Aufstand für Frieden
  • Neben nachvollziehbaren Plakaten gab es am Samstag in Berlin auch solche, die Tatsachen etwas durcheinander brachten.
  • Foto: picture alliance/dpa/Monika Skolimowska

Warum Wagenknechts Friedens-„Aufständchen“ so scheitern wird

Schon Tage zuvor debattierte die halbe Republik über die Demo „Aufstand für Frieden“ von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer am Samstag in Berlin. Vorerst blieb das Ganze aber eher ein „Aufständchen“. Was sonst noch von dem kalten Winter-Nachmittag bleibt – eine MOPO-Analyse.

Am Ende, auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor, da schien vor allem Frauenrechtlerin Schwarzer ganz trunken vor Glück: Zu den Klängen von John Lennons „Imagine“ schunkelten die Redner:innen, die „Emma“-Chefin aber hätte am liebsten getanzt, das konnte man spüren. Sie sprach auch von einer „neuen Bürgerbewegung“, die nun ihren – bitter nötigen – Anfang genommen habe. Doch was ist dran an dieser Behauptung? Und vor allem: Wie schlimm war das nun wirklich mit den Rechtsradikalen, die an der Demo teilnehmen wollten?

Die Teilnehmerzahl:

Angemeldet hatten die Veranstalter:innen 10.000 Teilnehmende. Es waren mehr als das, die Polizei sprach am Ende von 13.000. Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht beharrte darauf, es seien 50.000 gewesen.

Die Wahrheit dürfte – wie meistens – in der Mitte gelegen haben. Reporter:innen vor Ort schätzten die Zahl auf gut 20.000. Die „Zeit“ berichtete, dass die Straße des 17. Juni sich nicht einmal bis zum Sowjetischen Ehrenmal gefüllt hätte. Allerdings: Es war auch ziemlich nasskalt an dem Tag.

Die Sache mit den Rechtsradikalen:

Hauptgrund für die Aufregung rund um den Demo-Aufruf war die Befürchtung, dass Rechtsradikale den „Aufstand“ zu einem Querfront-Event machen könnten, einer Veranstaltung also, auf der Rechte und Linke sich verbünden. Schon im Vorfeld hatte sich deswegen etwa Wagenknechts Parteivorstand explizit von der Demo abgewandt.

Teilnehmende aus dem rechten Spektrum waren sichtbar vor Ort, auch wenn Schwarzer („habe keine gesehen“) dies nicht wahrhaben wollte. AfD-Politiker, Freie Sachsen, der Chefredakteur des rechtsradikalen Magazins „Compact“, Jürgen Elsässer – überall traten sie vereinzelt auf. Er war von den Veranstalter:innen noch aufgefordert worden, fern zu bleiben – umsonst.

Auch vor Ort: Der als „Volkslehrer“ bekannte Videoblogger und Holocaust-Leugner Nikolai Nerling. picture alliance/dpa | Christophe Gateau
Volkslehrer
Auch vor Ort: Der als „Volkslehrer“ bekannte Videoblogger und Holocaust-Leugner Nikolai Nerling.

Deutlich präsenter noch als die klar Rechtsradikalen waren Teilnehmende aus dem „Querdenken“-Spektrum. Statt Impfschelte und Coronaleugnen heißt es dort neuerdings: Für den Frieden streiten. Oder genauer: Gegen Waffenlieferungen an die Ukraine sein. Und dabei leider immer wieder russische Verschwörungs-Narrative reproduzieren, anstatt sich etwa mit der Ukraine zu solidarisieren. Ähnlich verhalten sich auch die Veranstalter:innen.

Den „Aufmarsch“ als Querfront-Event von lauter Irren zu betiteln, würde der Sache aber nicht gerecht. Es überwogen klassisch Friedensbewegte. Und Fahnen mit Friedenstauben auf blauem Grund oder regenbogenfarbene mit „Pace“-Aufschrift („Frieden“).

Das Problem mit Wagenknechts Kalkül:

Dass Leute einem Aufruf folgen, die nicht unbedingt gemeint waren, das kommt öfter vor. Und ist an sich auch nicht problematisch. Die Sache ist aber die: Wagenknecht & Co. haben sich auch diesmal nicht wirklich positioniert. „Alle sind willkommen“, hieß es im Vorfeld. Und: „Keine Gesinnungsprüfung.“

Da half dann auch nicht mehr, dass keine rechten Fahnen oder solche Russlands zugelassen wurden. Im Übrigen auch keine der Ukraine, die überhaupt erstaunlich wenig vorkam. Der Eindruck drängte sich auf: Um die geht es hier auch gar nicht wirklich.

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Stattdessen macht das Wagenknecht-Lager nämlich das, was es seit Jahren macht: Es spekuliert ganz bewusst damit, Wähler:innen von AfD & Co. vor allem im Osten wieder abzuziehen. Die Linke kämpft dort um Wählerstimmen mit den Rechten.

Dass auf einer anderen Demo am Freitagabend Björn Höcke (AfD) sich an die nicht anwesende Wagenknecht wandte und ihr zurief: „Ich bitte Sie, kommen Sie zu uns!“ – das spricht eben auch Bände. Auch wenn sie wohl lieber eine eigene Partei gründen wird oder hofft, dass ihr Flügel sich in der Linken durchsetzt – von ungefähr kommt Höckes Angebot nicht.

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