Nach Wagenknecht-Hammer: „Reisende soll man nicht aufhalten”
Seit Jahren ist sie bei wichtigen Themen mit ihrer Partei über Kreuz – jetzt hat Sahra Wagenknecht eine Entscheidung öffentlich gemacht: Die frühere Co-Chefin der Linksfraktion will nicht mehr für ihre Partei in den Bundestag. Und wie geht’s weiter?
Die Abgeordnete Sahra Wagenknecht will nicht mehr für die Linke antreten. Der „Rheinpfalz“ sagte die 53-Jährige: „Eine erneute Kandidatur für die Linke schließe ich aus.“ Sie wolle sich nach Ablauf der Legislaturperiode entweder aus der Politik zurückziehen und als Publizistin und Buchautorin arbeiten, „oder es ergibt sich politisch etwas Neues“.
Sahra Wagenknecht: Gründet sie jetzt eine neue Partei?
Die Linken-Vizechefin Katina Schubert hat kühl auf die Ankündigung reagiert. „Politik macht sie schon lange nicht mehr für die Linke“, sagte Schubert. „Sie arbeitet schon lange auf eigene Rechnung. Ihr Geschäftsmodell ist, gegen die Partei zu hetzen, ihr ganzes Buch basiert darauf. Ich sag’s mal so: Reisende soll man nicht aufhalten.“
Wagenknecht hatte sich in den vergangenen Jahren zunehmend von ihrer Partei und ihrer Fraktion entfremdet. Schon im Wahlkampf vor der Bundestagswahl 2021 irritierte sie in ihrer Partei mit ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ und Kritik an linksalternativ-grünen Milieus. In Fragen der Zuwanderung und bei Corona-Maßnahmen lag sie immer wieder über Kreuz mit ihrer Partei. Zuletzt waren es der Ukraine-Krieg und ihre Kritik am „Wirtschaftskrieg“ der Bundesregierung gegen Russland, mit der sie in der Partei aneckte.
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Seit Monaten liebäugelt Wagenknecht mit der Gründung einer neuen Partei. Darauf angesprochen, sagte sie der Zeitung aber nur: „Darüber wird an vielen Stellen diskutiert.“ Es sei nach ihrer Beobachtung ein Problem, dass sich viele Menschen im heutigen Parteienspektrum von niemandem mehr wirklich vertreten fühlten. Einige Anhänger sollen bereits Vorbereitungen für die Parteigründung in Arbeit haben.
Die Linke: Das sagt Dietmar Bartsch
Dazu sagte Schubert, die auch Berliner Landesvorsitzende ist: „Ehrlich gesagt, ich glaube da nicht dran, weil, das ist ihr viel zu viel Arbeit, nachdem sie gesehen hat, wie sie mit (der Bewegung) ,Aufstehen‘ auf den Bauch gefallen ist. Aber selbst wenn es so ist, dann ist es so.“ Wagenknecht habe für die „programmatische Entwicklung“ der Linken schon lange keine Rolle mehr gespielt. „Sondern ihr Geschäftsmodell ist, von der Seitenlinie Leute zu diffamieren und schlecht zu machen“, sagte Schubert. „Insofern: Eine Klärung würde vielleicht manches leichter machen.“
Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, reagierte nur kurz auf Wagenknechts Ankündigung. Der Schritt „war mir seit längerem bekannt und ist zu respektieren”, teilte er mit. Von der Parteispitze um die Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan gab es zunächst keinen Kommentar.
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Wagenknecht sitzt für die Linkspartei seit 2009 im Bundestag. Von 2015 bis 2019 war sie selbst Co-Vorsitzende der Linksfraktion. Aktuell hat sie über die NRW-Landesliste ein Abgeordnetenmandat. Aufsehen erregte Wagenknecht zuletzt innerhalb und außerhalb der Linkspartei mit dem mit der Publizistin Alice Schwarzer verfasste „Manifest für Frieden“ und einer großen Demonstration in Berlin.
Sahra Wagenknecht: Trotz Außenseiterrolle bei Wählern beliebt
Wagenknecht ist trotz ihrer Außenseiterrolle in der eigenen Partei eines der bekanntesten Gesichter der Linken. Umfragen bescheinigen ihr Sympathie bei vielen Wählern. So hatte das Institut Civey die Frage gestellt: „Könnten Sie sich grundsätzlich vorstellen, eine von Sahra Wagenknecht gegründete neue Partei zu wählen?“ Darauf antworten 30 Prozent der Befragten mit ja oder eher ja. In Ostdeutschland waren es demnach sogar 49 Prozent.
Der Linken-Abgeordnete Klaus Ernst, ein Vertrauter Wagenknechts, twitterte: „Es ist schade, dass meine Partei in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwindet. Der Zuspruch den Sahra Wagenknecht erfährt, zeigt uns aber: Wohlstand, Gerechtigkeit & Frieden sind Themen, die immer hoch im Kurs stehen werden. Oder geht’s mit Parteiführung in den Niedergang?“ (dpa/ncd)