Warum wollen alle bei Ihnen arbeiten, Herr Westermeyer?
Philipp Westermeyer (44) ist der Gründer von OMR (früher Online Marketing Rockstars), diesem Multifunktionsunternehmen, das alles rund um Online-Marketing anbietet, dazu Podcasts, Fortbildungen und als Flaggschiff das OMR-Festival, das im vergangenen Jahr mehr als 72.000 Besucher nach Hamburg zog. Isa Gardt (32) ist Co-Geschäftsführerin und Sara Sosnowski (28) Personalerin in dem Unternehmen, das inzwischen 400 Menschen beschäftigt. Die MOPO traf die drei im OMR-Firmensitz in der Schanze und sprach mit ihnen über die Erwartungen junger Menschen an ihren Arbeitgeber, über Philipps Traum von einem OMR-Museum und die Bedeutung von Schaukeln im Büro. Im Laufe des Interviews wechselten wir zum „Du“, wie es in dem Unternehmen üblich ist.
Warum wollen alle bei Ihnen arbeiten, Herr Westermeyer?
Philipp Westermeyer: Ist das wirklich so? Dass alle bei uns arbeiten wollen?
Sara Sosnowski: Das ist schon so.
Philipp: Puh, das ist jetzt total schwer für mich zu sagen, was die Leute in uns sehen.
Isa Gardt: Ich kann ja mal erzählen, warum ich hier arbeiten wollte: Ich habe 2013 das erste Mal hier gearbeitet, als Werkstudentin, da bestand das Unternehmen aus drei Personen. 2017, als ich wiederkam, waren es 20, inzwischen sind es über 400 und ich bin in vier Jahren zur Geschäftsführerin geworden. Was mich damals und bis heute begeistert, ist die Unternehmenskultur. Man kann sich ausprobieren und wenn etwas nicht funktioniert, machen wir es anders. Keiner wird hier für Fehler beschämt und es ist trotz des großen Wachstums in den vergangenen beiden Jahren familiär geblieben.
Sara: Die Menschen, die sich bei uns bewerben, die sehen die Strahlkraft von OMR, diesen ganzen Kosmos, der sich um OMR herum aufgebaut hat. Das versetzt uns in die privilegierte Position, dass viele Menschen aktiv auf uns zukommen und bei uns arbeiten möchten. Was in Bewerbungsgesprächen häufig wichtig ist, sind die persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten, die wir bieten. Wichtig sind den Menschen auch die Aufstiegschancen bei OMR.
Philipp: Das sind aber eher Sachen, für die wir gar nicht so viel können. Das Unternehmen ist so jung, wir können Karrierechancen bieten, weil die Positionen einfach noch nicht für die nächsten Jahre besetzt sind, wie es in einem älteren Unternehmen der Fall wäre. Und Weiterbildungen gehören ja zu unserem Angebot, davon profitieren natürlich auch die Mitarbeitenden.
Wie wichtig ist den Bewerbern und Bewerberinnen das Gehalt?
Sara: Die meisten, die sich bei uns bewerben, haben eine konkrete Vorstellung davon, was sie verdienen wollen und es ist auch klar, dass wir derzeit einen Arbeitnehmermarkt haben. Die können sich aussuchen, wo sie arbeiten.
Philipp: Man kann den eigenen Leuten eine Schaukel ins Büro hängen, Gratisgetränke ohne Ende in den Kühlschrank packen und ein Sportstudio bauen – die Wahrheit ist: Das bringt alles nichts, wenn das Gehalt nicht stimmt. Kickertisch und Selbstausbeutung, das sind Startup-Mythen.
Spielen solche Sachen wie Tarifvertrag, Betriebsrat, Gewerkschaften eine Rolle?
Isa: Damit hatten wir bisher keine Berührungspunkte.
Worauf achtet OMR bei den Bewerbungen?
Sara: Natürlich auf die Qualifikationen, aber wir nutzen zum Beispiel zusätzlich auf ausgewählten Stellen ein Tool, einen kleinen Fragebogen, mit dem die Ziele und Werte einer Person erfasst werden. Und es kann auch passieren, dass die Qualifikation vielleicht nicht ganz perfekt ist, aber diese Person genau diejenige ist, die wir für ein Team noch suchen.
