Aus von G+J-Zeitschriften: So reagiert Hamburg
„Demokratieproblem“, „unternehmerische Kapitulation“, „Existenzängste“: Die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft finden viele empörende Worte für das Aus von mindestens 23 Gruner+Jahr-Zeitschriften. Das von RTL aufgekaufte Verlagshaus gehöre schließlich zur DNA der Stadt Hamburg, heißt es in der Aktuellen Stunde. Der Medienstandort Hamburg sei somit in ernster Gefahr.
Eine breite Mehrheit in der Hamburgischen Bürgerschaft hat die von RTL Deutschland geplante Einstellung zahlreicher Zeitschriften des Hamburger Verlagshauses Gruner+Jahr kritisiert. Abgeordnete von SPD, Grünen, CDU, Linken und FDP sprachen am Mittwoch in der Aktuellen Stunde von einem schweren Schlag für den Medienstandort Hamburg und warnten davor, Profite über Qualitätsjournalismus zu stellen. Lediglich bei der AfD war von einer wirtschaftlich nachvollziehbaren Reaktion des Medienkonzerns auf einen veränderten Medienkonsum die Rede.
Hamburgische Bürgerschaft spricht über Aus von G+J-Zeitschriften
RTL Deutschland hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass rund 700 der 1900 Stellen im Zeitschriftensegment wegfallen sollen. Dazu werden Magazintitel eingestellt und Verkäufe geprüft. Große Marken wie „Stern“, „Geo“, „Capital“, „Brigitte“, „Gala“ und „Schöner Wohnen“ sollen erhalten bleiben. Mehr als 20 Titel sollen eingestellt werden. Hintergrund ist das drohende Abrutschen der rückläufigen Publishing-Geschäfte in die Verlustzone.
RTL Deutschland hatte zum Jahr 2022 die deutsche Magazinsparte des Hamburger Verlagshauses Gruner+Jahr in sein Portfolio integriert. RTL will so mehr Synergien schaffen. Beide Häuser gehören zum Bertelsmann-Konzern in Gütersloh.
Abgeordnete betonen Bedeutung von Journalismus für Demokratie
Der für Medien zuständige Kultursenator Carsten Brosda (SPD) warnte davor, Journalismus auf eine Ertragserwartung zu reduzieren. Wenn sich diese wirtschaftliche Sicht durchsetze, werde es bald nur noch wenige große Titel geben: „Und dann haben wir in der Tat ein Demokratieproblem.“
Das könnte Sie auch interessieren: Fall Ibrahim A.: Das Foulspiel der Justizsenatorin
So sieht es auch CDU-Wirtschaftsexperte Götz Wiese: Guter Journalismus sei eine gesellschaftliche Grundfunktion. „Die Funktionstüchtigkeit der Presse stellt das Vertrauen in die Demokratie erst her.“ Gebraucht würden „verantwortungsbewusste Verleger, die den Markt von heute verstehen“.
Ehemalige G+J-Angestellte stehen vor Existenzängsten
Der Medienexperte der Grünen, Farid Müller, nannte das Aus für die Zeitschriften „eine Folge falscher Entscheidungen im Management und eine unternehmerische Kapitulation, die für die Betroffenen vor allem massive Existenzangst bedeutet“.
„Es gab Zeiten, in denen Medienhäuser es für ehrenhaft hielten, Zeitschriften und Zeitungen trotz wirtschaftlicher Verluste zu halten“, sagte der Medienexperte der Linken, Norbert Hackbusch. „Heute rechnet sich ein Unternehmen wie RTL das noch in jüngster Zeit profitable Haus Gruner+Jahr mit obskuren Zahlen krank, nur um diese Titel dann so schnell wie möglich abzuwickeln.“
AfD hält das Aus der Zeitschriften für nachvollziehbar
Der AfD-Abgeordnete Krzysztof Walczak warf den anderen Abgeordneten vor, am Beispiel Gruner+Jahr „einen klassenkämpferischen Popanz“ aufzubauen. „Was das Volk nicht liest, sorgt auch nicht für Umsatz.“ Deshalb sei die unternehmerische Entscheidung nachvollziehbar.
Das könnte Sie auch interessieren: Sicherere Züge, Abschiebungen, Überwachung: Hamburg greift nach Messermorden durch
Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein nannte die Verkleinerung der G+J-Zeitschriftensparte eine weitere „große Niederlage“ für die Hansestadt. „Für viele Hamburger ist Gruner+Jahr DNA dieser Stadt“, sagte sie. Zudem hätten andere Städte wie Berlin und München Hamburg als Medienstandort längst überholt. (dpa/mp)