegung in Wackersdorf war oder ob es die Krawalle beim G20-Gipfel in Hamburg waren. Da wurde hart durchgezogen. Am Samstag hätte es auch so sein müssen.“ Das Versammlungsrecht müsse einfach nur angewendet werden, so der Linken-Politiker.

AfD-Ko-Chef Chrupalla begrüßt Corona-Demo

Wie zu erwarten, begrüßte der AfD-Ko-Parteichef Tino Chrupalla die Großdemonstration gegen die Corona-Politik. „Wenn man diese Bilder gesehen hat, ist es lobenswert, dass so viele Menschen auf den Straßen Berlins unterwegs waren und für ihre Grundrechte demonstriert haben“, sagte Chrupalla am Dienstag im ARD-„Morgenmagazin“. 

Auf die Kritik an der Demonstration wegen der Missachtung der Corona-Regeln verwies Chrupalla auf „unterschiedliche Meinungen bei Virologen und Ärzten“. Die Infektionsgefahr sei unter freiem Himmel deutlich geringer als in geschlossenen Räumen. Chrupalla beklagte eine „Doppelmoral“ von Politik und Medien und bezog sich damit auf die „Black Lives Matter“-Demonstration vor einigen Wochen in Berlin. Dort sei im Anschluss nicht über Abstand und Mundschutzregel diskutiert worden, sagte Chrupalla. 

Video: Anti-Corona-Demo – Scharfe Kritik aus der Politik

Kritik äußerte Chrupalla ebenfalls an der SPD-Parteichefin Saskia Esken. Er finde es „schändlich“, wie Esken über die Demonstranten urteile. Sie sage „zum richtigen Zeitpunkt immer wieder das Falsche“. Esken hatte die Demonstranten in Berlin am Samstag bei Twitter als „Covidioten“ bezeichnet.

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