Isa: Ich habe vor einigen Jahren beispielsweise 50/50 ins Leben gerufen. 50/50 ist eine Initiative, die nach außen gerichtet ist und mit der wir unsere Community mit auf die Reise in eine gerechtere Zukunft nehmen wollen. Diese Initiative hat Abstrahleffekte nach innen und lässt Führungskräfte zwei Mal mehr darüber nachdenken, ob unsere Teams divers aufgestellt sind. Auf Geschäftsführungsebene sind wir vier, da bin ich noch die einzige Frau. Auf den meisten Ebenen haben wir mittlerweile 50/50 erreicht. In denen, in denen es noch nicht der Fall ist, arbeiten wir aber kontinuierlich weiter. Diversität und Inklusion fördern wir ebenfalls mit weiteren internen, freiwilligen Initiativen. Auch dafür ist es ganz wichtig, auch mal andere Sichtweisen in ein Team zu bringen.
Was könnten sich Firmen aus anderen Branchen von OMR abgucken, um Arbeitnehmende anzulocken?
Isa: Sich modern präsentieren im Netz, alle Kanäle nutzen, um Bewerbende anzusprechen. Wenn der Online-Auftritt aussieht, als wäre er aus dem 90er-Jahre-Baukasten, dann erweckt das den Eindruck, das Unternehmen ist auch bei seinen Produkten und Dienstleistungen vor Jahrzehnten stehen geblieben.
Philipp, kennst du noch alle deine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen?
Philipp: Die meisten. Ich schwebe ja auch nicht irgendwo drüber, sondern arbeite operativ an Themen. Manche sind überrascht, dass sie am ersten Tag gleich mit mir zusammenarbeiten.
Was macht einen guten Chef, eine gute Chefin aus heutzutage?
Philipp: Das, was schon immer eine*n gute*n Chef*in ausmachte. Ehrlichkeit und Freude an der Entwicklung der anderen. Zu sehen, wie die Leute bei uns Karriere machen, dass macht mir am meisten Spaß.
Klingt, als könntest du gut delegieren.
Isa: Das kann er auf jeden Fall, das ist ja auch eine Frage des Vertrauens.
Philipp: Wichtiger als viele Bewerber*innen finde ich ja, dass die Leute, die hier angekommen sind, auch hier bleiben. Ich habe hohen Respekt für Unternehmen, die ihre Leute 20, 30 Jahre halten. Ein Beispiel: Neulich war ich in der Schweiz, bei dem Uhrenhersteller IWC, und die haben ihre Firmengeschichte in einem kleinen Museum ausgestellt. Das haben Mitarbeitende im Ruhestand gemacht, freiwillig. Der Firma ist es also gelungen, in den Mitarbeitenden so eine Leidenschaft für das Unternehmen zu wecken, dass die im Ruhestand noch Lust haben, einen Museumsverein zu gründen. Das ist doch mega. Zweites Beispiel: Ich habe neulich zufällig den alten Personalchef von Gruner+Jahr getroffen, wo ich vor 20 Jahren meinen ersten Job hatte, und die haben auch einen Museumsverein mit Leuten, die ihren Arbeitgeber so toll fanden, dass sie sich über ihre Rente hinaus für den einsetzen. So was ist mein Ziel.
Es heißt doch, man soll alle paar Jahre den Arbeitgeber wechseln, wenn man vorankommen will.
Philipp: Ich habe Mitarbeitende, die sind von Anfang an, also seit zehn Jahren dabei. Ich fände es total cool, wenn so in 30, 40 Jahren ein paar Mitarbeitende einen OMR-Museumsverein gründen würden, einfach, weil sie es super fanden, hier zu arbeiten, weil sie sich mit der Firma identifiziert haben. Aber es kann ja auch alles ganz anders kommen, sieht man ja gerade bei Gruner+Jahr. Als ich da angefangen habe, war ich der stolzeste Typ unter der Sonne. Das war damals der attraktivste Arbeitgeber überhaupt, jeder wollte da hin. Es gibt keine Garantie, dass das so bleibt, auch bei uns nicht.