Kein Gutachten: Hamburger Behörde verteidigt Umgang mit Ibrahim A.
Ibrahim A. wurde nach Aufhebung des Haftbefehls sofort entlassen – ohne ein umfassendes psychiatrisches Gutachten. Das ergaben Recherchen des NDR. Nun wehrt sich die Hamburger Justizbehörde: Für ein solches Gutachten habe es zum damaligen Zeitpunkt keine Grundlage gegeben.
Die Recherchen des NDR im Fall des mutmaßlichen Doppelmörders von Brokstedt sorgten am Freitag für Empörung: Demnach habe es kein Prognose-Gutachten über Ibrahim A. gegeben. Die veröffentlichte Diagnose, wonach keine Fremd- und Eigengefährdung von ihm ausgehe, bezog sich lediglich auf die Haftsituation am Tag der Untersuchung. Der behandelnde Psychiater habe nicht einmal gewusst, dass der Mann am nächsten Tag entlassen werden sollte, so der NDR.
In einer Stellungnahme äußert sich die Justizbehörde in Hamburg nun zu den Recherchen rund um den mutmaßlichen Täter von Brokstedt. Sie sagt: „Für ein solches Gutachten gab es keine Grundlage.“ Ibrahim A. sei nach Aufhebung des Haftbefehls sofort und ohne Auflagen aus der Untersuchungshaft zu entlassen gewesen. Wenige Tage später, am 25. Januar, soll er in einem Regio zwischen Kiel und Hamburg zwei junge Menschen getötet und mehrere verletzt haben.
Hamburg: Justizbehörde äußert sich zu Gutachten
Derzeit werden immer neue Hinweise aus der Haftzeit Ibrahim A.s bekannt: Er sei im Gefängnis bereits auffällig gewesen, war in seiner rund einjährigen Untersuchungshaft in psychiatrischer Behandlung. Im Rahmen seiner regelmäßigen Behandlungstermine habe der Facharzt bei Ibrahim A. jedoch wiederholt aktenkundig festgestellt, dass keine Eigen- oder Fremdgefährdung besteht, so die Behörde. Vor diesem Hintergrund habe man weder einen Anlass, noch die rechtliche Handhabe gehabt, den Mann zur Gefahrenabwehr in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen.
„Mit der Aufhebung des Haftbefehls durch das Landgericht Hamburg war Ibrahim A. unverzüglich in Freiheit zu entlassen. Jede weitere Freiheitsentziehung wäre rechtswidrig gewesen. Auch für Auflagen oder Weisungen bestand bei der Entlassung aus der Untersuchungshaft keine gesetzliche Grundlage. Anhaltspunkte für die Anregung einer rechtlichen Betreuung lagen ebenfalls nicht vor“, schreibt die Behörde.
Vor den aktuellen Recherchen des NDR war jedoch bereits bekannt geworden, dass sich Ibrahim A. während seiner Haftzeit mit dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, verglich und Methadon bekam.
Schleswig-Holstein: Günther fordert schnellere Abschiebung
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) fordert derweil eine schnellere Abschiebung von Straftätern: „Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass jemand, der in unserem Land solche, zum Teil schwere Straftaten begangen hat und deswegen auch zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, sein Gastrecht verwirkt hat“, sagte Günther dem „Hamburger Abendblatt“.
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Es sei „bitter“, dass sich so jemand noch immer in Deutschland aufhalte – bei allen Schwierigkeiten, die es gebe, Kriminelle abzuschieben. „Es gibt einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass wir in diesem Bereich bei Straftätern wirklich viel, viel schneller und effizienter werden müssen“, sagte Günther. Er forderte außerdem, über eine Verschärfung des Strafmaßes bei Straftaten mit Messern nachzudenken. (vd/dpa)